Ausbildung zum Yoga-Lehrer Meditation mit Bootcamp-Charme

Mantra, Om, Körperverrenkungen: Millionen Menschen suchen im Yoga die Energie, die ihnen der Alltag raubt. Wer das Ganze professionell betreibt, kann damit auch Geld verdienen - Schulen bilden zum Yoga-Lehrer aus. Entspannt ist die Ausbildung allerdings nicht. Ein Erfahrungsbericht.
Von Dr. Kai Kaufmann
Autor Kai Kaufmann beim Yoga: Das Ego überwinden

Autor Kai Kaufmann beim Yoga: Das Ego überwinden

Foto: Daniel Ewen

Fröstelnd singe ich mit vierzig angehenden Yoga-Lehrern gegen 7 Uhr morgens auf Sanskrit für den Weltfrieden. Ein mehr oder minder freudig geschmettertes "Om Namo Narayanaya, Om Shri Durgayai Namah" klingt aus dem Dachboden mit Panoramablick auf die Felder des Nordseeörtchens Horumersiel.

Unser Mantra soll nicht nur friedenstiftend sein, wie ein Blick in die Liederfibel erklärt. Was der Welt gut tut, das soll auch uns gut tun. Das "gefühlvolle Singen von Gottes Namen" habe im Allgemeinen eine "heilende Wirkung sowohl auf den physischen als auch auf die feinstofflichen Körper".

Die positive Wirkung von Schwingungen halte ich auch keinesfalls für esoterischen Humbug. Es tut tatsächlich gut, wenn es, wie ich es sonst kenne, bei ein paar Minuten bleibt oder so lange währt, wie man sich damit wohlfühlt. Und wenn keine mahnenden Blicke von Kursleitern oder eifrigen Mitschülern zum Einstimmen drängen. Aber nonstop geht mir das Gesinge schlichtweg auf den offenbar noch ungebildeten yogischen Geist.

Dabei übe ich Yoga doch schon seit über zwanzig Jahren. Etliche Kurse habe ich bei unterschiedlichen Lehrern belegt, während meines Journalistik-Studiums in San Francisco, USA, und später in Hamburg. Seit langem hilft es mir, mich auch in Zeiten täglichen Multitaskings, E-Mail-Flut und Durchboxerei als leitender Redakteur und freier Journalist zu zentrieren und zumindest für einige Momente ganz bei mir zu sein.

Als nebenberuflicher Yoga-Lehrer möchte ich diese ganz und gar weltliche Erfahrung aus täglichem Redaktionswahnsinn nutzen. Deshalb will ich als Personal Trainer künftig Yoga-Techniken insbesondere jenen Menschen näherbringen, die in ihrem Berufsleben ähnlichem Stress ausgesetzt sind.

Singen bis zum Umfallen

Die Schule meiner Wahl gehört zum Yoga Vidya e.V., dem "europaweit größten gemeinnützigen Verein für Yoga, Meditation und Ayurveda", wie es auf der Website heißt. 2300 Seminare, Aus- und Weiterbildungen bietet Yoga Vidya jährlich an. Es gibt in Deutschland eine unüberschaubare Vielzahl weiterer Schulen. Nicht einmal die Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größtem Berufsverband der Yoga Lehrenden (BDY), Angelika Beßler, wagt eine Schätzung wie viele Schulen es sind: "Es gibt keine seriösen Zahlen, weil es keine statistischen Erhebungen dazu gibt", erkärt sie, denn Beruf und Ausbildung sind nicht staatlich anerkannt.

Im Zuge des anhaltenden Wellness-Trends decken die Ausbilder einen riesigen Bedarf ab, schließlich bietet fast jedes Fitness-Center mittlerweile auch Yoga-Kurse an.

Den Tipp, diese Yoga-Vidya-Schule in Horumersiel zu besuchen, gab mir meine Hamburger Yoga-Lehrerin und Mentorin Daboya*, die auch bei Yoga Vidya ausgebildet wurde. Sie vermittelt ein ganzheitliches Yoga in meinem Sinne: die Verbindung von körperlichen Übungen, Atemtechniken, Meditation und einer Geisteshaltung, die von Achtsamkeit und Respekt geprägt ist. Wenn sie hier ausgebildet wurde, werde ich schon richtig liegen.

Also wird am Abend wieder fleißig mitgesungen. Meine Nachbarin holt verstohlen zwei Ohrstöpsel aus der Hosentasche. Ich grinse. "Vom Hockenheimring", flüstert sie. Plötzlich macht es rums.

Zwei Reihen vor mir bricht Mitschülerin Mona* zusammen. "Singen bis zum Umfallen", denke ich. Es wird von allen Seiten herübergeschaut bis einer der rund 40 Eleven beherzt ruft: "Hört doch mal mit dem Singen auf." Die junge Kursleiterin Brigitte* setzt vor dem blumengeschmückten Altar zum nächsten Vers an. Widerwillig unterbricht sie. "Wir schicken ihr Energie zur Genesung", sagt Brigitte und stimmt erneut ihr Mantra an. Einige Mitschülerinnen helfen Mona hinaus. Und ich frage mich: Wo bleibt das zu Recht so elementare yogische Prinzip des achtsamen Umgangs mit sich selbst?

Mona ist nicht die einzig Schwächelnde hier. Die ortsansässigen Ärzte würden das schon kennen, hören wir nach dem Praxisbesuch von den Begleiterinnen der jungen Frau. Heftige Erkältungen, Magenkrämpfe, Augenentzündungen und Zahnschmerzen greifen in unserem Kurs um sich. Manche fühlen sich wie im Boot-Camp.

Über 400 Lehreinheiten müssen in dem vierwöchigen Intensivkurs am Stück oder in Blöcken absolviert werden, dies entspricht dem internationalen Standard der Yoga Alliance. Unser tägliches Programm beginnt um 6 Uhr morgens und endet um 22 Uhr. Zwischendurch wird für die Prüfung gepaukt und nur zweimal gegessen. Das erste Mal um 11 Uhr, also nach fünf Stunden Meditation, Mantra-Singen, Vorträgen und Yoga-Übungen.

Wer sich nicht reinigt, muss Teller putzen

Der Unterrichtsplan ist ein Ritt durch das komplexe Yoga-System. Tägliche Vorträge über die Philosophie der verschiedenen Yoga-Formen wie Kundalini-, Hata-, Raja-, Jnana-, Bhakti- und Karma-Yoga gehören dazu, ebenso wie die Vermittlung von Anatomie-Grundkenntnissen und Kriyas, den Reinigungstechniken.

Wer bei keinem der Kriyas - wie dem kollektiven Abführen in der Dusche eines Achtbettzimmers, der Darmreinigung also - mitmachen will, der wird zum Abwaschen geordert. Natürlich steht auch die Unterrichtsmethodik des Yoga mit seinen Asanas, den körperlichen Übungen, auf der Agenda. Die Ausbilder sind darin wahre Meister. Sie weisen auf physische Risiken hin sowie Techniken und Hilfestellungen, mit denen wir unsere Schüler einmal sicher in Positionen wie die Katze, Krähe oder Kobra bringen.

Gearbeitet wird natürlich auch - für ein gutes Karma, versteht sich. Auch dies ist Pflichtteil der Ausbildung. Denn Karma-Yoga ist das Yoga des selbstlosen Dienens. Jeder der Schüler muss mit ran. Dazu gehört Abwaschen, Fensterputzen, Kloputzen, eben alles was den Laden am Laufen hält. Warum ausgerechnet die bedenklich dürre Kroatin im Garten "Hinkelsteine" schleppen muss, erschließt sich niemandem so recht. Vielleicht wirkt sich besonders großes Leiden ja günstig auf das Karma der Grünanlage aus.

Aber kritisches Nachhaken scheint bei den Lehrern eher unerwünscht. Selbst ein großer Teil der Mitschüler quittiert analytische Ansätze zunehmend aggressiv. So sehr, dass eine Schülerin meint "es ist doch mutig, hier seine Meinung zu sagen". Immer energischer wird stillschweigende Akzeptanz eingefordert.

Nach der Abschlussprüfung sind wir erleichtert, viele von uns wurden schließlich an ihre Grenzen geführt. Trotz des oft kuriosen Rahmens haben wir viel an guten und wichtigen Basiskenntnissen erworben. Doch von der offenen Haltung, die Yoga für mich ausmacht, spürte ich in diesen Wochen leider wenig. Warum schließen sich hier eine Leidenschaft für Yoga und eine kritische Haltung offenbar aus? Zurück in Hamburg, schildere ich meiner Mentorin Daboya meine Eindrücke. "Kai, es geht dort darum, dein Ego zu überwinden", entgegnet sie. Und genau so hat es sich auch angefühlt.

* Namen von der Redaktion geändert

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