Florida Schulleiterin zum Rücktritt gezwungen – nachdem sie Michelangelos »David« zeigte

Weil sie im Kunstunterricht die weltbekannte »David«-Statue zeigte, verlor eine Schulleiterin in Florida ihren Job. Einem Kollegen, der dagegen protestieren wollte, drohte die Schulbehörde ebenfalls mit Rausschmiss.
Michelangelos »David«: Pornografie im Klassenzimmer?

Michelangelos »David«: Pornografie im Klassenzimmer?

Foto: Franco Origlia/ Getty Images

Cancel Culture von rechts: In Florida wurde eine Schulleiterin zum Rücktritt gezwungen, weil sie im Kunstunterricht Michelangelos »David«-Skulptur gezeigt hatte. Einige Eltern hatten sich daraufhin bei der Schulbehörde beschwert, ihre Kinder hätten Pornografie ansehen müssen.

»Es macht mich traurig, dass meine Zeit hier auf diese Weise enden musste«, sagte Schulleiterin Hope Carrasquilla dem »Tallahassee Democrat« . Die Leiterin der Tallahassee Classical School habe ihren Posten räumen müssen, nachdem ihr der Vorsitzende der Schulbehörde ein Ultimatum zum Rücktritt gestellt hatte, berichtet die Zeitung.

Demnach hatte sich ein Elternteil beschwert, dass das Unterrichtsmaterial pornografisch sei. Zwei weitere Eltern forderten, über die Inhalte des Unterrichts informiert zu werden, bevor er ihren Kindern erteilt werde, sagte Carrasquilla. Der Unterricht bei den 11- und 12-jährigen Schülerinnen und Schülern sollte auch Michelangelos Gemälde »Die Erschaffung Adams« und Botticellis »Die Geburt der Venus« umfassen.

Der Vorsitzende des »School Board«, Barney Bishop III., sagte dem Magazin »Slate«,  er habe kein Problem damit, dass Michelangelos »David« Schülern in diesem Alter im Unterricht gezeigt werde. Es sei jedoch ein »ungeheuerlicher Fehler« gewesen, die Eltern nicht vorher zu informieren. Im vergangenen Jahr etwa habe die Schule das entsprechend ihrer Richtlinien noch getan. Der Vorsitzende weist in dem Gespräch darauf hin, dass es sich um ein Public Charter handle: Eine zwar öffentlich finanzierte Schule, die aber beispielsweise in Sachen Curriculum unabhängiger ist und eigene Ziele definiert. »Wir haben kein Problem damit, den ›David‹ zu zeigen«, so Bishop. »Man muss die Eltern vorab informieren, und sie können dann entscheiden, ob es angemessen ist, dass ihr Kind die Statue sieht.« Für die Trennung von Carrasquilla habe es mehrere Gründe gegeben, über die er aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht sprechen könne.

Vom Campus eskortiert

Am Donnerstag sei die Lehrerin von Polizeibeamten vom Campus eskortiert worden, berichtet der »Tallahassee Democrat« weiter.  Ein Lehrer, der daraufhin als Protest gegen die Entlassung eine Onlinepetition gestartet hatte, sei mit Disziplinarmaßnahmen bedroht und seine Petition aus dem Netz entfernt worden.

Die Nacktheit der »David«-Statue ist Teil einer jahrhundertealten Debatte über Kunst, die Grenzen überschreitet, und über die Regeln der Zensur. Im 16. Jahrhundert bedeckten Feigenblätter aus Metall die Genitalien von Statuen wie David, als die römisch-katholische Kirche Nacktheit als obszön ansah.

Der Vorfall in Florida sorgte für weltweite Reaktionen. Social-Media-Nutzer wiesen auf Ähnlichkeiten mit einer »Simpsons«-Folge aus den Neunzigerjahren hin: Da sollte Michelangelos Statue in Springfield gezeigt werden, was für heftige Proteste in der fiktiven Stadt sorgt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der reale Vorfall an der Tallahassee Classical School allerdings passt zur aktuellen politischen Entwicklung in Florida: Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis schränkt derzeit die Lehrfreiheit an den Schulen seines Bundesstaats massiv ein. Unter anderem sollen Schülerinnen und Schüler nicht mehr über Rassismus unterrichtet werden. Im vergangenen Jahr hatte DeSantis bereits durchgesetzt, dass an Grundschulen Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität verboten ist. Jetzt will er das umstrittene Verbot offenbar auf alle Altersstufen ausweiten.

Aktualisierung: Wir haben Aussagen vom Vorsitzenden des School Board ergänzt.

him/AP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten