Nicht nach Konfessionen getrennt Hamburg glaubt an gemeinsamen Religionsunterricht für alle

Die Stadt Hamburg will Kinder im Religionsunterricht nicht nach Konfessionen aufteilen, sondern gemeinsam unterrichten. Aus Sicht des Schulsenators bietet das Modell mehrere Vorteile.
Religionsunterricht für alle in Hamburg: Modellprojekt startete schon 2019 (Archiv)

Religionsunterricht für alle in Hamburg: Modellprojekt startete schon 2019 (Archiv)

Foto: Markus Scholz/ DPA

Katholisch, evangelisch, muslimisch, jüdisch oder atheistisch? In den meisten Bundesländern sollen Eltern abhängig von ihrem Glauben wählen, ob und zu welchem Religionsunterricht sie ihre Kinder an der Schule schicken. Oft gibt es mehrere, parallele Angebote. Schülerinnen und Schüler werden etwa getrennt nach Konfessionen unterrichtet. In Hamburg soll dies ab dem kommenden Schuljahr grundsätzlich anders sein.

Die Stadt führt nach den Sommerferien in allen staatlichen Schulen sukzessive den gemeinsamen Religionsunterricht für alle Kinder ein. Das katholische Erzbistum Hamburg habe diesen Plänen zugestimmt, teilten die Schulbehörde und das Bistum am Donnerstag mit. Damit seien nun alle Religionsgemeinschaften an dem Vorhaben beteiligt.

Konfessionen werden den Angaben zufolge im Religionsunterricht künftig nicht mehr getrennt voneinander, sondern gemeinsam unterrichtet. Auch atheistische Kinder sollen teilnehmen. Das Modell »umfasst jetzt alle bedeutenden Religionsgemeinschaften und kann damit Impulse für ganz Deutschland setzen«, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) laut Mitteilung .

Rabe: »Kein ganz anderer Religionsunterricht, aber ein besserer«

Aus Sicht des Schulsenators bietet das Modell mehrere Vorteile: »Das ist kein ganz anderer Religionsunterricht, aber ein besserer, der die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt berücksichtigt«, so Rabe. »Dieser bundesweit einmalige Unterricht trennt nicht, sondern führt zusammen und ermöglicht damit den Dialog von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Weltanschauungen.«

Laut den Bildungsplänen der Stadt ist mit dem Religionsunterricht für alle folgendes Ziel verknüpft:

»Er ermöglicht, Religionen und andere Überzeugungen kennenzulernen, über sie nachzudenken und sich ein kenntnisreiches und differenziertes Urteil zu bilden. Wer sich einer Religion verbunden fühlt, kann Kenntnisse vertiefen, andere Überzeugungen und Lebensweisen kennenlernen, persönliche Auffassungen reflektieren und so die eigene religiöse Identität vertiefen.

Jene, die keinen ausgeprägt religiösen Hintergrund haben, sich in Distanz oder Widerspruch zu jeglicher Form von Religion verstehen, können ihre kritisch-distanzierte Sichtweise in der Sache fundieren und religiöse Hintergründe anderer besser verstehen.«

Das Okay des Erzbistums fehlte noch – bis jetzt

Hamburg hat mit dem Beitritt der katholischen Kirche den letzten Schritt auf einem schon länger andauernden Weg zu einem Religionsunterricht für alle vollzogen. Seit 2019 gab es ein entsprechendes Modellprojekt. Seit 2012 hatte die Schulbehörde mit der evangelischen Kirche, den islamischen Religionsgemeinschaften, der alevitischen und der jüdischen Gemeinde den Religionsunterricht für alle weiterentwickelt. Die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte wurde angepasst. Nur die Beteiligung der katholischen Seite stand bisher aus.

Das vor gut zwei Jahren gestartete Modellprojekt habe deutlich gemacht, dass die Unterschiede der Konfessionen in der Praxis des Religionsunterrichts ausreichend hätten berücksichtigt werden können, hieß es nun vom Erzbistum. Der Unterricht ermögliche »eine differenzierte Auseinandersetzung junger katholischer Christinnen und Christen mit den spezifischen Inhalten ihres Bekenntnisses« – und garantiere »einen Religionsunterricht, der auch von katholischen Lehrkräften erteilt wird«, so Erzbischof Stefan Heße.

Das Modell zieht konkrete Folgen für die Einstellung von Lehrkräften nach sich: So können nicht mehr nur evangelische, sondern auch jüdische, muslimische, alevitische und nun auch katholische Lehrkräfte den Religionsunterricht erteilen – vorausgesetzt, sie haben ein vollständiges Studium und ein ordentliches Referendariat absolviert. Dies eröffne den etwa hundert katholischen Religionslehrkräften im Staatsdienst eine neue und sichere Perspektive, teilte das Erzbistum mit.

Der Unterricht werde, anders als in anderen Bundesländern, weiter ausschließlich von staatlichen Lehrkräften erteilt werden, heißt es vom Schulsenat. Geistliche und Mitarbeiter der Religionsgemeinschaften blieben ausgeschlossen. Die verschiedenen Religionen blieben Pflichtthema, würden aber »authentischer« unterrichtet.

Weil der Religionsunterricht im Grundgesetz verankert ist, betritt Hamburg den Angaben zufolge mit seinem Modell rechtlich Neuland. Ein verfassungsrechtliches Gutachten habe jedoch den eingeschlagenen Weg bestätigt.

Erzbischof Heße betonte – anders als der Schulsenator –, das Modell sei ein »für Hamburg passgenaues Konzept«. Eine Übertragung dieses Religionsunterrichts etwa auf die ebenfalls zum Erzbistum Hamburg gehörenden Regionen Schleswig-Holstein und Mecklenburg sei kaum denkbar.

fok/AFP
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