Psychologie ANGST VOR DER ANGST
An einem warmen Tag im April 1986 wurde Karola Weber** vom Elend überfallen. Sie war, bepackt mit Einkaufstüten, auf dem Weg nach Hause, als plötzlich die Häuserwände um sie herum ins Wanken gerieten. Das Herz begann zu rasen, alle Kraft schwand aus den Beinen, und die Luft blieb weg, so daß Karola Weber zu ersticken glaubte. Sie ließ die Tüten fallen und sackte an einer Litfaßsäule in sich zusammen. Lieber Himmel, dachte sie, 23 Jahre und schon ein Herzinfarkt.
Passanten brachten sie in die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses. Die Ärzte fanden nichts Schwerwiegendes, gaben ihr eine Valiumspritze und entließen sie nach einer Stunde. Ihr besorgter Mann packte sie aufs Sofa. Körperlich ging es ihr abends schon wieder gut - doch »meine Unbekümmertheit war weg. Ich traute dem Frieden nicht«. Von da an herrschte der permanente Alarmzustand.
In den darauffolgenden Wochen und Monaten erlebte Karola Weber weitere Angstattacken: hinterhältige Angriffe aus dem Nichts, die ihr Leben dramatisch verändert haben.
Inzwischen lauert die Angst fast überall. Karola Weber fürchtet sich vor dem Klingeln des Postboten, dem Einkaufen, vor Körperkontakt mit anderen Menschen und davor, in einem Cafe Kuchen zu essen; sie hat Angst vor Familienfesten, dem Zoo, dem Spazierengehen. Ihre kleine Wohnung, die sie kaum noch verläßt, wurde zur Sicherheitszone - ein enger, freudloser Laufstall.
Die Krankheit, die sich in ihr Leben geschlichen hat, heißt Platzangst, Agoraphobie***. Als Phobien bezeichnen Experten Angststörungen aller Art, die sich meist nach vorausgegangenen Panikattacken entwickeln. 13 Prozent der deutschen Bevölkerung, fand der Psychologe Hans-Ulrich Wittchen vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie heraus, erleben im Laufe ihres Lebens spontane Angstanfälle. Manchmal treten die Attacken nur in bestimmten Lebensabschnitten auf und verschwinden dann wieder. Bei acht Prozent aber wird die Angst zum ständigen Begleiter: Etwa sechs Millionen Deutsche leiden an einer Angststörung, die behandlungsbedürftig ist.
»Fast immer«, so Wittchen, nehmen Phobien »einen dramatischen Verlauf, beeinträchtigen das Leben massiv und gehören zu den Erkrankungen mit dem *** Agoraphobie: von griech. agora = Marktplatz _(und Phobos = griech. Gott, der im Gegner ) _(Furcht und Panik hervorrufen konnte. ) ** Name von der Redaktion geändert. _(* Gemälde »Die Nachtmahr« von Johann ) _(Heinrich Füßli (1790/91). ) größten Verdeckungspotential« - das Leiden wird vor der Mitwelt geheimgehalten.
Gleichzeitig schwinde die Toleranz gegenüber Menschen, die nicht perfekt funktionieren, die Inszenierung von Coolness und Stärke werde zum Gebot erhoben. Für Wittchen sind die neunziger Jahre »das Jahrzehnt der Angst«.
Die sechs Millionen Bundesdeutschen, deren Leben von Furcht beherrscht wird, wissen zwar, daß die »normale, gesunde« Angst zum Leben gehört, weil sie den Menschen befähigt, auf bedrohliche Situationen schnell zu reagieren. Doch ihre Angst ist anders.
Sie ist lauernd, tückisch, unberechenbar. Sie schnürt die Kehle zu, sie lähmt, ist unerklärlich und hindert die Opfer daran, Dinge zu tun, die andere Menschen mühelos bewältigen: in Fahrstühle steigen, Tunnels durchqueren und Brücken überwinden, im Restaurant essen, sich mit fremden Menschen unterhalten, frohgemut durch den Wald wandern.
Betroffen sind Schauspieler und Politiker, Manager, Lehrer, Ärzte und Universitätsprofessoren, Sekretärinnen, Hausfrauen, Studenten, Handwerker - kurz: Angst kann jeden befallen.
Von Ängsten gepeinigt wird beispielsweise Eddie Murphy, einer der reichsten Schauspieler der Welt. Er duscht zigmal am Tag, wäscht sich dauernd die Hände, fürchtet sich panisch vor Flugzeugabstürzen und vor der Dunkelheit.
Nicht besser geht es seiner Kollegin Kim Basinger, die aus Angst tagelang das Haus nicht verläßt, und ähnlich litt Christine Kaufmann, die - ebenfalls aus Angst vor der Dunkelheit - bis zum Alter von 35 Jahren nachts nicht einschlafen konnte. »Ich suchte mir meine Partner nur, damit ich jemanden hatte, um nachts nicht allein zu sein.«
Auch dem Seelenforscher Sigmund Freud ging es schlecht. Etwa ein Jahrzehnt lang klagte er über Anfälle von Todesangst und machte sich große Sorgen um sein Herz. Obwohl sich keinerlei organische Ursachen für seine Beschwerden fanden, glaubte er fest daran, daß er in jungen Jahren an einem Herzschlag sterben würde.
Mehr als hundert verschiedene Entstehungsursachen für Angstleiden haben Forscher mittlerweile entdeckt, darunter so alltägliche wie die Geburt eines Kindes, Berufsstreß, _(* Mitglieder einer ) _(Angst-Selbsthilfegruppe üben das ) _(Fahrstuhlfahren. ) hormonelle Umstellungen, Umzüge. Warum aber manche Menschen auf langanhaltende Überlastungen oder plötzliche Krisensituationen mit Panik reagieren und andere nicht, ist unklar. Einen »General-Faktor«, der als Auslöser wirkt, gibt es nicht.
Der Leidensdruck ist enorm, häufige Folgeerkrankungen sind Alkohol-, Tablettenabhängigkeit und Depressionen. Nicht selten können als Folge von Panikanfällen ganze Kettenreaktionen von Zwangshandlungen auftreten.
So verbrachte die 25jährige Andrea täglich sieben bis acht Stunden auf der Toilette, weil sie fürchtete, sich und andere mit Bakterien zu infizieren und zu sterben. Die selbstquälerischen Zwänge begannen, als Andrea 17 Jahre alt war. Sie benutzte Unmengen Toilettenpapier und wusch sich anschließend übergründlich. Doch der Verdacht, daß trotz aller Vorsicht Bakterien auf der Haut zurückbleiben könnten, wurde immer stärker.
Als Andrea 20 Jahre alt war, ging sie nur noch nackt auf die Toilette; ihre Kleider, die sie vor der Tür auszog, kamen sofort in die Waschmaschine. Andreas Eltern, unfähig, ihrer kranken Tochter zu helfen, installierten einen Heizkörper und einen Farbfernseher auf der Toilette.
Männer, im Karrierekampf erprobt, können nur schwer zugeben, daß sie zittern vor vermeintlich winzigen Alltagsproblemen. So stieg ein erfolgreicher Bankmanager, der außerhalb Frankfurts lebte, jeden Morgen mit unbewegter Miene in den Pendlerzug, starrte angstgepeinigt aus dem Fenster und ließ sich von niemandem ansprechen.
In Frankfurt angekommen, ging er in die Bahnhofstoilette, zog sein naßgeschwitztes Hemd aus und ein frisches an. Dann marschierte er in sein Büro.
Abends, zurückgekehrt in seinen Vorort, wiederholte er die Prozedur. Insgesamt zehn Jahre lang reiste der Mann mit zwei Ersatzhemden und Seife im Handgepäck hin und her und sprach mit niemandem ein Wort darüber.
Die meisten Angsterkrankungen werden nicht richtig diagnostiziert - für die Patienten beginnt eine Odyssee vom Hausarzt zum Spezialisten, von einem Therapeuten zum anderen, von einer psychosomatischen Klinik zur nächsten. Wittchen: »Es besteht ein riesiger Aufklärungsbedarf bei allen Beteiligten.«
Der unheilvolle Kreislauf der Angst verläuft meist nach einem Schema: Wiederholte Panikattacken erzeugen Angst vor der Angst. Die Furcht vor der nächsten Attacke führt zur Unterlassung bestimmter Handlungen, im schlimmsten Fall zu einem radikalen Rückzug in die eigenen vier Wände.
Karola Weber war bei vielen Ärzten und Therapeuten. »Na, so um die 80 werden es wohl gewesen sein«, sagt sie. »Die meisten sind nichtsnutzige Hanseln, blöde Nervenknacker.« Sie ließ sich auf alle denkbaren Störungen untersuchen; ihre Gehirnströme wurden gemessen, sie bekam Beruhigungstabletten - geholfen hat nichts. »Werden Sie gesund, oder springen Sie aus dem Fenster«, waren die zynischen Abschiedsworte eines Psychoanalytikers, der drei Jahre erfolglos herumtherapiert hatte.
Bei Frauen ist die krankhafte Angst die häufigste psychische Störung, bei Männern steht sie nach Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit an zweiter Stelle. Auslöser für die Panik können Türme oder Brücken sein, aber auch Spinnen, Schlangen, Bakterien und vor allem andere Menschen.
So vermeiden es Menschen mit einer Sozialphobie, in Gegenwart anderer zu essen oder zu trinken. Sie fürchten, ihre Hände könnten zittern, während sie eine Gabel oder ein Glas halten. Ihre Angst ist am schlimmsten in eleganten, vollen Restaurants und weniger schlimm zu Hause. Manche Patienten allerdings können nicht einmal in Gegenwart ihres Ehepartners essen.
Die Münchnerin Brigitte, 31, erlebte ihre ersten Anfälle mit 21. »Die Angst hat sich langsam eingenistet in mein Leben«, sagt sie. Sie traute sich nicht mehr, zur Bank zu gehen und Geld abzuheben, weil sie sicher war, daß der Bankangestellte sie streng anblicken und fragen würde: »Was wollen Sie mit dem ganzen Geld?«
Sie machte ihre Meisterprüfung als Friseurin, was sie gerade noch schaffte; danach häuften sich die seelischen Abstürze. Ärzte fertigten sie mit Tabletten ab: Tavor, Lexotanil, Valium. »Hätte ich mich nicht gewehrt gegen diese Pillenmengen, wäre ich heute abhängig.«
»Mein Leben war schlimm«, sagt sie. Daß sie heute so unbefangen über diese Zeit sprechen kann, verdankt sie einer Therapiegruppe: Das Münchner Angst-Selbsthilfezentrum, kurz Mash genannt, wurde 1989 von Gerhard Schick, einem Betroffenen, gegründet. Inzwischen gibt es 13 Gruppen, in denen sich Männer und Frauen treffen.
Die Teilnehmer, die in einem behaglichen Raum zusammensitzen, erzählen ihre Leidensgeschichten, etwa wie sie unter immensen Anstrengungen ein »normales« Leben aufrechterhalten wollen: meist erfolglos. Sie berichten von Versuchen, die Krankheit mit Alkohol zu vertreiben, und davon, wie sie morgens aufwachen und, vor Angst wie gelähmt, nicht aufstehen können. Manche haben seit Jahren kein Restaurant mehr betreten, andere denken manchmal daran, sich umzubringen.
