Nachfolger in NRW Von Laschets Gnaden

Ministerpräsident Laschet, Verkehrsminister Wüst (Archiv): »Der richtige Kandidat zur richtigen Zeit«
Foto: Federico Gambarini / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat den NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst, 46, als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Er habe dem CDU-Landesvorstand und der CDU-Landtagsfraktion geraten, Wüst zum Vorsitzenden der CDU NRW zu machen und ihn später zum neuen Ministerpräsidenten zu wählen, sagte Laschet am Dienstagabend im Landtag in Düsseldorf. In den Gremien sei er damit auf »viel Zustimmung« gestoßen.
Wüst sei »mitten im Leben stehend«, sagte Laschet. »Wir wollen das fortsetzen, was wir hier als Team geschafft haben, wir haben eine Landesregierung, die immer das Ziel hatte, nicht nur einen allein wirken zu lassen, sondern starke Ministerinnen und Minister zu haben.«
Mit Laschets Auftritt im Landtag beginnt nun sein Abschied als Ministerpräsident, der Wechsel von ihm zu Wüst könnte in ein paar Wochen vollzogen sein. »Es waren gute Jahre, und ich habe dem Land gerne gedient«, sagte Laschet.
Wüst ist seit 2017 Verkehrsminister, zudem ist er Vorsitzender der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsunion in NRW. Er soll auf dem CDU-Landesparteitag am 23. Oktober zum Landesvorsitzenden ernannt werden. Im Anschluss muss er sich vom Landtag zum Ministerpräsidenten wählen lassen, die Regierungsparteien CDU und FDP haben dort eine Mehrheit von nur einer Stimme.
Wüst möchte einen »digitalen Staat«
Wüst äußerte sich am Abend im Landtag zu seinen Plänen. »Der Schutz unseres Klimas und die Bewahrung der Schöpfung ist die größte Aufgabe unserer Zeit«, sagte er. »Wir haben die Verantwortung angenommen, unseren Kindern ein lebenswertes Land zu hinterlassen.« Dazu gehöre auch, dass Nordrhein-Westfalen Industrieland bleibe, ein Land, das Wohlstand, gute Arbeit und soziale Sicherheit garantiere. Er wolle einen »digitalen Staat, der handlungsfähig ist«.
Dass sich Laschet für Wüst ausspricht, war zu erwarten gewesen. Schon länger galt der Verkehrsminister als aussichtsreichster Kandidat, obwohl er nicht unbedingt die logische Nachfolge ist. Er wurde nicht von Laschet aufgebaut, im Gegenteil, es gibt vieles, was die beiden trennt. Wüst ist eher konservativ, Laschet liberal. Aber diese Grunddistanz zwischen den beiden ist nach der verpatzten Bundestagswahl vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung für den Nachfolger.
Außerdem hat Wüst – im Gegensatz zu zwei möglichen Konkurrenten – ein Landtagsmandat, was laut Landesverfassung die Voraussetzung ist, um in NRW Ministerpräsident zu werden. Zuletzt hatte es so ausgesehen, als machten sich auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul und Bauministerin Ina Scharrenbach Hoffnungen auf die Spitze der Landes-CDU – und möglicherweise auch auf den Posten als Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident.
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»Macherqualitäten gefragt«
Vorige Woche kündigte Laschet an, Gespräche mit allen Interessenten zu führen, um danach einen Vorschlag für seine Nachfolge zu machen. Am vergangenen Wochenende soll er sich mit Wüst und den anderen beiden ausgetauscht haben. Laschet soll sich auch mit Lutz Lienenkämper unterhalten haben, dem NRW-Finanzminister, der ebenfalls ein Landtagsmandat hat.
Am Dienstagabend gegen 17:30 Uhr kam zunächst der CDU-Landesvorstand zu einer Sondersitzung zusammen. Laschet verkündete dort seine Entscheidung. Die digitale Sitzung dauerte laut Teilnehmern nur 15 Minuten. Laschet, der sich tagsüber in Berlin zu Sondierungsgesprächen mit den Grünen getroffen hatte, war aus dem Auto zugeschaltet. Es seien »Macherqualitäten gefragt«, soll er den Vorstandsmitgliedern gesagt haben. Daher schlage er Wüst vor.
Jemand aus dem Gremium sagt, die Sitzung sei harmonisch und friedlich abgelaufen, »auch wenn man das von der CDU in diesen Tagen vielleicht nicht mehr gewohnt ist.« Es sei gut, dass es nun Klarheit gebe. Hätte sich Laschet noch zwei, drei Tage länger Zeit gelassen, »wäre ihm die Sache entglitten«.
Mehrere Mitglieder des Landesvorstands äußerten sich zu Laschets Entscheidung. Wüst stehe »für den glaubwürdigen Generationenwechsel«, sagte der Oberbürgermeister von Essen, Thomas Kufen, der auch Vorsitzender der CDU Ruhr ist. Wüst habe »gelernt, für politische Themen zu kämpfen«, sagte Günter Krings, Chef der NRW-Landesgruppe in der Bundestagsfraktion von CDU/CSU. Er sei »der richtige Kandidat zur richtigen Zeit«.
Scharrenbach lenkt ein
Gegen 18 Uhr trat Laschet dann persönlich in der CDU-Landtagsfraktion auf, um auch dort seinen Vorschlag mit Wüst zu unterbreiten. Es habe lang anhaltenden Beifall gegeben, heißt es aus der Runde.
Bauministerin Scharrenbach hatte kürzlich noch betont, dass man »viele geeignete Bewerberinnen und Bewerber« für die Nachfolge Laschets habe. Intern hatte sie sich gegen Wüst ausgesprochen und sich in mehreren Interviews selbst in Position gebracht. Nun steht fest, dass aus ihren Ambitionen nichts wird. Dem SPIEGEL sagte Scharrenbach am Dienstagabend: »Alle versammeln sich jetzt hinter Hendrik Wüst.«