Kompetenzen von Viertklässlern Kinder, die viel digital lesen, haben einen kleineren Wortschatz

Der Wortschatz gilt als Schlüssel zum Bildungserfolg – und wieder werden Kinder abgehängt, die zu Hause schlechtere Voraussetzungen haben. Das können auch digitale Angebote nicht ausgleichen, zeigt eine Studie.
Kinder spielen Scrabble: Die Unterschiede zwischen manchen Schülergruppen entsprechen laut Studie dem Lernzuwachs von über einem Jahr

Kinder spielen Scrabble: Die Unterschiede zwischen manchen Schülergruppen entsprechen laut Studie dem Lernzuwachs von über einem Jahr

Foto: trevor adeline / Getty Images

Unter Viertklässlern in Deutschland gibt es einer Studie zufolge beim Wortschatz erhebliche Unterschiede – und diese hängen »systematisch mit dem familiären Hintergrund zusammen«. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, für die das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS)  der TU Dortmund Daten von bundesweit gut 4600 Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse ausgewertet hat.

Der Förderbedarf sei besonders groß bei Kindern, die selten oder nie ein Buch lesen, die nicht in Deutschland geboren sind und deren Eltern einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben. Und in der repräsentativen Untersuchung kam heraus: Wer viel digital, aber kaum Bücher liest, schneidet besonders schlecht ab.

Für den Bericht hat das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der TU Dortmund die Daten von 4611 Viertklässlerinnen und Viertklässlern aus 252 Grundschulen ausgewertet, die im Frühjahr 2021 an der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) teilgenommen haben. Die regelmäßig vom IFS durchgeführte Iglu-Gesamtstudie soll im Mai 2023 vorgestellt werden. Für die aktuelle Erhebung hatten die Schüler zusätzlich einen Wortschatztest bearbeitet. Die Untersuchung ist laut IFS auf repräsentativ. Die Studie wird mit Mitteln von Bundesbildungsministerium und Kultusministerkonferenz gefördert.

Schülerinnen und Schüler, die (fast) täglich Bücher lesen, zeigten im Mittel einen klaren Wortschatzvorsprung gegenüber kaum lesenden Viertklässlern. Dabei gab es allerdings zwei Ausnahmen: Bei Kindern, die selbst zugewandert sind, und bei Viertklässlern, deren Eltern höchstens einen mittleren Schulabschluss und keine Berufsausbildung haben, war trotz häufigen Bücherlesens kein größerer Wortschatz im Vergleich zu wenig lesenden Kindern festzustellen.

Die Hälfte der Kinder gab an, täglich oder fast täglich Bücher zu lesen, während 22 Prozent nach eigener Aussage nie oder maximal einmal im Monat ein Buch lesen. Ein Viertel der Schüler gab an, täglich oder fast täglich außerhalb der Schule an digitalen Geräten zu lesen. Der Griff zum Tablet oder Handy stärkt die Sprachkompetenz laut Studie aber nicht.

Chatnachrichten und Apps sind zu eintönig

»Häufiges Lesen an digitalen Geräten weist einen negativen Zusammenhang mit dem Wortschatz der Kinder auf«, heißt es in dem Bericht. Der Wortschatz sei »am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch«.

Das Problem sei: Wer digital unterwegs sei, lese häufig eher Chatnachrichten, Anweisungen in Apps oder kurze Teasertexte – aber keine längeren, aufeinander aufbauenden Textpassagen mit vielfältigem Wortschatz. Gleichzeitig gehe Zeit drauf, die nicht für sprachförderlichere Aktivitäten genutzt werden könne.

Das dies auch anders geht, hatte zuletzt eine Studie der Stiftung Lesen zum Thema Vorlesen gezeigt. Ihr zufolge sind Apps nicht per se schlecht, da sie auch bildungsferneren Schichten den Zugang zum Vorlesen öffnen können. Dafür müssten sie aber mit den Eltern zusammen genutzt werden, die dann Anregungen zum Sprechen geben könnten. Das trifft in der Regel nur auf jüngere Kinder zu.

Die Unterschiede zwischen manchen Schülergruppen entsprechen laut Studie dem Lernzuwachs von über einem Jahr. Wie besorgniserregend die Situation ist, hat im Oktober erst der IQB-Bildungstrend  gezeigt. Demnach erreicht bundesweit knapp ein Drittel der Kinder nicht die Mindestanforderungen in Rechtschreibung, im Zuhören und im Lesen verfehlen jeweils rund 18 und 19 Prozent die Mindeststandards.

Die Studienmacher betonen, dass Kinder gezieltere Unterstützung in ihren Grundschulen benötigten, damit familiäre Unterschiede ausgeglichen werden. Dazu sollte es ab der ersten Klasse eine regelmäßige Diagnostik der Sprachkompetenzen mit dann gezielter Förderung geben, bei der auch die Familien einbezogen werden.

sun/dpa
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