Annullierung von Zusagen Universität Frankfurt am Main vergab 282 Medizinstudienplätze, die sie gar nicht hat

Ausbildung von Medizinstudierenden an der Frankfurter Goethe-Universität
Foto: Michael Schick / IMAGO41 Wörter lang ist der Satz, mit dem die Uni in Frankfurt am Main die Erklärung für ihr Versagen einleitet. 41 Wörter lang trockene Formulierungen von »einem durch die Goethe-Universität verursachten Übermittlungsfehler hinsichtlich der Meldung der Anzahl an Nachrückerplätzen an die Stiftung für Hochschulzulassung«. Was die Verantwortlichen eigentlich sagen wollen: Sie haben Mist gebaut – und 282 Menschen einen Medizinstudienplatz zugesagt, den sie gar nicht haben. Die Zulassung danach wieder rückgängig gemacht, per Rücknahmebescheid. Und damit womöglich auch 282 Lebenspläne durchkreuzt.
Die bürokratische Formulierung, die auch auf der Website der Uni zu finden ist, hat juristische Gründe. In einem persönlichen Anschreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, scheint dagegen die Zerknirschung durch, mit der die Verantwortlichen in Frankfurt die versprochenen Medizinstudienplätze wieder einkassierten. »Mit außerordentlichem Bedauern« nehme man die Studienplatzzusage zurück: »Wir sind uns der Tragweite dieser Entscheidung für Sie durchaus bewusst.« Und dann noch der Appell an die Betroffenen: »Bitte kontaktieren Sie uns! Wir sind für Sie da.«
Die zeigen sich aber zutiefst enttäuscht – und wütend. »Ich bin am Wochenende nervlich zusammengebrochen und kann nicht richtig schlafen, nicht richtig essen«, sagte eine 23-Jährige im »Hessischen Rundfunk« . Vier Tage lang hatte sie geglaubt, sie habe einen Medizinstudienplatz. Sie sei »fassungslos«, weil durch den Verwaltungsfehler jetzt ihr Lebenstraum zerstört worden sei.
Denn: Eine einfache Korrektur des Fehlers ist nicht möglich. Die Universität Frankfurt hat für das kommende Wintersemester insgesamt 421 Studienplätze für Medizin (381) und Zahnmedizin (40) zu vergeben. Die Zahl ist insbesondere durch die Kapazität in den Laboren und beim Kontakt mit Patientinnen und Patienten begrenzt und kann deshalb nicht beliebig erweitert werden. Der Dortmunder Stiftung für Hochschulzulassung, wo die begehrten Medizinstudienplätze über die Website hochschulstart.de zentral vergeben werden, meldete die Uni jedoch fälschlicherweise insgesamt 703 freie Plätze – und die wurden auch vollständig an Interessenten verteilt.
Mit der Zusage allerdings sind alle diese Bewerberinnen und Bewerber aus der zentralen Verteilung ausgeschieden, ihre mögliche Zuweisung an andere Unis ist damit nicht mehr möglich, weitere Nachrücker wurden in die Listen mit aufgenommen. »Wenn wir die betroffenen Frankfurter Bewerberinnen und Bewerber einfach so wieder ins System einspeisen, entstehen dadurch an anderer Stelle neue Ungerechtigkeiten«, sagt hochschulstart-Sprecherin Kathrin Stenzel.
Mit einer Onlinepetition wollen die verhinderten Studierenden jetzt erreichen, dass der Fehler der Universität nicht zu ihren Lasten geht. »Ich hatte acht andere Angebote erhalten und durch dieses Fake-Angebot sind die anderen verfallen«, schreibt Nicole Schenk, eine der Betroffenen, dazu. Seit vier Jahren warte sie bereits auf einen Studienplatz. »Wegen der Angebote habe ich bereits meine Wohnung und Arbeitgeber gekündigt.« Sie hoffe auf Hilfe von Politik und Öffentlichkeit. Bis zum Dienstagnachmittag hatten bereits rund 20.000 Menschen die Petition unterschrieben.
»Wir tun alles, um den Betroffenen zu helfen«, erklärte ein Uni-Sprecher gegenüber dem SPIEGEL. Es gebe ein direktes und persönliches Beratungsangebot , um den abgelehnten Bewerberinnen und Bewerbern beizustehen, eine Telefonhotline werde derzeit vorbereitet. Der Sprecher bestätigte, dass Betroffene innerhalb einer vierwöchigen Frist Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen können.
Erst Ende September allerdings, nach Ablauf der Widerspruchsfrist, könne man sagen, wie viele der 282 Fälle in die nächste juristische Runde gehen werden.