Warschau - Die Diebe kamen in den frühen Morgenstunden - und sie waren sehr gut vorbereitet: Bei eisigen Temperaturen montierten sie den metallenen Schriftzug "Arbeit macht frei" vom Eingangstor des früheren Konzentrationslagers Auschwitz, schafften die Konstruktion durch eine Lücke im Zaun nach draußen und fuhren in einem Transporter davon.
Seitdem fehlt von ihnen jede Spur.
Die schwache Beleuchtung an der Gedenkstätte, die zum Teil noch aus den vierziger Jahren stammen soll, hat den Diebstahl wahrscheinlich erleichtert. Eine Sicherheitskamera sendete zwar Bilder, diese wurden jedoch nicht aufgezeichnet, berichtete der polnische Fernsehsender TVP.
Die Polizei geht von zwei bis drei Tätern aus, da der Coup von einem Einzelnen nicht habe ausgeführt werden können. Über die Hintergründe des Diebstahls und eine mögliche antisemitische Motivation ist bislang nichts bekannt.
"Das ist kein Diebstahl, das ist eine Entweihung dieses Ortes", sagte Museumssprecher Pawel Sawicki. Das Schild wurde durch einen Nachbau ersetzt.
Vor allem in Israel hat der Raub für große Empörung gesorgt. Es handele sich um eine "scheußliche Tat", die auf eine "Entweihung" hinauslaufe, sagte Vizeregierungschef Silvan Schalom. Dadurch werde "der Hass und die Gewalt gegen Juden deutlich".
"Ein großer Schmerz"
Noch drastischere Worte fand Avner Shalev, Präsident der Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem: "Dieser Akt bedeutet eine echte Kriegserklärung. Wir kennen die Identität der Diebe nicht, aber ich gehe davon aus, dass es sich um Neonazis handelt", sagte Shalev.
Die Außenminister von Deutschland und Polen verurteilten den Diebstahl. Der polnische Ressortchef Radoslaw Sikorski sagte nach einem Treffen am Freitag in Berlin: "Es ist etwas Kriminelles, was passiert ist. Wir hoffen sehr, dass die Täter unverzüglich festgenommen werden."
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) fügte hinzu: "Das ist eine schändliche Tat, die verfolgt werden muss."
Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, bezeichnete die Tat als "geschmacklos und schockierend". Der Diebstahl sei für alle Überlebenden und Nachkommen von Überlebenden des Holocausts "ein großer Schmerz". Er gehe davon aus, dass die zuständigen Behörden in Polen die Täter schnell fassten und dafür sorgten, "dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert".
Getarnter Akt des Protestes
Die polnische Polizei hat an den Straßen von Auschwitz Beamte postiert, um große Autos und Lieferwagen zu kontrollieren. Die Bänder der Überwachungskameras der Gedenkstätte werden ausgewertet. Für Hinweise, die zur Festnahme der Täter führen können, wurde eine Belohnung von 5000 Zloty (rund 1200 Euro) ausgesetzt.
Der Schriftzug "Arbeit macht frei" war etwa ein halbes Jahr nach der Gründung des Lagers im Juni 1940 auf deutschen Befehl von polnischen Häftlingen angefertigt worden. Unter der Leitung des Häftlings Jan Liwacz haben die Gefangenen als getarnten Akt des Protestes den Buchstaben "B" auf den Kopf gestellt.
Der Schriftzug gilt heute als zynisches Symbol für das Leid von Millionen Menschen in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. In Auschwitz und dem benachbarten KZ Birkenau ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 1,1 Millionen Menschen. Die meisten der Opfer waren Juden.
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Schriftzug "Arbeit macht frei" am Eingangstor zur Holocaust-Gedenkstätte Auschwitz. Die Inschrift war am 18. Dezember 2009 gestohlen worden, zwei Tage später ermittelte die Polizei die mutmaßlichen Täter.
So sah das Tor am Freitag, den 18. Dezember, in den frühen Morgenstunden ohne Schriftzug aus. Wenig später...
...entschied die Leitung der Gedenkstätte, eine Nachbildung am Tor anzubringen.
Dieses Loch im Zaun sollen die Diebe bei ihrem Coup benutzt haben.
Zahlreiche Polizisten waren an der Suche nach dem Schriftzug beteiligt.
Die fünf Verdächtigen hätten das eiserne Schild zweifelsfrei "aus kriminellen Motiven" gestohlen, erklärte der Krakauer Polizeichef Andrzej Rokita. "Wir können sagen, dass keiner der fünf einer Neonazi-Gruppe angehört."
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