Konferenz der Kultusminister Diese Punkte müssen vor der Schulöffnung geklärt werden

Schule im Coronamodus: Wie soll es nach den Sommerferien weitergehen?
Foto: Christoph Schmidt/ dpaDie für Bildung zuständigen Kultusminister der Länder gehen an diesem Donnerstag mit Rückendeckung in ihre Videokonferenz über die Rückkehr zum vollständigen Schulbetrieb nach den Sommerferien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich am Mittwoch bereits dafür ausgesprochen, im neuen Schuljahr wieder in den Regelbetrieb zu starten.
Allerdings stellen sich dabei viele Fragen. So äußerten Lehrervertreter und Gewerkschaften Bedenken und Sorgen mit Blick auf den Gesundheitsschutz. Die wichtigsten Punkte, die die Kultusminister klären müssen, sind die Abstandsregeln, der Personalmangel und ein verbindlicher Plan B.
Dauerstreitpunkt Abstandsregeln
Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten hatten vereinbart, dass "bei gleichbleibend positivem Infektionsgeschehen spätestens nach den Sommerferien" eine Rückkehr in den schulischen Regelbetrieb erfolgen solle - "auf der Grundlage von Schutz- und Hygienekonzepten".
Die Schulpolitiker der Länder waren in Gedanken schon einen Schritt weiter: Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte mehrfach deutlich gemacht, dass nach den Sommerferien an den Schulen auch die Abstandsregel fallen soll.
Ein entsprechender Passus stand am Mittwoch auch in einem gemeinsamen Beschlussvorschlag der Länder für das Treffen mit Merkel, berichtet die Nachrichtenagentur dpa - im Abschlussdokument nach den Verhandlungen mit der Kanzlerin tauchte er dann aber nicht mehr auf. Interessant wird sein, ob die Länder und ihre Kultusminister trotzdem daran festhalten und die Abstandsregel in den Schulen kippen.
Kritik von GEW und Lehrkräften
Das Thema ist heikel. Bildungsgewerkschaften warnen vor einem "Spiel mit dem Feuer". Es sei eine Farce, wenn in jedem Supermarkt Plexiglasscheiben Kunden und Personal trenne - aber in Schulen kein Abstand eingehalten und die Lehrer nicht geschützt würden, hatte der Chef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, schon Anfang des Monats gesagt.
Gerichte sehen das allerdings anders - zumindest an Grundschulen, wo in vielen Bundesländern die Abstandsregeln bereits gekippt wurden. Gerichte in Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa urteilten, der Gesundheitsschutz für die Lehrkräfte sei trotzdem ausreichend. Kinder könnten sich ohnehin nicht an das Abstandsgebot halten.
Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), kritisierte die Entscheidung in der Tageszeitung "Die Welt" scharf: "Solange die Gesellschaft entscheidet, dass in anderen Bereichen des Lebens Sicherheitsabstände einzuhalten sind, kann es keinen Regelbetrieb der Schulen geben. Ich halte das für sehr gefährlich und fürchte, dass Schulen zu Hotspots werden."
Offen ist, wie Gerichte die Abstandsregeln bei älteren Schülerinnen und Schülern bewerten. Zuletzt hatte etwa ein Gericht in Rheinland-Pfalz sich bei der Frage, ob der Unterricht den Lehrkräften zuzumuten sei, auch auf die Einhaltung des Mindestabstands berufen. Die Kultusminister haben also einen hoch umstrittenen Punkt zu klären.
Kostenlose Tests für Lehrkräfte
Verschiedene Verbandsvertreter wie der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, fordern, die Rückkehr zum Regelbetrieb sollte wenigstens mit regelmäßigen Testmöglichkeiten für Lehrkräfte einhergehen.
Eine bundesweit einheitliche Regel dazu gibt es nicht. Bisher kündigte etwa Brandenburg an, dass sich Lehrer und Erzieher zunächst für drei Monate alle zwei Wochen freiwillig testen lassen können. Andere Länder planen stichprobenartige Tests.
Die Ministerpräsidenten einigten sich bei ihrem Treffen am Mittwoch mit der Bundeskanzlerin zumindest schon darauf, dass die Kosten für die Tests – sollte es sie geben - von den Krankenkassen übernommen werden. Die Kultusminister haben hier also gute Voraussetzungen, die Einführung freiwilliger Tests zu fordern.
Personalmangel und Risikogruppen
Klar ist: Bleiben die Abstandsregeln, gibt es nicht genug Lehrkräfte, damit alle Kinder wieder jeden Tag in die Schule gehen können. Werden sie hingegen aufgehoben, sollten die Schulen auf feste Lerngruppen setzen - und auch dafür braucht es mitunter mehr Personal. "Man darf nicht vergessen, dass schon vor Corona akute Personalnot herrschte", sagte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann im Mai dem SPIEGEL.
Hinzu kommt, dass Lehrerinnen und Lehrer für den Präsenzunterricht ausfallen, weil sie zur Risikogruppe gehören. So schätzten laut einem Bericht der "Welt" der Deutsche Lehrerverband und der Verband Bildung und Erziehung die möglichen Ausfälle im nächsten Schuljahr auf etwa zehn Prozent. Die GEW und der Grundschulverband sprechen sogar von schätzungsweise 20 Prozent.
Der Präsenzunterricht im Corona-Modus lasse sich deshalb nur mit einer stark abgespeckten Stundentafel umsetzen, warnte VBE-Mann Beckmann, "und selbst dann wird es personell eng".
Unterrichtsinhalte und Fernunterricht
Die Kultusminister müssen also auch die Unterrichtsinhalte auf den Prüfstand stellen. Bei ihrer Videoschalte an diesem Donnerstag haben sie sich vier renommierte Bildungsexpertinnen und -experten eingeladen. Bei den Beratungen gehe es um den Unterrichtsstoff, sagte KMK-Präsidentin Hubig, aber auch um Empfehlungen für den Fernunterricht. Die Schulen müssten für den Fall vorbereitet werden, dass es - wie am Mittwoch bereits in im Kreis Gütersloh – wieder zu einzelnen Schulschließungen komme.
Die Elterninitiative #Elterninderkrise forderte nach der Schließung in Gütersloh zudem klare Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen Bildungseinrichtungen wieder dichtmachen müssen. Es sei nicht verständlich, dass sämtliche Schulen und Kitas geschlossen werden, andere Treffpunkte wie etwa Geschäfte und Fitnessstudios aber geöffnet blieben.
Der VBE forderte von den Kultusministerien, verschiedene Szenarien zu entwerfen, die alle Optionen vom regulären über den eingeschränkten Unterricht bis hin zu einer Mischung aus Präsenz- und Fernunterricht und dem eigenständigen Lernen zu Hause mitdenken. Das Deutsche Kinderhilfswerk spricht sich ebenfalls für gemeinsame Bund-Länder-Leitlinien aus, die den Schulen Orientierung geben.
Angesichts des bisherigen Schlingerkurses ist es aber fraglich, ob sich die Kultusministerinnen und Kultusminister auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können.