Corona und Schulen Nur jeder vierte Schulleiter geht noch »sehr gern« zur Arbeit

Den üblichen Schulalltag stemmen und nebenbei Hygienekonzepte umsetzen: Die vergangenen Monate haben bei den deutschen Schulleitern deutliche Spuren hinterlassen, zeigt eine Studie.
Unterricht und Corona-Organisation (Symbolbild): Viele Schulleiter sagen, dass sie ihre Arbeit zeitlich kaum schaffen

Unterricht und Corona-Organisation (Symbolbild): Viele Schulleiter sagen, dass sie ihre Arbeit zeitlich kaum schaffen

Foto: Wolfram Kastl/ picture alliance / dpa

Keine Zeit mehr, alle Aufgaben zu erledigen, immer weniger Lust, zur Arbeit zu gehen: So sieht das Stimmungsbild der deutschen Schulleiterinnen und Schulleiter im Corona-Herbst aus, nachdem sie über Monate den schulischen Alltag in der Pandemie organisiert haben. Das zeigt eine Studie des Forsa-Instituts im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die an diesem Freitag vorgestellt wird. Im Vergleich zu Ergebnissen in den Vorjahren hat sich die Gemütslage demnach deutlich verschlechtert:

Die Motivation, zur Arbeit zu gehen, ist stark gesunken:

  • 24 Prozent der befragten Schulleiter berichten, dass sie »sehr gern« zur Arbeit gehen. Im vergangenen Jahr waren es noch 58 Prozent.

  • Der Anteil an Befragten, die »eher ungern« oder »sehr ungern« zur Arbeit gehen, stieg dagegen von 4 auf 27 Prozent.

Immer mehr Schulleitungen haben zudem Mühe, all ihre Aufgaben in der vorgegebenen Arbeitszeit zu schaffen und auch so zu bewältigen, dass sie mit dem Ergebnis zufrieden sind:

  • Nur 3 Prozent geben an, dass sie alle Aufgaben in der ihnen zur Verfügung stehenden Leitungszeit bewältigen können. Jeder Vierte sagt, er schaffe maximal die Hälfte.

  • 60 Prozent der Schulleiter sagen, dass sie ihre Aufgaben häufig zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können – deutlich weniger als im vergangenen Jahr, als dieser Ansicht noch 73 Prozent waren. Im März, zu Beginn der Corona-Pandemie, lag der Wert bei 67 Prozent.

Die Schulleiterinnen und Schulleiter haben zudem immer weniger den Eindruck, dass sie auf Hilfe von Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie vor allem der Behörden setzen können. Im Vergleich zum März rutschte der Anteil der Befragten, die sich von der Schulaufsicht unterstützt fühlten, im Herbst um 21 Prozentpunkte ab.

Für die Studie wurden im Oktober und November 2020 bundesweit 785 Schulleitungen allgemeinbildender Schulen befragt. Die Ergebnisse sind für den VBE-Vorsitzenden Udo Beckmann »ein Armutszeugnis für die Politik«. Diese sei dafür zuständig, Schulleitungen zu unterstützen und nur so viele Aufgaben an sie zu geben, wie auch bewältigt werden könnten. »Stattdessen wird seit Jahren immer nur draufgesattelt«, kritisiert Beckmann. »Das rächte sich schon vor, aber gerade während der Corona-Pandemie.«

Positiv überrascht: »Intakte Sanitäranlagen«

Beckmann forderte, eine »spürbare Entlastung durch Schulleitungsteams, Verwaltungsfachkräfte und die Möglichkeit, eigenverantwortlich innerhalb eines Rahmens kreative Lösungen umzusetzen«. »Positiv überrascht«, zeigte sich der Verbandschef allerdings von den Ergebnissen zur Ausstattung von Schulen. So gebe es mittlerweile an 83 Prozent der Schulen intakte Sanitäranlagen.

Die Aufmerksamkeit, die diesem Thema in den letzten Jahren zugekommen war, hatte bisher nicht ausgereicht, sagte Beckmann. Die notwendigen Hygienemaßnahmen im Rahmen der Pandemie hätten nun aber für Verbesserung gesorgt. Während an mehreren Schulen in neue Waschbecken und Toiletten investiert wurde, damit Kinder Hygieneregeln in der Coronakrise überhaupt einhalten können, ist es um die digitale Ausstattung immer noch mäßig bestellt.

Nach wie vor gibt es nach VBE-Angaben nur an 6 Prozent der Schulen Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler und an 13 Prozent der Schulen Endgeräte für alle Lehrkräfte. Nur 15 Prozent der Schulleitungen berichteten über eine hinreichende Vorbereitung der Lehrkräfte durch Fortbildungen.

»Der vielfach gepriesene ›Hybridunterricht‹ wird nicht flächendeckend stattfinden können«, mahnte Beckmann. Es gebe nun – auch durch die finanziellen Hilfen aus dem Digitalpakt – an 40 Prozent der Schulen in allen Räumen WLAN und an der Hälfte der Schulen einen Anschluss an das Breitbandnetz. Von einem Digitalschub könne dennoch nicht die Rede sein.

Am Mittwoch hatten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder darauf geeinigt, dass Schulen in Corona-Hotspots weitergehende Maßnahmen zum Infektionsschutz ergreifen sollten, beispielsweise Hybrid- oder Wechselunterricht, also ein Mix aus Präsenz- und Distanzunterricht, der im Idealfall digital gestaltet werden soll.

Lehrerinnen und Lehrer müssten ihren Arbeitsalltag in der Pandemie damit erneut umstrukturieren. Viele fühlen sich laut einer Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Deutschen Lehrerverbands schon jetzt sehr belastet:

  • Jede vierte Lehrkraft zeigt den Ergebnissen zufolge in der Coronakrise Anzeichen von Burn-out und ist regelmäßig emotional erschöpft.

  • 65 Prozent der Beschäftigten in den Schulen machen sich größere Sorgen um ihre Gesundheit.

  • 90 Prozent der Befragten gaben an, dass der Schulunterricht im Vergleich zum Vorjahr deutlich anstrengender geworden sei. Gründe dafür seien das Durchsetzen der Corona-Maßnahmen bei den Schülern, der eigene Gesundheitsschutz sowie der Ausfall von Kollegen.

  • Rund ein Drittel der Lehrkräfte hat der Umfrage zufolge wegen der Pandemie Angst, zur Arbeit zu gehen.

Für die Studie wurden rund 2.300 Lehrer ausschließlich aus Nordrhein-Westfalen online befragt. Die Ergebnisse können den Angaben zufolge auch auf andere Bundesländer übertragen werden, weil die Ausnahmesituation bundesweit größtenteils vergleichbar sei.

fok
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