Anschlagsserie in London Tag des Schreckens

Es war der Anschlag, vor dem sich Großbritannien seit Jahren gefürchtet hat: Terroristen haben das Herz der britischen Hauptstadt angegriffen. Pendler auf dem Weg zur Arbeit, Kinder und Touristen - in einem Bus und U-Bahnen wurden sie zu Opfern der Bombenleger. Mindestens 37 Menschen wurden getötet, mehr als 700 verletzt.
Zerstörter Bus am Tavistock Square: "Einen unglaublichen Knall"

Zerstörter Bus am Tavistock Square: "Einen unglaublichen Knall"

Foto: ? Dylan Martinez / Reuters/ REUTERS

London - 8.51 Uhr: Auf der U-Bahnlinie Metropolitan Line zwischen Liverpool Street and Aldgate kommt es zu einem Zwischenfall. Die British Transport Police wird alarmiert. 8.56 Uhr: Explosion in der Nähe der U-Bahn-Station King's Cross. Um 9.17 Uhr detoniert eine dritte Bombe. Noch ist die Nachrichtenlage unklar. Um 9.40 Uhr meldet die British Transport Police, ein Stromausfall habe die U-Bahn-Stationen Aldgate, Edgware Road, King's Cross, Old Street und Russell Square lahm gelegt. Um 10.02 Uhr berichtet Scotland Yard von einem "ernsten Unglücksfall". Die BBC meldet unter Berufung auf Augenzeugen, es habe "einen lauten Knall" in mehreren U-Bahn-Stationen gegeben. Um 10.14 Uhr melden Augenzeugen, in der Innenstadt sei ein Bus explodiert. Einige Minuten später spricht Scotland-Yard-Chef Sir Ian Blair in der BBC von "etwa sechs Explosionen". Um 16.25 Uhr bestätigen Londoner Spezialkräfte, es habe vier Anschlagsorte gegeben: in der U-Bahnstation Edgware Road, auf den U-Bahnlinien zwischen King's Cross und Russell Square, auf der Linie zwischen Aldgate East und Liverpool Street. Die Explosion in dem Bus ereignete sich am Tavistock Square. Nach Angaben der Polizei starben mindestens 37 Menschen. Allein in das Royal London Hospital wurden mehr als 180 Verletzte eingeliefert, sagte ein Krankenhaus-Sprecher. Der britische Fernsehsender Sky berichtete von 1000Verletzten. Nach Angaben eines Beamten der US-Justizverwaltung kamen mindestens 40 Menschen ums Leben. Die US-Behörden seien von ihren britischen Kollegen davon unterrichtet worden, sagte der Beamte.

Fotostrecke

Londons Straßen: Blut und Schrecken in den Gesichtern

Foto: REUTERS

Einem Sprecher der Feuerwehr zufolge waren 100 Krankenwagen mit insgesamt 250 Sanitätern und 40 Feuerwehrwagen mit 200 Feuerwehrleuten im Einsatz. Schwerverletzte seien vor Ort stabilisiert worden, leichter Verwundete habe man ebenfalls an Ort und Stelle medizinisch versorgt worden. Die Londoner U-Bahn soll ab morgen wieder in Betrieb gehen, kündigte ein Sprecher der Verkehrsbetriebe an. Die Orte der Explosionen würden jedoch sicherlich noch eine Weile unzugänglich bleiben. Der Busverkehr werde vermutlich noch heute Abend wieder starten. Zuvor müssten jedoch noch alle Busse auf möglicherweise versteckte Sprengsätze untersucht werden. Den Autofahrern rieten die Behördenvertreter, bestimmte Straßen wie die Oxford Street vorerst zu meiden.

Fotostrecke

Vier Ziele in der City: Sanitäter und Polizei im Dauereinsatz

Foto: AP

Auf die Frage eines Journalisten antwortete ein Polizeisprecher, man habe vor den Anschlägen 1500 Stadtpolizisten zum G-8-Treffen nach Schottland entsandt. Es befänden sich aber zur Zeit immerhin noch 31.000 Polizeibeamte in London, das seien "mehr als genug".Während des morgendlichen Berufsverkehrs waren die ersten Meldungen über Explosionen in U-Bahnhöfen eingegangen. Zunächst hatte die Bahnpolizei noch von einem Kurzschluss als Ursache gesprochen. Binnen kurzer Zeit wurde die gesamte Londoner U-Bahn, mit der täglich drei Millionen Menschen fahren, stillgelegt. Bahnhöfe wurden geräumt, Hunderte von Feuerwehrautos und Krankenwagen fuhren vor. Notärzte behandelten auf der Straße Verletzte, Notzelte wurden aufgebaut. Hunderttausende von gestrandeten Pendlern irrten durch die Straßen.

Schon bald erhärtete sich der Verdacht, dass es sich um einen Terroranschlag handelt, wie ihn Großbritannien noch nicht erlebt hat. Der Londoner Polizeichef Blair bestätigte gegenüber dem Fernsehsender "Sky News", an einem der Tatorte seien Sprengstoffspuren gefunden worden. Die Polizei sei in hoher Alarmbereitschaft gewesen, konkrete Hinweise auf einen Anschlag habe es aber nicht gegeben. Die Regierung kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, Polizisten mit Maschinengewehren zogen vor dem Buckingham-Palast auf. Die deutsche Botschaft in London richtete einen Krisenstab ein. Der britische Innenminister Charles Clarke sprach von "mehreren furchtbaren Vorfällen" und "schrecklichen Verletzungen". Der gesamte U-Bahn- und Busverkehr in London wurde eingestellt. Nach der Explosion brach in den U-Bahn-Schächten teilweise Panik aus. "Alles wurde schwarz, und wir kollidierten mit irgendeinem Zug aus der Gegenrichtung", berichtete der Augenzeuge Bradley Anderson dem Sender "Sky News". "Es gab einen gewaltigen Knall und eine Menge Rauch", sagte Simon Tonkyn, der sich aus der U-Bahn-Station Aldgate retten konnte, der Nachrichtenagentur PA. "Einige von uns schnappten sich Feuerlöscher und schlugen damit die Waggontür ein, jetzt fühle ich mich völlig benommen."

PDF-Download

Von einem ohrenbetäubenden Knall berichtete auch Simon Corvett, der in einem Zug saß, der gerade von der Station Edgware Road abgefahren war. "Alle Fenster zersplitterten", sagte er weiter. "Jede Menge Leute schrien, und der Wagen füllte sich mit Rauch. Man konnte sehen, dass der Waggon gegenüber vollkommen verkohlt war. Man sah, dass einige Leute in echten Schwierigkeiten steckten." Ein Verletzter sagte dem Fernsehsender N-tv, zahlreiche Menschen irrten unter Schock auf den Gleisen herum. Ganze Zugteile seien über die Schinene geschleudert worden. "Sky News" zeigte Bilder eines Doppeldeckerbusses am Russell Square, dessen oberes Geschoss von einer Explosion komplett abgerissen worden war. "Ich saß im Bus davor und hörte einen unglaublichen Knall", sagte eine Augenzeugin. "Ich drehte mich um und sah, dass der halbe Bus in die Luft geflogen war. Er war mit Menschen voll besetzt."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren