Rektor aus Rostock »Unsere Schüler testen sich selbst – das klappt«

An der Don-Bosco-Schule in Rostock wird bereits seit August regelmäßig getestet. Schulleiter Gert Mengel erklärt, wie das geht.
Ein Interview von Christian Füller
Lehrer Mengel in seiner Schule in Rostock

Lehrer Mengel in seiner Schule in Rostock

Foto: privat

SPIEGEL: Herr Mengel, an Ihrer Schule klappt das Testen schon lange. Woran liegt es, dass es an vielen Schulen anders ist?

Gert Mengel: An der Kakofonie in der Testdebatte. Wir sind in einem Stadium des verantwortungslosen Geredes angekommen. Die Politik braucht schnelle Erfolge beim Testen, aber hoppladihopp geht mit Schulen nicht. Das haben wir an der Don-Bosco-Schule, wo das Testen heute wie am Schnürchen läuft, selbst erlebt.

SPIEGEL: Wie haben Sie das mit der Testerei hinbekommen?

Mengel: Wir haben das behutsam Schritt für Schritt durch unsere Gremien getragen. Sie müssen die Schulfamilie erst damit befreunden, dass es Tests gibt – und die Schüler:innen das selbst machen. Das erfordert viele Diskussionen mit Schülern, Eltern und Lehrern.

SPIEGEL: Weil vor allem die Lehrer blockieren?

Mengel: Niemand blockiert, aber alle haben Erklärungsbedarf. In der Tat sind bei Lehrkräften die Empfindlichkeiten am deutlichsten zu spüren. Ich verstehe das übrigens. Die Lehrer:innen haben in den letzten zwölf Monaten eine Unmenge neuer Herausforderungen bewältigen müssen, für ihre Schüler und auch für sich – und nun noch Coronatests. Die Verantwortung der Lehrer war und ist riesig, aber bekommen haben sie dafür praktisch nichts: keine Anerkennung, keine Impfpriorität, und auch die Dienstlaptops sind immer noch nicht da. Es wäre also ganz falsch, Pädagogen an den Pranger zu stellen. Ohne die Lehrer hätte die Don-Bosco-Schule bis jetzt keinen einzigen Test abgenommen.

SPIEGEL: Ja, aber haben wir so viel Zeit für Palaver?

Mengel: Nein, eigentlich nicht. Aber man muss in der Schulgemeinschaft den Sinn des Testens erklären. Das ist wichtig! Um alle mitzunehmen. Um deutlich zu machen, dass man dann mit mehr Sicherheit Schüler wieder in die Klassenzimmer holen kann. Und man muss in diesen Gesprächen ganz praktisch zeigen, wie das Testen funktioniert.

SPIEGEL: Weil Sie gar keine Schnelltests haben?

Mengel: Jeder Test will erklärt sein – gerade wenn es um Leben und Tod geht. Aber es ist richtig, dass wir keine Schnelltests anwenden, sondern zuverlässige PCR-Tests. Unsere Schüler testen sich selbst, in einigen Fällen helfen Eltern ihren Kindern. Aber das klappt. Von den 5000 Tests, die unsere Schüler seit August gemacht haben, waren gerade mal acht nicht auswertbar. Auch die enge Kooperation mit dem Unternehmen Centogene, das die Tests kostenfrei zur Verfügung stellt, war wichtig. Nur so ist es möglich, aus diesem sicheren, etwas langsameren PCR-Test de facto einen Schnelltest zu machen.

SPIEGEL: Ist es nicht riskant, dass Schüler sich selbst testen?

Mengel: Im Gegenteil, Schüler mit in die Testung einzubeziehen, wertet sie auf. Es macht sie zu verantwortungsvollen Teilhabern, ja zu Teilgebern einer guten Lösung. Sie merken, dass sie plötzlich etwas tun können gegen ein Virus, das vorher eine unheimliche Bedrohung war. Ich kann daher die These des Verbands der Kinderärzte, dass Kinder durch Schnelltests achtloser würden, in keiner Weise bestätigen. Schüler werden sensibilisiert, sie sind achtsamer – und zugleich werden sie ermächtigt. Das ist ein ganz starkes Gefühl für junge Menschen.

SPIEGEL: Was ist Ihr Tipp: Wie kann man aus dem fremden einen eigenen Test machen?

Mengel: Ich bin tatsächlich der Meinung, dass man in der jetzigen Lage top down entscheiden muss. Die Kultusminister haben viele Dinge verschlafen und zu wenig auf Leuchttürme wie das Gymnasium Carolinum Neustrelitz geschaut, das unser Vorbild war. Jetzt muss die Politik Entscheidungen treffen – aber sie muss dann natürlich auch liefern.

SPIEGEL: Tut sie das denn?

Mengel: So lala. Sie muss die Schnell- und die Selbsttests wirklich an die Schulen bringen. Und die Schulträger, also die Kommunen, müssen auch mitspielen. Die müssen Berater an die Schulen schicken. Wir brauchen Multiplikatoren, die das vor Ort erklären. Ich bin jederzeit bereit, mit meinen Lehrern unser Beispiel in andere Schulen weiterzutragen – so wie in Rostock, wo Stadt und Schulen gerade mitziehen. Ich finde übrigens, auch die Medien haben eine große Verantwortung. Es ist gewiss die Aufgabe von Zeitungen zu kritisieren. Aber man kann mit guter Kommunikation so einen Prozess begleiten. Wir müssen alle ein Stück weit aus unseren Rollen heraus.

SPIEGEL: Was heißt das?

Mengel: Tests sind dazu da, das Virus gezielt zu entdecken – aber nicht, um anderen Untätigkeit vorzuwerfen. Es bedarf einer intensiven Diskussion, die immer konstruktiv sein muss, selbst wenn Widerstände auftreten. Auch in unserem Fall gab es Menschen, die unsicher waren und sich kritisch äußerten. Das ist normal, niemand kennt doch im Moment genau den richtigen Weg. Einen regelrechten Shitstorm haben wir abbekommen mit allen möglichen und unmöglichen Vorbehalten: gegen uns als freie katholische Schule. Oder gerade weil wir unser Schicksal selbst in die Hand genommen haben. Verrückt, aber wir haben uns nicht beirren lassen, und das war gut so. Wir haben keine Angst mehr.

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