»Ich wehre mich gegen meine Angst«, sagt eine 27jährige Erzieherin. Sie hat ihre Stelle im Kindergarten verloren, versuchte sich in einigen anderen Jobs; seit zwei Jahren arbeitet sie nicht mehr. »Ach, diese Angst vor der Angst«, sagt die Frau heftig. »Dafür geht soviel Kraft drauf, fürs Heulen und fürs Kämpfen. Früher war ich kernig, heute kenn'' ich mich nicht wieder.«
»Mich haben sie schon tausendmal untersucht«, klagt eine 30jährige. Sie hat große braune Augen, ein hübsches, blasses Gesicht, streicht sich immerzu ihren Rock glatt und lächelt während der zweistündigen Gruppensitzung kein einziges Mal. »Die Angst fällt mich an«, sagt sie. »Etwas geht durch meinen Körper, und dann fange ich an zu schreien.«
Die kuriose Therapie, die ihr ein Doktor Eisenbart verordnete, bestand in fünf Litern Wasser, die sie auf einen Sturz zu trinken hatte. Ein anderer sagte streng zu ihr: »Sie sind einfach ein vermurkster Fall.« Ihre Freunde fühlen sich überfordert, belästigt sogar; manche beschimpfen _(* Beim Therapiegespräch in der Marburger ) _(Christoph-Dornier-Stiftung. ) sie als hysterische Ziege. Nehmen Sie Tabletten. Trinken Sie erst mal einen. Seien Sie nicht kindisch. Stellen Sie sich nicht so an. So lauten die Sätze, mit denen die meisten der Angstopfer wieder und wieder aus Arztpraxen entlassen werden.
Doch die Stimmung in den Therapiegruppen ist nicht bloß düster. Leute, die schon länger dabei sind, erzählen bei ihrer Wochenbilanz von Erfolgserlebnissen: von der ersten U-Bahn-Fahrt, die ohne Komplikationen gelang; von einem Kinobesuch, einem Einkauf in einem Supermarkt, einer Party. Übungen wie ein Abendessen beim Italiener oder eine Stadtrundfahrt trainieren die Mitglieder mitunter auch gemeinsam.
»Du darfst nicht weglaufen vor deiner Angst«, heißt das Credo. »Eine Woche ohne Rückschlag, das ist wie Weihnachten«, sagt ein junger Ingenieur.
Bei Fachleuten sind die Selbsthilfegruppen, die sich inzwischen bundesweit formiert haben, nicht unumstritten. Sie loben zwar den positiven Effekt des Coming-out, befürchten aber, daß die Betroffenen ihre Störung nicht endgültig loswerden, sondern sich lediglich mit ihr einrichten. »Sie stabilisieren sich innerhalb der Gruppen auf niedrigem Niveau«, erklärt der Berliner Psychologe Jürgen Margraf. Die Folge: Die Angstkranken glauben sich zu lebenslanger Krankheit verdammt und halten ihr Vermeidungsverhalten aufrecht.
Länger anhaltende, womöglich sogar dauerhafte Befreiung von Angstphobien versprechen sich Heilkundige dagegen von einer gezielten psychotherapeutischen Technik, die - in einer Art Selbstversuch - schon Goethe angewandt hat. Der Weimarer Geheimrat litt unter Höhenangst und beschrieb in »Dichtung und Wahrheit«, wie er sich erfolgreich selbst therapierte: _____« Ich erstieg ganz allein den höchsten Gipfel des » _____« Münsterturms, und saß in dem sogenannten Hals, unter dem » _____« Knopf oder der Krone, wie man''s nennt, wohl eine » _____« Viertelstunde lang, bis ich es wagte, wieder heraus in » _____« die freie Luft zu treten, wo man auf einer Platte, die » _____« kaum eine Elle ins Gevierte haben wird, ohne sich » _____« sonderlich anhalten zu können, stehend das unendliche » _____« Land vor sich sieht. . . . Dergleichen Angst und Qual » _____« wiederholte ich so oft, bis der Eindruck mir ganz » _____« gleichgültig ward, und ich habe nachher bei Bergreisen » _____« und geologischen Studien, bei großen Bauten, wo ich mit » _____« den Zimmerleuten um die Wette über die freiliegenden » _____« Balken und über die Gesimse des Gebäudes herlief . . . » _____« von jenen Vorübungen großen Vorteil gezogen. »
Mit dieser Radikalkur nahm Goethe eine Methode vorweg, die unter dem Namen »Konfrontationstherapie« als das aussichtsreichste Verfahren der Phobie-Behandlung gilt. Mit entsprechenden Trainingsmethoden arbeitet die Christoph-Dornier-Stiftung für klinische Psychologie, die an die Marburger Universität angeschlossen ist, eine Stiftung des Zürcher Mäzens und Kunstmalers Christoph Dornier. Die Erfolgsquote von mehr als 80 Prozent beweist die Effektivität der Marburger Methode.
