Neue internationale Studie 35 Prozent weniger Lernfortschritte wegen Corona

Schulunterricht unter Coronabedingungen (im April 2020 in Haltern am See)
Foto:Rolf Vennenbernd/ picture alliance/ dpa
Während der Coronapandemie haben Schülerinnen und Schüler mehr als ein Drittel des normalen Lernzuwachses eingebüßt. Zu diesem Ergebnis kommen Bildungsforschende in einer Metaanalyse unterschiedlicher Studien zu nachlassenden Lernerfolgen in der Pandemie. Die Ergebnisse wurden am Montag im Wissenschaftsblatt »Nature Human Behaviour« veröffentlicht.
Für die Untersuchung wurden insgesamt 42 Einzelstudien aus 15 Ländern ausgewertet. Vier der Datensätze stammten aus Deutschland, weitere vor allem aus den USA und aus Großbritannien. Neben den Defiziten beim Lernen gaben die Daten auch Auskunft über die wirtschaftliche Lage der Kinder und der jeweiligen Länder.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Schülerinnen und Schüler haben in allen untersuchten Ländern während der Pandemie deutlich weniger gelernt als zuvor. Die Einbußen lagen bei durchschnittlich 35 Prozent des normalen Lernfortschritts. Zwischen den verschiedenen Klassenstufen ließen sich dabei keine Unterschiede erkennen.
Betroffen waren den Ergebnissen zufolge vor allem Kinder mit niedrigem sozioökonomischem Status und aus ärmeren Ländern. So zeigten Kinder in Ländern wie Brasilien oder Mexiko ein größeres Lerndefizit als in den USA oder Großbritannien.
Im Fach Mathematik war das gemessene Defizit stärker als beim Lesen. Die Autorinnen und Autoren erklären das damit, dass Eltern und Kinder innerhalb der Familien eher gemeinsam Lesen als Mathematikaufgaben bearbeiten.
Die Lerndefizite seien während der Pandemie einigen Studien zufolge auch nicht kleiner geworden, sondern hätten stabil die Zeit zwischen Mai 2020 und Mai 2022 überdauert, stellen die Forscherinnen und Forscher fest. Deshalb, so ihre Folgerung, könnten die Wissenslücken auch nur mit zusätzlichen Förderprogrammen kompensiert werden. Verschärft würden die Folgen der Pandemie zudem noch durch den starken Lehrkräftemangel, heißt es in der Untersuchung.
»Die Relevanz des festgestellten Lerndefizits ist immens, weil es auf den Unterricht einen unmittelbaren Einfluss hat«, sagt Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Je geringer die Lernleistungen seien, desto schwieriger werde es für die Lernenden, die von den Curricula geforderten Standards zu erreichen. »In der Folge ist zu erwarten, dass sich eine ›Generation Corona‹ bildet, die besonders stark unter der Pandemie gelitten hat«, warnt Zierer.
Benjamin Fauth, Leiter der Abteilung Empirische Bildungsforschung am Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW), betont, dass in die Metaanalyse Daten aus ganz verschiedenen Ländern eingeflossen seien. Deren Ergebnisse könnten daher zum Teil nicht einfach auf die deutschen Bildungssysteme übertragen werden: »So sind die Lernrückstände in ärmeren Ländern noch einmal deutlich größer als in einem eher reichen Land wie Deutschland«, sagt Fauth. »Insgesamt aber sehen wir auch hierzulande Lernrückstände, und wir sehen vor allem auch deren ungleiche Verteilung: Schülerinnen und Schüler, die es vor der Pandemie schon schwerer hatten, sind sehr viel stärker betroffen.«