Treffen zur Bildungsmisere Wie ein geplanter Bildungsgipfel zur Farce verkommt

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) lädt zum Bildungsgipfel
Foto: Wolfgang Kumm / picture alliance / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der letzte Bildungsgipfel, der diesen Namen verdiente, fand 2008 statt: Damals hieß die Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie versammelte alle Kultusministerinnen und Kultusminister an einen Tisch. Es ging um nicht weniger als die »Bildungsrepublik«, die Deutschland werden sollte.
15 Jahre später ist die Lage an Deutschlands Schulen so desolat wie lange nicht: Die Leistungen der Viertklässlerinnen und Viertklässler rutschen ab, der Lehrkräftemangel führt dazu, dass einige Schulen die Kinder für einen Tag pro Woche ins Home Schooling schicken müssen – weil niemand da ist, der sie unterrichtet. »Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft«, sagte ausgerechnet Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Wochenende in einem Interview in der »Bild am Sonntag«.
Die Ministerin bewarb in dem Gespräch eine Veranstaltung, die nun endlich das Signal zum Aufbruch geben soll: einen Bildungsgipfel für »Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft«, den Stark-Watzingers Ministerium in eine bereits geplante Fachtagung zu empirischer Bildungsforschung eingebettet hat.
Ein Impulsvortrag, zwei Podiumsdiskussionen
Der »Gipfel« an diesem Dienstag und Mittwoch besteht im Wesentlichen aus einem 15-minütigen Impulsvortrag Stark-Watzingers und zwei Podiumsdiskussionen, im Programm als »Bildungspolitische Spitzengespräche« angepriesen. Drei Stunden sind insgesamt dafür eingeplant. Nach dem Treffen soll eine neue Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Seiten und zusätzlichen Experten Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit erarbeiten.
Doch dieser Bildungsgipfel, der den Namen kaum verdient, wird wohl ein Kammerspiel vor leeren Rängen bleiben – und mit einer weitgehend leeren Bühne. Von 16 Kultusministerinnen und -ministern kommen gerade mal zwei: Astrid-Sabine Busse, die Berliner SPD-Bildungssenatorin auf Abruf und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK) und ihr Hamburger Kollege Ties Rabe, ebenfalls SPD und Sprecher der sogenannten A-Länder.
Giftige Kommentare zur Absage
Sämtliche Vertreter von Union, Grünen und Linken bleiben dem Gipfel fern – und garnieren ihre Absagen aus der Ferne teilweise noch mit giftigen Kommentaren. Karin Prien etwa, CDU-Schulministerin aus Schleswig-Holstein, ließ in der »ZEIT« verlauten: »Ich bin an ernsthaften Bemühungen einer engeren Zusammenarbeit interessiert.« Subtext: Dieses Treffen verdient das Etikett »ernsthaft« nicht.
Alexander Lorz, ebenfalls CDU und Kultusminister in Hessen, erklärte seine Absage gegenüber dem Onlineportal Table.Media damit, dass das Treffen unprofessionell vorbereitet sei. »Weder der Termin noch Format und Inhalte waren mit uns abgesprochen«, wird Lorz zitiert. Außerdem solle sich Stark-Watzinger in die Angelegenheiten der Länder »lieber nicht einmischen und uns in Ruhe arbeiten lassen.«
Stark-Watzinger ist blamiert
Die Bundesbildungsministerin steht blamiert da. Dabei lief es zuletzt ohnehin nicht besonders gut für die FDP-Politikerin. Die 200-Euro-Einmalzahlung, die Studierende und Fachschüler zur Unterstützung in der Energiekrise erhalten sollen, hat sechs Monate nach der Ankündigung nur die Teilnehmer eines Pilotversuchs erreicht. Das Startchancen-Programm für 4000 Schulen in sogenannten »herausfordernden Lagen« soll entgegen früherer Ankündigungen erst im Schuljahr 2024/2025 kommen.
Der Gipfel sei »eine große Chance für einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen«, keilt Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, zurück. Die Union im Bund sparte nicht mit markigen Worten. »Aber wenn es um die harte Arbeit geht, glänzen ihre Länderkollegen durch Abwesenheit. Bildungspolitiker, die ein ernsthaftes Interesse an konstruktiver Arbeit, Bildungsgerechtigkeit und den Bedürfnissen junger Menschen haben, werden am Bildungsgipfel teilnehmen.«
Donnerstag und Freitag tagt die KMK
Das Gute ist: Nur wenige Tage später bietet sich eine neue Chance zum Dialog – und unter umgekehrten Vorzeichen. Die Kultusministerinnen und -minister treffen sich in Berlin zur 381. Sitzung. Bettina Stark-Watzinger hat seit Längerem eine sogenannte »stehende Einladung« bei den Länderkolleginnen und -kollegen. Häufig schickte sie Staatssekretäre oder Abteilungsleiter als Vertretung. Diesmal hat sie ihr Kommen angekündigt. Es wird einiges zu besprechen geben.