Studie zu Corona in Kitas "Kitas sind keine Infektionsherde, Kinder sind keine Infektionstreiber"

Im Frühjahr machten die Kitas dicht - nun will Familienministerin Giffey einen zweiten Lockdown bei den Kleinsten vermeiden. Eine neue Studie zeigt, wie hoch die Ansteckungsgefahr in Kitas demnach ist.
Franziska Giffey (SPD): Im Vergleich zu den Entwicklungen außerhalb zeige sich, wie sicher die Kitas seien, sagte die Familienministerin. Die Fälle seien in den vergangenen Wochen nicht gestiegen.

Franziska Giffey (SPD): Im Vergleich zu den Entwicklungen außerhalb zeige sich, wie sicher die Kitas seien, sagte die Familienministerin. Die Fälle seien in den vergangenen Wochen nicht gestiegen.

Foto: Britta Pedersen / dpa

Das Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter rasant aus, die Zahlen der Neuinfektionen übersteigen mittlerweile die bisherigen Höchstwerte vom April, auch wenn die Zahlen wegen der unterschiedlichen Testung nicht direkt vergleichbar sind. In einem umstrittenen Schritt waren damals Kindergärten und Schulen über Wochen flächendeckend geschlossen worden, um Ansteckungen über die Jüngsten hinweg zu vermeiden.

Nun hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) einer neuen präventiven Schließung angesichts einer zweiten Corona-Welle eine Absage erteilt. "Der Regelbetrieb soll so lange wie möglich beibehalten werden", sagte Giffey in Berlin. Die Erkenntnisse aus einer Studie würden zeigen: "Kitas sind keine Infektionsherde, Kinder sind keine Infektionstreiber."

Gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Giffey die Studie  über den Regelbetrieb in Kindertagesstätten während der Corona-Pandemie vorgestellt. 12.000 Kitas und Kindertagespflegepersonen teilen seit dem Sommer den Ministerien ihre Erfahrungen mit.

Laut Giffey seien seit Beginn der Pandemie bis zum 12. Oktober nur 79 Virusausbrüche in Kindertagesstätten und Horten gemeldet worden. Schließungen hätten weniger als ein Prozent der bundesweit über 56.000 Kitas betroffen. Im Vergleich zu den Entwicklungen außerhalb zeige sich, wie sicher die Kitas seien, sagte Giffey. Die Fälle seien in den vergangenen Wochen nicht gestiegen.

"Unterdurchschnittliche" Infektionszahlen bei Kleinkindern

Ihr Kabinettskollege Spahn betonte, bei Kleinkindern bis fünf Jahre gebe es "unterdurchschnittliche" Infektionszahlen. Obwohl sie sechs Prozent der Bevölkerung ausmachten, entfielen nur drei Prozent der Infektionen auf die Kleinsten. Generell würden Erkrankungen oft sehr mild verlaufen. "Es läuft sehr gut in den Kitas", sagte Spahn. Neben Kitas sollen auch Schulen, wenn möglich, offen bleiben. Anstatt Einrichtungen zu schließen, sei es wichtiger, Infektionsrisiken zu minimieren: Ein großer Schwerpunkt liege entsprechend auf Hygienemaßnahmen wie Händewaschen und regelmäßigem Lüften.

Gleichzeitig mit den Studienergebnissen veröffentlichte Giffey den Leitfaden "Kita in Zeiten der Corona-Pandemie", der den Einrichtungen praktische Tipps gibt, wie sie die Hygienemaßnahmen kindgerecht umsetzen können.

Für die Fachkräfte in den Kitas dürften sowohl die Studienergebnisse als auch die Handreichung eine Erleichterung sein. Doch an der generellen Kritik an der Kitapolitik ändert sich dadurch vorerst nichts. Zurzeit werde zu viel Verantwortung an die Kitaleitungen abgegeben, sagt Barbara Nolte vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW: "Elternabende ja oder nein, dürfen die Eltern zum Bringen und Abholen rein oder nicht, müssen Geschwisterkinder von einem kranken Kind auch zu Hause bleiben", all das müssten die Leitungen oft selbst entscheiden. Gleichzeitig müssten sie sich mit Eltern auseinandersetzen, die sich weigerten, eine Maske zu tragen, oder ihr Kind nach einer Krankheit zu früh zurückbrächten.

"Für viele Leitungen ist das eine enorme Belastung", sagt Nolte, die selbst eine Kita in NRW leitet, "der Alltag ist geprägt von der Sorge, etwas zu übersehen." Sie fordert einen klaren Erlass aus den Ministerien.

Auch der Deutsche Kitaverband forderte jüngst, die Politik müsse den "Blindflug bei Kitas beenden". "Wir sind gern vorbereitet", sagte die Vorsitzende Waltraud Weegmann, die zudem die Geschäfte eines Trägers mit 42 Kitas in drei Bundesländern führt. Da die Vorgaben aus der Politik aber immer überraschend und kurzfristig kämen, hätten sich ihre Träger selbst Szenarien überlegt, wie sie mit steigenden Infektionszahlen umgingen.

"Wir wollen unbedingt verhindern, dass das Gesundheitsamt im Falle einer Infektion die ganze Kita schließt", sagt Weegmann. Deshalb werden zum Beispiel die Gruppen in ihren Stuttgarter Kitas wieder streng getrennt, seit die Infektionszahlen in der Stadt nach oben gehen. Die Corona-Schutzbedingungen des Trägers gehen in dem Fall über die Vorgaben Baden-Württembergs hinaus.

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Kitas passen sich an

Die Studie zeigt allerdings, dass offenbar viele Kitas erfolgreich ihre eigenen Wege und Konzepte gefunden haben. Die Kitas hätten sich der Lage sehr gut angepasst, sagte Giffey.

Denn das Thema betrifft sie im Alltag enorm. In den vergangenen Wochen berichtete laut Studie jede vierte Kita, von einem Verdachtsfall betroffen gewesen zu sein. Doch wenn es tatsächlich notwendig würde, müssten meist nur noch punktuell Gruppen zugemacht werden, statt die Einrichtung komplett zu schließen, so Giffey.

mrc/sun/AFP
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