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Kolumne aus Tel Aviv - diesmal aus Berlin Ein Auschwitz-Überlebender, die Deutsche Rentenversicherung und ich

Ich wollte eine Witwerrente beantragen. Nicht für mich, sondern für einen 94-jährigen Auschwitz-Überlebenden. Also saß ich bei einer Behörde in Berlin-Wilmersdorf und wartete, dass meine Nummer aufgerufen wurde.
aus DER SPIEGEL 5/2020
Büro der Deutschen Rentenversicherung in Berlin

Büro der Deutschen Rentenversicherung in Berlin

Foto: Alexander Osang/ DER SPIEGEL

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Zu meinen großen Ängsten als Journalist zählt es, am falschen Ort zu sein. Dort, wo nichts passiert. In der Stille. Als die Berliner Mauer fiel, lag ich im Bett, als der größte Stromausfall in der Geschichte Amerikas stattfand, war ich, der SPIEGEL-Reporter vor Ort, gerade im Sommerurlaub in Amsterdam. In den niederländischen Nachrichten liefen New Yorker mit Taschenlampen durch die Nacht, ich suchte auf meinem Hotelfernseher eine Tierdokumentation und rauchte einen Joint, um zu vergessen, wie verloren ich mich fühlte. Es ging um Wale, soweit ich mich erinnere.

In dieser Woche, als in Israel, wo ich lebe und arbeite, das Holocaust-Forum stattfand, zu dem so viele Staatsgäste empfangen wurden wie ganz selten in der Geschichte des Landes, saß ich in der Auskunftsstelle der Deutschen Rentenversicherung in Berlin-Wilmersdorf und wartete darauf, dass meine Nummer aufgerufen wurde. Die 907. Es war morgens und sehr still, neben mir auf der Wartebank lag ein achtblättriges Antragsformular im A4-Format, beidseitig bedruckt. 16 Seiten und zusätzlich 21 Seiten Erläuterungen, die man beachten musste, wenn man eine Hinterbliebenenrente beantragen wollte. Auf der ersten Seite, die die Nummer R0500 trug, musste man sich entscheiden, ob man die Kleine Witwerrente beantragen wollte oder die Große und aus welchem Grund. Dazu hieß es: Beweismittel bitte beifügen. Vordrucke R0210 / R0215 bitte beifügen. Ich stellte mir vor, wie eine alte Frau, deren Mann gerade verstorben war, an ihrem Küchentisch in Reinickendorf saß und rätselte, wo sie ihre Kreuze machen sollte, ob sie genügend Beweismittel hätte und ob das Wort "Beweismittel" nicht an sich schon so klinge, als begehe sie mit diesem Antrag einen Riesenfehler.

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