Studie der Hamburger Schulbehörde Vier von fünf infizierten Schülern haben sich außerhalb der Schule angesteckt

Schüler geben das Virus in der Schule nur selten weiter, legen Daten aus Hamburg nahe. Die Kultusminister wollen nun eine unabhängige Untersuchung in Auftrag geben. Doch bis es Sicherheit gibt, wird es wohl dauern.
Schülerinnen und Schüler in Hamburg: Bei 78 Prozent der positiv getesteten Schüler sei man sich relativ sicher, dass sie sich nicht in der Schule angesteckt hätten

Schülerinnen und Schüler in Hamburg: Bei 78 Prozent der positiv getesteten Schüler sei man sich relativ sicher, dass sie sich nicht in der Schule angesteckt hätten

Foto: Daniel Bockwoldt / picture alliance / dpa

Sollen die Schulen weiter offenbleiben? Über diese Frage wird dieser Tage heftig debattiert. Das Problem bei der Debatte: Es gibt nach wie vor keine gesicherten Zahlen, ob Schulen Treiber der Pandemie sind oder relativ sichere Lernorte. Klar ist bisher lediglich, dass sich Kinder ab einem Alter von etwa zwölf Jahren genauso häufig mit dem Coronavirus anstecken wie Erwachsene. Doch »die Tatsache, dass man Schüler ist, heißt nicht, dass man sich in der Schule infiziert haben muss«, sagt Hamburgs Schulsenator Ties Rabe.

Die Hamburger Bildungsbehörde hat nun eine Datenanalyse vorgestellt, die die Annahme stärkt, dass Schulen nicht bedeutend zur Ausbreitung des Virus beitragen. Dazu hat die Behörde gemeinsam mit dem Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) rückverfolgt und ausgewertet, wo sich Schülerinnen und Schüler, die zwischen den Sommer- und Herbstferien positiv getestet wurden, infiziert haben.

372 infizierte Schüler gab es demnach in der Zeit, bei 78 Prozent (292 Fällen) sei man sich durch die Rückverfolgung relativ sicher, dass sie sich nicht in der Schule angesteckt hätten. Bei den verbliebenen 22 Prozent (80 Fällen) konnte das hingegen nicht ausgeschlossen werden.

Meist nur ein bekannter Fall pro Schule

Ein Blick auf die Zahl der betroffenen Schulen bestätigt dieses Bild. Demnach meldeten zwischen dem 4. August und dem 4. Oktober dieses Jahres 171 der 472 Hamburger Schulen Corona-Infektionen unter ihren Schülern. Aber nur in 23 der betroffenen Schulen (13,5 Prozent) habe es gleichzeitig mehrere Infektionen gegeben, und nur in 17 Schulen (10 Prozent) sei dies vermutlich auf schulinterne Infektionen zurückzuführen.

Die Studie könne allerdings nur Anhaltspunkte liefern, stellte Rabe klar. So gebe es etwa keine Erkenntnisse über die Dunkelziffer, also Schülerinnen und Schüler, die sich unbemerkt infiziert haben. Umgekehrt sei bei den Jugendlichen, bei denen die Infektion auf den Schulbesuch zurückgeführt wurde, nicht auszuschließen, dass sich die Schüler bei privaten Treffen nach der Schule infiziert haben.

Zu klären sei zudem, warum es sich bei den Infizierten besonders häufig um Gesamtschüler gehandelt habe. Laut Rabe kam bei der Untersuchung heraus, dass auf einen infizierten Grundschüler zwei Fälle an einem Gymnasium und wiederum vier an einer Gesamtschule kamen. Während der Unterschied zu den Grundschulen sich durch die generell geringere Fallzahl bei Kindern erklären lasse, erhofft sich die Behörde durch weiterführenden Studien Aufschluss auf die Frage, warum gerade die Gesamtschulen besonders betroffen sind.

»Wir können das kontrollieren.«

Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts

Die Kultusminister haben sich laut Rabe darauf geeinigt, ein unabhängiges wissenschaftliches Institut mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen. Mit schnellen Ergebnissen sei aber nicht zu rechnen. Dabei drängt die Zeit. Schon am kommenden Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidenten erneut mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über weitere Schutzmaßnahmen auch an Schulen austauschen.

RKI-Präsident Lothar Wieler sagte am Donnerstag in Berlin, er sehe keine Veranlassung, Schulen und Kitas generell zu schließen. Die Inzidenzen bei Kindern unter zwölf Jahren seien niedriger als in anderen Altersgruppen. Kinder liefen dem Infektionsgeschehen eher hinterher. »Wir können das kontrollieren«, betont Wieler und fügt hinzu, Voraussetzung sei, dass »die schlauen Konzepte«, die die Schulen entwickelt hätten, auch umgesetzt würden.

Fokus auf Freizeit statt auf Schulen richten

Aktueller Kern der Debatte ist, ob zumindest die weiterführenden Schulen, wie vom RKI schon länger empfohlen, die Klassen teilen und im Wechsel zu Hause und in der Schule unterrichten sollten. Eltern- und Lehrerverbände sowie Schülervertretungen fordern dies ebenfalls vermehrt. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe hingegen sagte, ihm sei auf der Schulleiterkonferenz am Donnerstag zurückgemeldet worden, die Mehrheit sei – wie er selbst auch – für Präsenzunterricht.

»Wenn wir die Pandemie bewältigen wollen, dann müssen wir den Fokus nicht nur auf den Schulbetrieb, sondern viel stärker auf die vielen anderen Lebensbereiche und Infektionsrisiken von Schülerinnen und Schülern richten«, sagte Rabe. Die Schulleiter beobachteten ihm zufolge nämlich auch, dass die Schülerinnen und Schüler die Schutzmaßnahmen in der Schule relativ gewissenhaft umsetzen, die Disziplin vor dem Schultor dann aber nachlasse.

Mit Material von Reuters
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