Frankreichs Lehrkräfte streiken »Erschöpfung und Verzweiflung haben ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht«

Der Frust ist groß: In ganz Frankreich haben zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer die Arbeit niedergelegt. Damit protestieren sie gegen den Corona-Schlingerkurs der Regierung. Die zeigt sich uneinsichtig.
Lehrerstreik in Frankreich: Ärger richtet sich gegen Bildungsminister Michel Blanquer

Lehrerstreik in Frankreich: Ärger richtet sich gegen Bildungsminister Michel Blanquer

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ERIC GAILLARD / REUTERS

Sie sind unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung an Frankreichs Schulen: Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer haben sich in mehreren Städten des Landes zu Demonstrationen versammelt und die Arbeit niedergelegt. »Erschöpfung und Verzweiflung der gesamten Bildungsgemeinschaft haben ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von elf Gewerkschaften, die zum Streik aufgerufen hatten.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer und die Regierung hätten eine chaotische Situation verursacht, hieß es. Die Vorgaben zum Schutz der Schülerinnen und Schüler sowie des Personals seien ständig geändert worden. Zudem fehle es an geeigneten Instrumenten, um einen ordentlichen Ablauf an den Schulen zu gewährleisten. Es mangele auch an Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit.

»Wir waren so verzweifelt, müde und wütend«

Im Unterschied zu früheren Streiks haben sich dieses Mal fast alle Gewerkschaften verbündet. Sie werden zudem von Elternverbänden unterstützt. Etwa zwei Drittel des Lehrpersonals an den Sekundarstufen I und II beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft SNES-FSU an dem Arbeitskampf. Für die Vorschulen und Grundschulen war die Gewerkschaft SNUipp-FSU davon ausgegangen, dass drei von vier Lehrkräften teilnehmen.

Der Ärger richtet sich besonders gegen das Hin und Her bei den Coronaregeln in den vergangenen Wochen. Am letzten Tag vor der Rückkehr aus den Weihnachtsferien hatte Blanquer etwa per Zeitungsinterview verkündet, dass Klassen auch bei mehreren positiven Fällen nicht mehr komplett nach Hause geschickt werden sollten.

Viel Kritik gab es auch, als Eltern von Schulkindern in den vergangenen Tagen reihenweise tagsüber von der Arbeit geholt wurden, um ihre Kinder in einer Apotheke testen zu lassen – was oft nur mit langen Wartezeiten möglich war. Mit einem negativen Test durften die Kinder dann wieder zurück in den Unterricht. Nach starkem Protest sollen nun von Freitag an Selbsttests und eine schriftliche Erklärung der Eltern zum Testergebnis ausreichen. Im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich nie regelmäßige Tests für Schülerinnen und Schüler eingeführt.

Die Gewerkschaften fordern unter anderem simplere Vorschriften, die Anstellung von Hilfslehrkräften sowie die Verschiebung der Abiturprüfungen von März auf Juni. »Wir waren so verzweifelt, müde und wütend, dass wir keine andere Wahl hatten, als einen Streik zu organisieren, um der Regierung eine deutliche Botschaft zu übermitteln«, sagte Elisabeth Allain-Moreno von der Lehrergewerkschaft SE-UNSA.

Die Regierung wiederum setzt nach den schnellen Schulschließungen zu Beginn der Pandemie nun darauf, den Präsenzunterricht so weit und so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Blanquer: »Ein Streik löst keine Probleme«

Ein gewisses Maß an Schwierigkeiten sei der Preis dafür, hält Blanquer den Streikenden entgegen: »Ich weiß, dass es hart ist, aber ein Streik löst keine Probleme. Man streikt nicht gegen ein Virus«, sagte er dem Sender BFM TV.

Regierungssprecher Gabriel Attal räumte immerhin ein, dass zuletzt nicht alles rund gelaufen sei. Er verteidigte aber die neuen Regeln: Derzeit seien nur zwei Prozent der Klassen geschlossen. Mit den vorherigen Regeln wären es angesichts der hohen Fallzahlen deutlich mehr. Schulschließungen wolle man um jeden Preis verhindern.

Mit den zuletzt rasant steigenden Infektionszahlen in Frankreich im Zuge der Ausbreitung der Omikronvariante ist auch die Zahl der Ansteckungen in den Schulen deutlich gestiegen. Die Behörden hatten zuletzt mit fast 370.000 Neuinfektionen einen Tageshöchststand gemeldet.

fok/AFP/dpa/Reuters
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