Entscheidungsfindung in der Coronakrise Wissenschaftler kritisieren Benachteiligung von Jüngeren

Besonders Frauen würden in das traditionelle Rollenmodell zurückgedrängt und stellten ihre Karriere zurück
Foto: ute grabowsky/ imago images/photothek"Die aktuellen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen treffen gerade Eltern mit maximaler Härte": Mehr als 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gegen eine Benachteiligung von Menschen unter 50 in der Coronakrise protestiert. Sie kritisierten in einem offenen Brief an die Bundesregierung, dass viele Expertengremien vor allem aus älteren Männern bestünden und die gesamte Diskussion zu einseitig geführt werde. Die Belange der jüngeren Generation würden nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Kinderbetreuung komme in der Debatte zu wenig vor, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser, die nach eigenen Angaben in unterschiedlichen Bereichen forschen und zwischen 25 und 50 Jahre alt sind. Die Betreuung eines kleinen Kindes sei eine Vollzeitaufgabe. Pro Familie falle ein Erwachsener für die Arbeit weitgehend aus. Besonders Frauen würden in das traditionelle Rollenmodell zurückgedrängt und stellten ihre Karriere hinter häuslichen Aufgaben zurück, mit verheerenden Folgen. Speziell für Wissenschaftlerinnen gebe es schon erste Hinweise darauf, dass ihre Publikationsleistung sinke.
Auch auf die zu wenig untersuchte Rolle von Kindern innerhalb der Infektionsketten und auf die negativen Folgen der längerfristigen Isolation für Kinder wiesen die Verfasserinnen und Verfasser hin. "Wir fordern daher, der Wiederöffnung von Kitas und Kindergärten in Kleingruppen mehr Priorität zu geben."
Insgesamt sei eine "ausgewogenere Expertenberatung und Diskussion" nötig, verlangten sie. Das sei bisher nicht gegeben, wie etwa die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe der Leopoldina gezeigt habe: Die Expertengruppe, die für die Bundesregierung Empfehlungen zu Lockerungsmaßnahmen erarbeitet hatte, bestand aus 24 Wissenschaftlern und nur zwei Wissenschaftlerinnen, der Altersdurchschnitt lag bei 63 Jahren.
Die über 600 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Briefes foderten, "einen demokratischen Weg" aus der Krise mitgestalten zu können und die Perspektive der Generation zwischen 25 und 50 Jahren zu berücksichtigen.