Schulschließungen Merkel sieht deutsche Akademikerkinder im Vorteil

Angela Merkel
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Sie lasse sich nicht anhängen, dass sie Kinder quäle. So, wird kolportiert, soll sich Kanzlerin Angela Merkel im Streit über Schulschließungen bei der Bund-Länder-Runde am Dienstagabend empört haben. Um das Thema Kitas und Schulen wurde hart gerungen. Merkel forderte dabei eine »restriktivere« Umsetzung des schon Mitte Dezember beschlossenen Shutdowns in den Einrichtungen und setzte sich damit weitgehend durch – musste sich für ihren Kurs jedoch auch harsche Kritik gefallen lassen.
Merkel soll bei dem Thema unter anderem mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig aneinandergeraten sein, die Kitas und Schulen so weit wie möglich offen halten wollte. Schwesig verwies auf die gravierenden Einschnitte für Familien. Einen Tag später müht sich die Kanzlerin nun, deutlich zu machen, dass ihr sehr wohl bewusst ist, was die Politik Kindern und Eltern mit den nun vereinbarten Schulschließungen bis Mitte Februar abverlangt – und welche Gruppen aus ihrer Sicht besonders belastet werden.
Es gebe jetzt »lange Zeiten, in denen keine Präsenzschule stattfinden kann«, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. Dabei seien diejenigen Kinder in einer »sehr viel schwierigeren Situation«, bei denen »die Eltern eben nicht zu Hause Deutsch sprechen«. Einfacher hätten es Kinder aus Familien, »wo beide Eltern die deutsche Sprache perfekt verstehen und sprechen und gleichzeitig vielleicht auch eine akademische Berufsausbildung haben«. Die unterschiedlichen Belastungen seien »uns sehr bewusst«, versicherte Merkel bei der Entgegennahme des Abschlussberichts der Fachkommission Integrationsfähigkeit.
Grünenchefin vermisst Lösungen fürs Lernen
Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich nach stundenlangen Beratungen darauf verständigt, dass die Schulen bis zum 14. Februar bundesweit »grundsätzlich geschlossen bleiben sollen« und die Präsenzpflicht aufgehoben wird. Schülerinnen und Schüler sollen im Distanzunterricht lernen, Ausnahmen gelten etwa für Abschlussklassen. Die Dezember-Regeln wurden damit verlängert und leicht verschärft. Mehrere Bundesländer hatten die Vorgaben zuvor deutlich aufgeweicht, manche blieben auch nach den Beschlüssen von Dienstag bei diesem Kurs.
Schulschließungen sind in der Pandemie ein heikles Thema. Bildungsforscher hatten wiederholt eindringlich davor gewarnt, dass diese mit erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten einhergingen. Auch das Problem der Chancenungerechtigkeit in Deutschland werde sich dadurch weiter verschärfen.
Während einige Kinder im Homeschooling auf elterliche Unterstützung setzen können, fehlt anderen genau diese Hilfe. Dabei klagen allerdings auch die von Merkel zitierten Akademikereltern, dass sie im Zuge der Pandemie zunehmend an Grenzen stießen – und etwa im Homeoffice kaum nebenbei ihre Kinder beschulen könnten. Studien belegen zudem, dass es nicht nur vom Elternhaus, sondern auch stark vom Alter der Kinder abhängt, wie gut das Lernen auf Distanz klappt.
Grünenchefin Annalena Baerbock kritisierte, es sei »fatal«, dass bei den Bund-Länder-Beratungen nichts über die Schulschließungen hinaus beschlossen wurde. Sie forderte Lösungen für Schulkinder, die in der Pandemie nicht von zu Hause aus lernen können – sei es durch fehlende Endgeräte, nicht funktionierende Technik oder Lernplattformen, die zusammenbrechen. »Das wäre in so einem Beschluss auch nötig gewesen«, sagte Baerbock in der Sendung »Frühstart« von RTL/ntv.
Kinder, die durch Homeschooling oder Fernunterricht nicht erreicht werden, sollten in der Schule unterrichtet werden können, sagte Baerbock. »Diese Kinder haben weiter ein Recht auf Bildung.« Gleichzeitig lobte die Grünenpolitikerin den Beschluss von Bund und Ländern: »Wir müssen einen Schutz für alle schaffen.«