Coronakrise
Streit über Schutzmaßnahmen und mögliche Schulschließungen
Die Kultusminister halten an ihrer "Öffnung first"-Strategie fest, Lehrer- und Elternverbände fordern klarere Regeln: Wie genau Schulen auf das Infektionsgeschehen reagieren sollen, bleibt weiter unklar.
Unterricht mit Masken: Lernen unter verschärften Bedingungen (in der Max-Schmeling-Stadtteilschule in Hamburg, nach den Sommerferien)
Foto: Daniel Bockwoldt / dpa
Schulen und Kitas sollen möglichst offen gehalten werden, auch bei steigenden Infektionszahlen: Das hat Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin, bekräftigt. Man habe das Recht auf Bildung und den Gesundheitsschutz der gesamten Schulfamilie eng im Blick, sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa.
"Angesichts der sehr heterogenen Situation in Deutschland kann aber niemand ernsthaft wollen, dass alle Schulen und Kitas wieder komplett schließen müssen", sagte Hubig. Man müsse die Lage vor Ort jeweils sehr genau analysieren und passende Maßnahmen anordnen, so wie es auch das Robert Koch-Institut empfehle.
Die KMK hat dafür ein - zuletzt Anfang September überarbeitetes - Hygienekonzept entwickelt, das vor allem auf regelmäßiges Lüften und Maßnahmen wie vermehrte Reinigungen setzt. Ein Mindestabstand in den Klassen ist nicht vorgesehen. Klare Vorgaben, wann welche Hygienemaßnahmen verschärft oder die Schulen wieder auf Distanzunterricht ausweichen müssen, enthält das Konzept jedoch nicht.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hatte Ländern und Kommunen daher einen widersprüchlichen Umgang mit den Corona-Regeln für Schulen vorgeworfen. Er ärgere sich, "dass diese Richtwerte für verschärfte Hygieneschutzmaßnahmen an Schulen komplett ignoriert werden, um Schulen auf Teufel komm raus offenzuhalten."
Leeres Versprechen
Auch der Bundeselternrat und die beiden größten Lehrervertretungen, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE), kritisierten eine fehlende Koppelung von Inzidenzzahlen und bestimmten Maßnahmen im Pandemie-Rahmenkonzept der KMK. Dieses Rahmenkonzept solle eigentlich eine Unterstützung für die Länder sein, "in der vorliegenden Form wird dieses Versprechen aber nicht eingelöst", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Verbände vom Dienstag.
Stattdessen müsse es eine klare Zuordnung von Grenzwerten zu bestimmten Szenarien geben. "Das Ganze läuft nach dem Motto 'Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen': Viele können damit gut umgehen, wenige sind übervorsichtig und manche kacheln mit 250 Kilometern pro Stunde in den Stau", kritisieren die Eltern- und Lehrervertreter. Sie fordern, "dass der Rat aus der Wissenschaft ernst genommen wird, um den bestmöglichen Schutz aller an Schule Beteiligten zu gewährleisten".
KMK-Präsidentin Hubig sagte, es sei ein entscheidender Unterschied, ob ein Infektionsgeschehen eng eingrenzbar oder in der Gesellschaft breit gestreut sei. "Dann treten Maßnahmen in Kraft wie eine Maskenpflicht im Unterricht, der Wechsel von Fern- und Präsenzunterricht oder aber auch die temporäre Umstellung auf Fernunterricht - so wie das aktuell in den Ländern geschieht." Anders als im März und April wisse man, dass Schulen und Kitas nicht der Treiber der Pandemie seien, argumentierte die SPD-Politikerin.