Diese Kita-Broschüre gibt Tipps im Umgang mit rechtsextremen Eltern

Dieser Beitrag wurde am 30.11.2018 auf bento.de veröffentlicht.

Ein Kita-Leitfaden für Erzieherinnen und Erzieher sorgt gerade für Ärger. In der Broschüre gibt es eine Passage, die angeblich nahelegt, wie man rechtsextreme Eltern erkenne – anhand des Aussehens der Kinder. Die umstrittene Broschüre trägt den Titel "Ene, mene, muh – und raus bist du!" und ist von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. 

Es geht vor allem um folgenden Auszug aus einem Fallbeispiel: 

"Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-Kilometer-Lauf absolviert haben."

Der Abschnitt erweckt den Eindruck, rechtsextreme Eltern ließen sich anhand des Aussehens der Kinder erkennen. In der Broschüre wird das so formuliert: "Im Fallbeispiel gibt es Hinweise darauf, dass die Kinder in einem rechtsextremen völkischen Elternhaus aufwachsen." Tatsächlich geht es in Praxisbeispiel aber um die Frage, ob man einer Einladung zum Kindergeburtstags des Mädchens mit den Zöpfen folgen soll. 

Allerdings wurde allein der Auszug mit den Zöpfen von unterschiedlichen Medien zitiert – einige behaupten, die Broschüre würde so Erzieherinnen und Erzieher dazu animieren, die politische Gesinnung von Eltern zu bespitzeln.

Um eine Bespitzelung geht es in der Broschüre allerdings gar nicht. 

Laut der Stiftung soll der Leitfaden Kita-Personal helfen, früh zu erkennen, wo Eltern fremdenfeindliche Gedanken hegen – um dann die Kinder davor zu beschützen. "Kinder schnappen rassistische Bemerkungen oder antisemitische Einstellungen auf und geben sie weiter", schreibt die SPD-Ministerin Giffey im Vorwort. "Was tun? Wie reagieren, wie vorbeugen?"

Die Amadeu-Antonio-Stiftung

Die Stiftung engagiert sich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus, benannt ist sie nach einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland nach 1990. Sie wird sowohl staatlich wie durch Spenden finanziert.

In ihren Projekten hilft die Amadeu-Antonio-Stiftung Aussteigern der rechten Szene, fördert Jugendprojekte und Flüchtlingsinitiativen. Außerdem engagiert sie sich gegen Hassbotschaften im Netz. Aus diesem Grund wird die Stiftung von rechter Seite angegangen, die Junge Union hatte erfolglos  staatliche Fördergelder verbieten wollen.

3000 Exemplare wurden gedruckt, das Familienministerium hat die Arbeit nach eigenen Angaben mit 4600 Euro unterstützt. Insgesamt ist die Broschüre fast 60 Seiten dickhier  kannst du sie einsehen. 

In anderen Fallbeispielen geht es unter anderem um Momente, in denen ein Kind ein anderes Kind nicht anfassen will, weil es ein "Asylantenkind" sei – oder um Kinder, die Hakenkreuze malen. Dann geben Experten Tipps, wie mit den Situationen umzugehen sei. 

Einige Politikerinnen und Politiker kritisieren die Broschüre dennoch:

  • Die CDU-Politikerin Nadine Schön, Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag sagt dem "Berliner Kurier" , die Broschüre enthalte "absurde Fallbeispiele" und empfehle "Elternspionage". Erzieher sollten nicht zu Überwachern der Gesinnung der Eltern werden:
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

  • Und auch die AfD machte im Netz Stimmung gegen die Broschüre. Die Beispiele seien "einseitig und abwegig", sagt zum Beispiel der Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages, Stephan Brandner. Schule und Kindergärten dürften nicht zur Instrumentalisierung genutzt werden. 

Die AfD steht allerdings selbst in der Kritik: Mit Meldeportalen versucht sie Einfluss auf Schülerinnen und Schüler zu nehmen. Diese sollen angeblich linke Lehrerinnen und Lehrer verpetzen.

Was sagt die Bildungsministerin Franziska Giffey zur Broschüre?

In einer bento vorliegenden Stellungnahme schreibt Giffey, es sei nicht Aufgabe der Broschüre "zu prüfen, wie Eltern leben und was sie denken."

Es geht nicht um Kontrolle, sondern darum, eine Erziehungspartnerschaft auch mit völkisch lebenden Familien einzugehen, die im Sinne der Bildungschancen ihrer Kinder ist.

Bei dem kritisierten Zitat ging es nicht um ein erfundenes Beispiel – sondern um einen konkreten Praxisfall, der "in bestimmten Regionen Deutschlands vermehrt beobachtet wird". Der Satz mit den Zöpfen sei entsprechend nicht allgemeingültig, "sondern Teil des Beispielsfalls", sagt Giffey.

Die Ministerin warnt davor, die Broschüre wegen des einen Beispiels zu verteufeln:

Menschenfeindliche Bemerkungen und Einstellungen machen auch vor Kindertagesstätten nicht Halt. Kinder schnappen sie auf und geben sie weiter.

Entsprechend wichtig sei es für Erzieherinnen und Erzieher, solche Tendenzen zu erkennen. Nicht, um Eltern zu überwachen. Sondern um Kinder zu schützen.

Korrektur: Eine frühere Version des Artikels laß sich, als gebe die Broschüre tatsächlich Tipps, wie man rechtsextreme Eltern anhand des Aussehens der Kinder erkennt. Das haben wir nun verständlicher formuliert. 

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren