Benedikt XVI. auf Brasilienreise 26 Minuten über der Sahara
São Paulo - Der Empfang ist kühl. Als die Alitalia-Maschine mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche an Bord um 16.02 Uhr auf der Rollbahn aufsetzt, ist es regnerisch. Die Temperaturen sind herbstlich. Umso herzlicher ist die Begrüßung Papst Benedikts XVI. durch Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva, der den hohen Gast am internationalen Flughafen von São Paulo begeistert empfängt.
Der 80-jährige Pontifex hat zu diesem Zeitpunkt schon eine zwölfstündige Reise hinter sich, die längste seit seiner Wahl. Eine Reise mit einigen Neuerungen - und einem großen Fragezeichen.
Die Erleuchtung von Gottes Stellvertreter erreicht die Passagiere des Fluges AZ 4000 kurz hinter Algier und nach dem Frühstück. In zehntausend Metern über der Sahara gibt sich der Pontifex die Ehre. Zwischen hier und dem Reiseziel, der brasilianischen Metropole, liegen noch 7930 Kilometer, als Benedikt XVI. vor den Kabinenvorhang tritt.
Es ist eine regelrechte Pressekonferenz, die hier im hinteren Teil des Flugzeuges stattfindet. Ein Novum. Ansonsten sind es die Berichterstatter gewohnt, das Objekt ihrer journalistischen Begierde vor Ankunft am Reiseziel kaum zu Gesicht zu bekommen. Allenfalls - so hielten es Benedikt als auch sein Vorgänger stets - schaute man mal eben für ein paar Minuten vorbei, zwei oder drei Journalisten, die weit vorne saßen, bekamen eine Frage beantwortet, und der Vorhang schloss sich wieder hinter dem päpstlichen Rücken.
Kontinent der Hoffnung
Dieses Mal ist alles vorbereitet für die Ankunft des Herrn Ratzinger. Fotografen und Kameraleute haben ihre Plätze zugewiesen bekommen, als der Papst mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertoni, und seinem Privatsekretär Georg Gänswein im Schlepptau kommt. Die Spannung ist groß. Hat die Inszenierung etwas zu bedeuten? Sagt er vielleicht doch etwas? Etwas, was neu ist? Etwas ungewohnt Deutliches? Die Journalisten stellen Spekulationen an. Dann werden die Worte des Papstes über die Lautsprecheranlage der Boeing übertragen.
Überhaupt ist so manches anders als sonst. Am Morgen, als die Papstmaschine am Römer Flughafen Fiumicino fast startbereit auf dem Vorfeld steht, kommt Benedikt nicht in der Limousine, sondern per Hubschrauber zur Gangway und besteigt das Flugzeug. Auch das Ziel ist ein besonderes: Zum ersten Mal verlässt Benedikt XVI. Europa. Zum ersten Mal nimmt er auf dem Rückweg dieselbe Maschine wie auf dem Hinflug. Und der Papst fliegt mit einer Boeing 777. "So eine große Maschine hatte er noch nie", erzählt eine Alitalia-Mitarbeiterin.
Am Anfang war das Wort Hoffnung. "Wir fliegen zum Kontinent der Hoffnung", verkündet der Pontifex und bekräftigt, wie sehr er sich auf die Treffen mit der Jugend freue, und auf die Heiligsprechung des Franziskanermönchs Antonio de Sant'Anna Galvao. Ja, und der Besuch der Fazenda da Esperança, einer Einrichtung für drogenabhängige Jugendliche, liege ihm auch sehr am Herzen. Und natürlich auch der eigentliche Anlass der ganzen Reise, die Konferenz der lateinamerikanischen Bischöfe, die er am Sonntag eröffnen werde. Und stellen Sie nun Ihre Fragen. Pressesprecher Federico Lombardi erteilt das Wort.
"Das Leben ist schön"
Was kann die Kirche gegen die Gewalt in Brasilien tun? Glauben geben, sagt Benedikt, in Christus, in diesen Gott, der den Weg zur Versöhnung zeigt. Hat er nicht bislang etwas wenig Interesse an dem Kontinent gezeigt, in den er nun reist? Aber nicht doch. Er liebe Lateinamerika sehr, habe viele Freunde dort. Er werde dem Kontinent dieselbe Aufmerksamkeit widmen wie seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II.
Und die Deutschen, will ein Landsmann wissen. Fühlt er sich von denen ausreichend unterstützt? Und hat er nicht doch manchmal ein wenig Heimweh? Ja, unterstützt fühlt sich der Papst. Das helfe. Und seine Heimat liebe er, aber er liebe auch Rom. Und inzwischen sei er ja ein Weltbürger und überall daheim. Unter all den Fragen dann auch jene: Und wie steht er zu der Entscheidung der mexikanischen Kirchenoberen, die vor wenigen Tage Politikern der Hauptstadt mit der Exkommunikation gedroht hätten, nachdem die Abtreibungen bis zum dritten Schwangerschaftsmonat legalisiert hätten? "Das Leben ist ein Geschenk", sagt Benedikt. "Das Leben ist schön." Natürlich auch das Ungeborene. Wer der Tötung ungeborenen Lebens den Weg ebne, habe eigentlich bei der Kommunion nichts verloren. Im Prinzip hätten die Bischöfe schon Recht, und überhaupt mische sich die Kirche nicht in Politik ein.
"Befreiungstheologie war ein Irrweg"
Bitte wie? Die Journalisten sind erstaunt. Hat der Papst gerade tatsächlich der Exkommunikation von Politikern das Wort geredet? Was hätte das dann wohl für viele Politiker in westeuropäischen Ländern für Folgen? Pressesprecher Lombardi, hinterher mit Fragen bombardiert, wie der Papst das denn nun gemeint habe, versucht zu beschwichtigen. Exkommuniziert sei ohnehin niemand worden, weder vom Papst, noch von mexikanischen Kirchenvertretern. Beide Seiten hätten doch lediglich darauf hingewiesen, dass die Tötung eines Kindes laut Kirchenrecht nicht mit der Heiligen Kommunion vereinbar sei.
Dass die Kirche sich nicht in die Politik einmischen solle, sagt der Papst im übrigen noch mehrere Male. Eine nur wenig versteckte Anspielung auf die Befreiungstheologen, mit denen er sich schon in seiner Zeit als Glaubenspräfekt nur allzu gerne angelegt hat. Und so kann auch die Frage nicht ausbleiben, wie er es mit eben diesen heute halte. Auch hier bleibt die Antwort vage und allgemein. Im Prinzip sei das doch alles Schnee von gestern. Die Geschichte habe doch längst gezeigt, dass die Befreiungstheologie ein Irrweg gewesen sei. Soziale Gerechtigkeit habe sie jedenfalls nicht gebracht.
Sprach's und verschwand. Nach ganzen 26 Minuten. Die Journalisten sind - trotz etwas mexikanischer Verwirrung - beglückt. Viele klatschen. Etwas wirklich Neues? Nein, das gab es nicht. Etwas in seiner Deutlichkeit Ungewohntes? Nein, das auch nicht. Und zumindest der Mann auf Sitzplatz Nummer 1A wird sich darüber gefreut haben. Auf ein Spektakel wie einst nach seiner Regensburger Rede kann Benedikt wohl gut verzichten. Über den Wolken nichts Neues.