Durchgewunkene Asylbescheide: So erklären die Mitarbeiter die falschen Entscheidungen
Dieser Beitrag wurde am 29.05.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Der Personalrat des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat sich jetzt in die Diskussion über die Affäre zur mutmaßlichen Manipulation von Asylbescheiden eingeschaltet. Er sieht die Führung des Bamfs in der Schuld für die Misere.
Von 2013 bis 2016 sollen in der Bremer Außenstelle des Bamfs mindestens 1200 Asylanträge bewilligt worden sein, die nicht hätten bewilligt werden dürfen. Die inzwischen suspendierte Bremer Bamf-Leiterin Ulrike B. soll dafür Vorteile wie Restaurantbesuche erhalten haben. Diese Vorfälle wurden schon seit 2014 immer wieder intern gemeldet, allerdings gab es kaum Konsequenzen. (SPIEGEL ONLINE) Erst mit Bekanntwerden der Fälle im April diesen Jahres werden Folgen erwartet.
Die Zusammenfassung:
Was meint der Bamf-Personalrat damit, dass die Führung die Schuld trägt?
Viele kennen es: Der Chef hat zu hohe Erwartungen, setzt die Mitarbeiter unter Druck, die Qualität der Arbeit leidet. Fehler schleichen sich ein, man wird ungenauer. Schneller ist eben nicht immer besser.
So soll es auch beim Bamf gewesen sein. Das behauptet zumindest der Personalrat, der damit die Mitarbeiter des Bamfs in Schutz nehmen will. In einem Brief an Bamf-Präsidentin Jutta Cordt, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, äußern Gesamtpersonalrats-Chef Rudolf Scheinost und sein Vize Paul Müller heftige Kritik an der Führung des Bamfs:
- Die Mitarbeiter und auch der Personalrat hätten kein Verständnis dafür, dass es auf Bamf-Seite so sehr am Willen mangle, die Geschehnisse in Bremen aufzuklären – sie seien in den letzten Jahren mehrfach intern gemeldet, jedoch klein gehalten worden (bento). Bisher hätte es neben fehlender Aufklärung auch keine Konsequenzen gegeben.
- Es würde der Eindruck entstehen, in der Behörde herrsche pauschal "Inkompetenz und Willkür".
- Die schnelle Erledigung von Fällen hätte Vorrang, wobei dann die Genauigkeit auf der Strecke bleibe. "Dies habe dazu geführt, dass 'bewusst' Einschränkungen in der Rechtsstaatlichkeit beim Bearbeiten der Asylanträge in Kauf genommen würden." (Süddeutsche Zeitung)
- In einer Außenstelle seien sogar grundlegende Schulungen abgesagt worden, weil die "Produktivziele" nicht erreicht worden seien. Mitarbeiter könnten also erst ihre Qualifikation und damit ihre Arbeit verbessern, wenn sie vorher ohne Schulung Produktivziele erreicht hätten.
Was fordert der Bamf-Personalrat?
Scheinost und Müller fordern in ihrem Brief an Jutta Cordt einen "Neuanfang".
- Die Asylverfahren seit 2015 müssten überprüft und die wirklich Verantwortlichen benannt werden. "Dabei müssen die sogenannten Führungskräfte und nicht die weisungsabhängigen Mitarbeiter des Bundesamtes im Fokus stehen."
- Qualität müsse wieder vor Quantität kommen, Produktivziele müssten wieder realistischer werden.
Wie geht es weiter?
Am Dienstagnachmittag werden Behördenleiterin Jutta Cordt und Bundesinnenminister Horst Seehofer im Bundestags-Innenausschuss Stellung zu der Affäre nehmen. Es bleibt abzuwarten, wie sie auf die Vorwürfe und Forderungen reagieren werden.