Unbeliebtes Fach Englische Schulkinder lernen kaum noch Deutsch

Deutsch als Schulfach wird in England immer unbeliebter. In nur 20 Jahren ist die Zahl der Deutsch-Lernenden um über 90 Prozent gesunken.
»Viele Menschen nehmen Deutsch als schwerer wahr als andere Sprachen«: Britische Schülerinnen und Schüler (Archivbild)

»Viele Menschen nehmen Deutsch als schwerer wahr als andere Sprachen«: Britische Schülerinnen und Schüler (Archivbild)

Foto: DPA/ PA

Beliebt geht anders: Wählten im Jahr 2001 noch 571.000 Schülerinnen und Schüler in England das Fach Deutsch für ihre Mittlere-Reife-Prüfung (GCSE), waren es im Jahr 2020 nur noch etwas mehr als 40.000 – ein Schwund um über 90 Prozent. Bei den mit dem Abitur vergleichbaren A-Levels sank die Zahl der Deutsch-Prüflinge zuletzt sogar auf nur noch 2666.

Das geht aus dem jährlichen Language-Trends-Bericht  des britischen Kulturinstituts British Council hervor. Demnach schrumpfte das Interesse an der deutschen Sprache vor allem kurz nach der Jahrhundertwende: Schon 2005 waren nur noch etwas mehr als 100.000 Kinder mit Deutsch als GCSE-Prüfungsfach fürs Examen angemeldet worden.

Eine der Ursachen: Die damalige Labour-Regierung hatte 2004 die Pflicht zur Wahl mindestens einer Fremdsprache als Prüfungsfach abgeschafft. Seither hat das Interesse englischer Schülerinnen und Schüler an Deutsch stetig nachgelassen. »Das war zweifelsohne katastrophal, und das ist auch der Hauptgrund, warum man immer gegen den Strom schwimmt, wenn man die Sprachen stärken will«, sagt Katrin Kohl, die als Professorin für Deutsch an der Universität Oxford lehrt, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Kaum Wissen über Deutschland

Große Hoffnungen, dass sich der Trend umkehren lässt, hat Kohl nicht. Es lohne sich für immer weniger Schulen, das Fach anzubieten. Und ist einmal keine Lehrkraft mehr da, die Deutsch unterrichten kann, kehrt das Fach kaum noch an eine Schule zurück.

Doch warum wollen immer weniger Kinder in England Deutsch lernen? Hat das vermeintlich humorlose Land der ehemaligen Kriegsgegner noch weiter an Attraktivität eingebüßt als ohnehin schon? Vicky Gough vom British Council glaubt das nicht. Klar sei aber, dass Spanien bei vielen Kindern in Großbritannien mit Badeurlaub am Strand verbunden sei und daher eine größere Anziehungskraft ausübe. Von Deutschland wüssten viele englische Schülerinnen und Schüler hingegen so gut wie nichts.

Hinzu komme ein nicht zu unterschätzendes statistisches Problem: Wer Deutsch als Prüfungsfach wählt, schneidet im Schnitt etwas schlechter ab als Mitschüler, die sich beispielsweise für Geschichte entscheiden. Das ist nicht nur für die Jugendlichen ein Problem, sondern auch für Schulen, deren Qualität und guter Ruf am Abschneiden ihrer Zöglinge bei zentralen Prüfungen gemessen wird. Zwar versucht die Regierung hier gegenzusteuern, und tatsächlich wurden für das GSCE auch schon Veränderungen an der Benotung vorgenommen. Doch für das dem Abitur vergleichbare A-Level stehen solche Reformen noch aus.

Nur für besonders Sprachbegabte?

Nach wie vor stehe Deutsch auch im Ruf, eine besonders schwierige Sprache zu sein. Deutsch zu lernen gelte deshalb geradezu als elitär, sagt Gough: »Viele Menschen nehmen Deutsch als schwerer wahr als andere Sprachen und denken deshalb, dass es nur den sprachbegabtesten Schülern vorbehalten ist.« Gleichzeitig werde es durch den Brexit und die Pandemie zunehmend schwieriger für Schulen, Austauschprogramme zu organisieren.

Besonders stark zurückgegangen ist das Deutsch-Angebot dem Bericht zufolge an staatlichen Schulen und in wirtschaftlich schwächeren Gegenden. Während es an 70 Prozent der englischen Privatschulen für 11- bis 14-Jährige noch ein Deutsch-Angebot gibt, ist das nur noch bei einem Drittel der staatlichen Schulen der Fall. Und während sich die Schulen mit Deutsch-Angebot im reichen Süden des Landes konzentrieren, bildet der wirtschaftlich abgehängte Nordosten Englands das Schlusslicht.

him/dpa
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