Razzien in Belgien Ermittler knacken erneut Anbieter von Kryptohandys

Der Hafen von Antwerpen gilt als Einfallstor für Kokain aus Südamerika
Foto: Virginia Mayo / APEuropäischen Polizeibehörden ist offenbar erneut ein bedeutender Schlag gegen die Organisierte Kriminalität gelungen. Wie ein Sprecher der belgischen Bundesanwaltschaft dem SPIEGEL bestätigte, durchsuchten 1500 Beamtinnen und Beamte am Morgen mehr als 200 Häuser, Geschäftsräume und Wohnungen in Belgien.
Schwerpunkt der Aktion war Antwerpen. Im Fokus steht demnach eine mutmaßlich schwerkriminelle Vereinigung, die vor allem für die Einfuhr von Drogen nach Europa verantwortlich sein soll. Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge wurden 48 Verdächtige festgenommen und 1,2 Millionen Euro beschlagnahmt.
Auch in den Niederlanden gab es landesweit Einsätze. 30 Personen seien festgenommen, 75 Wohnungen und Büros durchsucht worden, teilte die Polizei mit . In Rotterdam wurden den Angaben zufolge 28 Waffen beschlagnahmt.
Hack von Sky ECC
Wie zuerst belgische Medien berichteten , beruhen wesentliche Ermittlungserkenntnisse in dem Verfahren auf einem Hack eines Anbieters von Kryptotechnologie. Nach Informationen von SPIEGEL und SPIEGEL TV gelang es europäischen Sicherheitsbehörden bereits vor einigen Monaten, die Verschlüsselung des im kriminellen Milieu beliebten Kryptodienstleisters Sky ECC zu knacken.
Das dubiose Unternehmen wirbt im Internet mit dem Verkauf einer angeblich undurchdringbaren Verschlüsselungssoftware, mit denen Handys ausgestattet werden können. Nutzer von Sky ECC registrierten am Morgen eine schwere Störung des Dienstes.
»WhatsApp für Gangster«
Sky ECC gilt als Nachfolger der Kryptohandy-Firma Encrochat, die im Milieu lange als populärster Anbieter angeblich unknackbarer Mobiltelefone galt. Kriminalisten bezeichneten den auf den Handys vorinstallierten Messenger als »WhatsApp für Gangster«. Vor einem Jahr war es der französischen Gendarmerie gelungen, den Server der Firma in Frankreich zu infiltrieren.
Monatelang konnte die Polizei den Chatverkehr Zehntausender Krimineller live mitlesen. Millionen Chatnachrichten deutscher Nutzer landeten beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. Seitdem kommt es auch in Deutschland immer wieder zu spektakulären Razzien gegen die schwerkriminelle Szene.
Ermittler an der Kapazitätsgrenze
Nach der Abschaltung von Encrochat wechselten viele Straftäter zum Konkurrenten Sky ECC. Doch auch dieser Dienst scheint nun nicht mehr sicher. Welcher Polizeibehörde in Europa der neue Hack gelang, ist noch nicht bekannt. Nach Informationen von SPIEGEL und SPIEGEL TV sind im BKA bislang noch keine Massendaten aus der Operation gegen Sky ECC angelangt.
Doch auch in Deutschland bereitet man sich auf einen der wohl umfangreichsten Ermittlungskomplexe in der Kriminalgeschichte vor. Ermittler sprechen von einem möglichen »Tsunami« an neuen Informationen. Viele Dienststellen in den Bundesländern arbeiten wegen der Datenflut aus dem Encrochat-Hack schon jetzt an der Kapazitätsgrenze. Einerseits ermöglichen die Datensätze Ermittlern, erfolgreich gegen das Milieu vorzugehen. Andererseits könnten Millionen weiterer Chatnachrichten die Sicherheitsbehörden in Deutschland vollends überlasten.