OECD-Studie zu Kitas Schöner Job, zu wenig Anerkennung

Kita-Erzieherin in Köln (Archivbild)
Foto: Getty Images / Westend61Sie lernen, mit Löffel und Gabel zu essen, sich selbst anzuziehen, Konflikte auszutragen – selbstständig zu sein: Kinder, die eine Kita besuchen, erkunden die Welt erstmals außerhalb des eigenen Zuhauses. Ein guter Start ins Leben hängt auch von den Pädagoginnen und Pädagogen ab, die die Kinder betreuen. Doch wie geht es den Erzieherinnen und Erziehern bei ihrer Arbeit? Wie sind sie ausgebildet? Wodurch werden sie unter Druck gesetzt?
Das beleuchtet nun eine groß angelegte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Hierzu wurden mehr als 15.000 Fachkräfte und 3000 Leitungskräfte in Kindertageseinrichtungen aus den neun Ländern Chile, Dänemark, Deutschland, Island, Israel, Japan, Südkorea, Norwegen und der Türkei befragt.
Der Studie zufolge ist die große Mehrheit der Erzieherinnen und Erzieher mit ihrem Job zwar zufrieden, wünscht sich aber ein höheres Gehalt: Es geht den Pädagogen auch darum, den Beruf intellektuell aufzuwerten, besser unterstützt zu werden, sich weiterbilden und autonomer handeln zu können.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Ausbildung und Zufriedenheit mit dem Job
In Deutschland sind die Erzieherinnen und Erzieher im Vergleich zu den anderen Ländern mit am besten ausgebildet. Hier haben etwa 78 Prozent der für die Arbeit mit Kindern ausgebildeten Pädagogen eine Ausbildung mit Praxisanteil durchlaufen. Japan schneidet in der Studie am besten (92 Prozent), Chile am schlechtesten ab (45 Prozent).
Erzieherinnen und Erziehern in allen neun Ländern macht der Beruf großen Spaß. Viele sind ihrer Arbeit sehr stark verbunden und viele scheiden erst mit dem Eintritt in den Ruhestand aus dem Job aus. Mehr als 90 Prozent von ihnen sind der Umfrage zufolge sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit.
In Deutschland denkt allerdings rund ein Viertel der Pädagogen darüber nach, den Job wegen gesundheitlicher Probleme aufzugeben. Das könnte laut der Studie auf ein Burnout-Risiko hindeuten.
Im Vergleich zu anderen Ländern fühlen sich Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland zwar von ihrer Kita-Leitung unterstützt, aber weniger von der Bevölkerung wertgeschätzt. Nur etwa ein Drittel (36 Prozent) hat das Gefühl, von der Gesellschaft anerkannt zu werden.
Gehalt
Die Wertschätzung spiegelt sich auch im Gehalt wider – und in Deutschland sind knapp drei Viertel der befragten Kita-Erzieher mit ihrem Gehalt unzufrieden (74 Prozent der Erzieher für unter Dreijährige, 71 Prozent der Erzieher für über Dreijährige). Auch dies kann laut der Studie dazu führen, den Job zu kündigen. Im Vergleich steht Deutschland aber noch gut da: In Island finden 90 Prozent der Kita-Erzieher für unter Dreijährige, dass sie zu wenig verdienen, in Israel sind es 84 Prozent der Kita-Erzieher für über Dreijährige. In der Türkei sind zum Vergleich 61 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher mit ihrem Gehalt unzufrieden.
Die Kita-Leitungen können stark gegensteuern, indem sie ihre Mitarbeiter unterstützen, sie innerhalb der Arbeit weiterbilden und sie in Entscheidungen miteinbeziehen. Dadurch würden sie auch mit den Kollegen besser zusammenarbeiten und seien zufriedener mit ihrer Arbeit. Aber auch Kita-Leitungen müssten die Möglichkeit haben, sich kontinuierlich weiterzubilden.
Personalmangel
In Deutschland scheint der größte Sorgenfaktor von Erzieherinnen und Erziehern der Personalmangel zu sein. Ein Drittel der Pädagogen bei über Dreijährigen und 27 Prozent der Pädagogen bei unter Dreijährigen geben an, bei Personalmangel zusätzliche Aufgaben übernehmen und zu viele Kinder betreuen zu müssen. Das führt zu Stress. Jede fünfte Leitungskraft sorgt sich zudem wegen Personalmangels um die Qualität ihrer Betreuungseinrichtung. In Japan klagen nur neun Prozent der Pädagogen über zu viele zu betreuende Kinder, in Island sind es 39 Prozent.
Hier spielt auch die Leitung der Kindertagesstätten eine erhebliche Rolle: Ist die Leitung stark engagiert, etwa indem sie klare Vorstellungen für die Einrichtung vorgibt oder die Entwicklung neuer Ideen fördert, haben die Erzieherinnen und Erzieher das Gefühl, die Kinder wirksamer unterstützen zu können.
Die Corona-Pandemie könnte den Unmut weiter verschärfen, wie die Macher der Studie befürchten. So könnte in den nächsten Jahren weniger Geld zur Verfügung stehen, um den Erzieherinnen und Erziehern ein höheres Gehalt zu zahlen oder den Betreuungsschlüssel zu verbessern.
»Wie wichtig Kitas sind, um wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben am Laufen zu halten, zeigt die aktuelle Pandemie«, sagt Bernhard Kalicki, Leiter der Abteilung Kinder und Kinderbetreuung am Deutschen Jugendinstitut, an dem die Studie in Deutschland realisiert worden ist. »Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, mehr Geld zu investieren – einerseits um die pädagogischen Fachkräfte angemessen zu bezahlen und andererseits für dringend benötigtes zusätzliches Personal. Denn die dünne personelle Ausstattung belastet die Erzieherinnen und Erzieher in hohem Maße und wir können nicht in Kauf nehmen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitsfeld verlassen.«
Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung
Udo Beckmann, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), sagt: »Es herrscht Alarmstufe Rot im frühkindlichen Erziehungsbereich und es besteht dringender Handlungsbedarf«. Wenn Kita-Erzieher im Stich gelassen werden, »ist das nicht nur für diese Menschen, sondern auch für die Kinder und die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt fatal. Wir steuern auf eine Havarie zu, wenn die Unwucht zwischen Verantwortung und Anerkennung im frühkindlichen Bereich zunehmend unzufrieden und/oder krank macht und potenzielle Nachwuchskräfte abgeschreckt«, warnt der Bundesvorsitzende.