Dabei werden Patienten in stark angstauslösende Situationen geschickt, etwa in überfüllte Lifte, in Kaufhäuser oder auf Brücken, und ein Therapeut paßt auf, daß nichts passiert. Trotz massiver Panikanfälle müssen die Kranken so lange in dieser Situation verharren, bis die Angst wieder abklingt.
So lernen die Phobiker, daß sie ihre Angst aushalten und bewältigen können, ohne daß die gefürchtete Katastrophe eintritt. Patienten beispielsweise, die sich vor dem Infarkt fürchten, begreifen, daß sie Körpersignale falsch interpretieren. Nicht jeder Schwindelanfall führt zu einer Ohnmacht, nicht jedes Herzklopfen zum Infarkt.
»Die Patienten haben«, erklärt Psychologe Wolfgang Fiegenbaum von der Dornier-Stiftung, »wenn sie zu uns kommen, nur eine Lösung für ihr Problem, nämlich die angstauslösenden Situationen zu meiden.« In der Konfrontationstherapie gehe es darum, den Leuten beizubringen, »daß das, was sie befürchten, nicht eintrifft«.
Als Prototyp einer Angstpatientin kann die Hannoveranerin Petra Haase, 24, gelten, die im Herbst vergangenen Jahres zur Therapie nach Marburg kam. Sie litt schon in der Schule unter Angstanfällen, stotterte beim Lesen, bekam Schweißausbrüche und Herzklopfen.
Sie entwickelte, was Fachleute eine ausgeprägte Sozialangst nennen: Furcht vor Menschen. Meistens saß sie allein zu Hause, und wenn sie mal ausging mit einer Freundin, dann nur ins Kino oder in die Disco, »weil ich mich da nicht unterhalten mußte«.
Die Therapeuten in Marburg ließen sie, um die massive Rede- und Kontaktangst zu überwinden, zunächst Texte vor einer größeren Gruppe vorlesen. Prompt bekam Petra Haase einen Panikanfall, konnte nicht mehr weitersprechen und wollte aus dem Zimmer rennen. »Bleiben Sie hier und machen Sie weiter«, befahlen die Therapeuten.
Petra Haase fuhr stockend fort, nach einigen Minuten merkte sie, »wie ich ganz ruhig wurde«. In den folgenden Tagen las sie an der Universität vor über 200 Studenten Referate vor, die Angst verschwand und kam nicht wieder; Haase wurde nach Hause entlassen.
Inzwischen, immer noch völlig perplex darüber, wie schnell ihre Krankheit zu beheben war ("Das geht so flott, da schlackern Sie mit den Ohren"), besucht sie das Abendgymnasium.
Auch Karola Weber bewältigte ihren alltäglichen Horror in wenigen Tagen. Ihre Therapeutin begleitete sie auf eine schwankende Fußgängerbrücke, von der aus sie zehn Meter in die Tiefe schaute. Sie glaubte, ohnmächtig zu werden, doch die Angst verflüchtigte sich nach einigen Minuten. Weber: »Das schreckliche Gefühl war weg. Ich weiß nicht, wie es funktioniert, aber es funktioniert.«
Sie fuhr nach Berlin zurück, rannte in alle Läden, die sie jahrelang vermieden hatte, fuhr lustvoll Fahrstuhl. Seit Wochen geht alles gut. Manchmal hat sie Sorge, daß die Angst zurückkommt. Dann spricht sie zu ihr wie zu einem imaginären Feind: »Komm doch und versuch, mich aus den Socken zu hauen. Es wird dir nicht gelingen, du wirst mich nie mehr fertigmachen.« Y
»Werden Sie gesund, oder springen Sie aus dem Fenster«
*** Agoraphobie: von griech. agora = Marktplatz und Phobos = griech.Gott, der im Gegner Furcht und Panik hervorrufen konnte. ** Name vonder Redaktion geändert. * Gemälde »Die Nachtmahr« von JohannHeinrich Füßli (1790/91).* Mitglieder einer Angst-Selbsthilfegruppe üben das Fahrstuhlfahren.* Beim Therapiegespräch in der Marburger Christoph-Dornier-Stiftung.