Wenn Schüler im Netz gegen Lehrer mobben "Keine Lappalien, sondern Straftaten"

Wie hart soll eine Schule reagieren, wenn Schüler verunstaltete Bilder von Lehrern ins Netz stellen? Sehr konsequent, sagt Cybermobbing-Expertin Catarina Katzer. Hier erklärt sie, warum.
Ein Interview von Armin Himmelrath
"Täter rechtfertigen ihr Handeln zunehmend damit, dass die Opfer das Mobbing verdient hätten": Schülerin mit Handy auf dem Schulhof (Archivbild)

"Täter rechtfertigen ihr Handeln zunehmend damit, dass die Opfer das Mobbing verdient hätten": Schülerin mit Handy auf dem Schulhof (Archivbild)

Foto: Armin Weigel/ dpa
Zur Person
Foto: privat

Catarina Katzer, Jahrgang 1973, beschäftigt sich als Leiterin des Instituts für Cyberpsychologie & Medienethik  (Köln) unter anderem mit Fragen von Gewalt und Hass im Netz. Die Sozialpsychologin und Soziologin arbeitet praktisch, forschend und beratend zum Thema Handeln, Fühlen und Denken im digitalen Zeitalter.

SPIEGEL: Nach Cybermobbing gegen mehrere Lehrer hat eine Düsseldorfer Schulleiterin zwei Klassenfahrten gestrichen, außerdem wurde Strafanzeige gestellt. Schüler hatten zuvor verunstaltete Bilder von Lehrkräften ins Netz gestellt. Jetzt bekommt die Schulleiterin für ihre Strafaktion Gegenwind: Eltern haben sich, zum Teil anonym, über sie beschwert und fordern ihre Absetzung. Wer überzieht bei diesem Konflikt?

Katzer: Aus meiner Sicht eindeutig die Eltern. Wenn im Netz gefälschte Bilder in Umlauf gebracht werden, wenn Lügen, Beleidigungen oder Drohungen veröffentlicht werden, dann sind das keine Lappalien, sondern Straftaten. Da ist es wichtig, eine klare Reaktion zu zeigen. Das scheint hier der Fall zu sein. Wer gegen so etwas - und dann auch noch anonym – protestiert, hat eine fragwürdige Auffassung von Recht und Unrecht. Auch wenn klar ist, dass Eltern sich natürlich schwer damit tun, wenn sie feststellen, dass ihr Kind ein Täter ist.

SPIEGEL: Aber werden mit der Absage der Klassenfahrten nicht auch Unschuldige sanktioniert? Kollektivstrafen sind aus gutem Grund geächtet.

Katzer: Ich wiederhole es noch einmal: Das sind keine Kleinigkeiten, die da mutmaßlich vorgefallen sind. Da muss sehr deutlich gemacht werden: So etwas wird an unserer Schule nicht geduldet! Ich finde es richtig, dass hier nicht wieder nur so eine lasche Reaktion gezeigt wird, wie wir sie leider viel zu oft erleben. Die Grenzüberschreitung der Täter muss klar geahndet werden. Aber es darf natürlich nicht bei der Absage der Klassenfahrten bleiben, sondern muss jetzt weitergehen: mit Aufklärung und Coaching für die betroffenen Klassen. Die brauchen jetzt das volle Präventionsprogramm.

SPIEGEL: Und das hilft? Das Verhalten der Jugendlichen im Netz lässt sich doch gar nicht kontrollieren.

Katzer: In den Niederlanden gibt es seit 2016 die gesetzliche Pflicht zur Mobbing- und Cybermobbing-Prävention in den Schulen. Seitdem ist dort die Zahl der betroffenen Schülerinnen und Schüler von 25 auf 15 Prozent gesunken. Bei uns sind die Bundesländer für die Schulpolitik zuständig - die müssen die entsprechenden Mittel bereitstellen.

SPIEGEL: Die Länder verweisen darauf, dass es bereits zahlreiche Programme zur Medienkompetenz in den Schulen gibt.

Katzer: Die bestehenden Kapazitäten sind ein Witz. Wir brauchen solche Angebote für jede einzelne Schule, von der Grundschule an. Täter rechtfertigen ihr Handeln zunehmend damit, dass die Opfer das Mobbing verdient hätten. Da findet eine Verschiebung der Argumentation statt, bei der wir ganz dringend gegensteuern müssen! Das darf nicht an fehlenden Kursangeboten oder an organisatorischen Fragen scheitern - und auch nicht am Geld.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren