Zeugnis und Versetzung So bewerten die Bundesländer das "Corona-Halbjahr"

Wie werden in diesem Jahr die Zeugnisnoten festgelegt? Und welche Folgen hat die Coronakrise für die Versetzungen? Die Bundesländer beantworten diese Fragen sehr unterschiedlich. Der Überblick.
Sollen Kinder für ihre Leistungen im Fernunterricht Noten bekommen?

Sollen Kinder für ihre Leistungen im Fernunterricht Noten bekommen?

Foto:

Julian Stratenschulte/ picture alliance / dpa

Können Schüler Noten bekommen, auch wenn gar kein Unterricht stattfindet? Durch die Corona-Pandemie blieben Deutschlands Schulen wochenlang geschlossen, regulärer Betrieb wird in diesem Schuljahr wohl nicht mehr möglich sein. Trotzdem sollen Schülerinnen und Schüler in Kürze Zeugnisse erhalten.

Auf welcher Grundlage werden darin die Noten vergeben? Und welche Rolle spielen die Zensuren dann bei der Versetzung der Schülerinnen und Schüler in die nächste Klasse? Eine Anfrage des SPIEGEL bei allen Bundesländern zeigt: Von Kiel bis München haben die zuständigen Kultusministerien ganz unterschiedliche Lösungen gefunden.

In Bremen etwa zählen Aufgaben aus der Zeit der Schulschließung nur dann, wenn die Schüler sich damit verbessern können. In Baden-Württemberg werden die Noten aus beiden Halbjahren zusammengezogen. In Brandenburg sollen die Zeugnisnoten einzig auf den Leistungen beruhen, die bis zum 18. März erbracht wurden.

Auch bei den Regeln zu den Versetzungen gibt es Unterschiede: In Hessen soll in diesem Jahr ausnahmsweise niemand sitzen bleiben. In Bayern wird ein Modell der Versetzung auf Probe geprüft. Und im Saarland sollen Lehrkräfte gegebenenfalls im Gespräch mit Eltern klären, ob Schüler freiwillig das Jahr wiederholen möchten.

Der detaillierte Überblick zum Vorgehen der einzelnen Bundesländer:

BADEN-WÜRTTEMBERG:

  • Zensuren: "Baden-Württemberg verleiht Jahrgangszeugnisse. Die Noten aus beiden Schulhalbjahren werden zusammengezogen", heißt es aus dem Kultusministerium in Stuttgart. Leistungen aus dem Fernunterricht könnten nicht benotet werden. "Wenn nun, am Ende des Schuljahres, noch Klassenarbeiten stattfinden, muss der Stoff vorher wiederholt werden", sagte ein Sprecher.

  • Versetzung: Alle Schülerinnen und Schüler werden ins nächste Schuljahr versetzt.

BAYERN

  • Zensuren: In Bayern dauert das Schuljahr etwas länger als in vielen anderen Bundesländern, weil die Sommerferien traditionell spät beginnen. Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen müssen in den kommenden Wochen keine verpflichtenden Klausuren mehr schreiben, damit sie sich auf die Abschlussprüfungen konzentrieren können. Für alle anderen Jahrgangsstufen sollen bald "entsprechende Sonderregelungen" veröffentlicht werden. Grundsätzlich gilt: Für Aufgaben, die Schüler im Heimunterricht erstellt haben, gibt es "Feedback", aber keine Noten. Bevor Lehrkräfte den Stoff abprüfen können, müssen sie ihn im Präsenzunterricht wiederholen.

  • Versetzung: Wenn Schüler aufgrund ihrer Leistungen nicht versetzt werden können, "wird die Möglichkeit des Vorrückens auf Probe in die nächsthöhere Jahrgangsstufe geprüft", sagt eine Sprecherin aus dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus.

BERLIN

  • Zensuren: Die Senatsverwaltung in Berlin ließ die Anfrage des SPIEGEL unbeantwortet. Auf der Internetseite  der Behörde lässt sich allerdings nachlesen, dass Projektarbeiten, die Schüler während der Schulschließung zu Hause angefertigt haben, durchaus bewertet werden können. "Schülerinnen und Schüler können ihre Lehrkräfte auch darum bitten, eine solche Projektarbeit anfertigen zu dürfen, um sich zu verbessern." Ob und wie die Noten aus Hausaufgaben in den mündlichen Teil der Zeugnisnote einfließen, entscheidet in der Sekundarstufe I jede Schule für sich. In der gymnasialen Oberstufe gibt es "keine ausdrückliche Regelung."

  • Versetzung: Wie Berlin das Thema Versetzung in diesem Schuljahr handhaben wird, ist bisher nicht bekannt. Grundsätzlich wiederholen in der Regel nur Gymnasiasten und Oberstufenschüler der Sekundarschulen, an allen anderen Schulformen wurde Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft.

BRANDENBURG

  • Zensuren: Das Bildungsministerium in Brandenburg vertritt die Auffassung, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, die sie während der unterrichtsfreien Zeit in häuslicher Arbeit erbringen, grundsätzlich nicht bewertet werden können. Die Zeugnisnoten beruhen einzig auf den Leistungen, die bis zum 18. März erbracht wurden.

  • Versetzung: Ausnahmsweise sollen alle Schüler in die nächste Klassenstufe versetzt werden.

BREMEN

  • Zensuren: Bremen hat die Benotung der Schüler in drei Phasen eingeteilt: vor der Schließung, während der Schließung, nach der Schließung. Alles, was Schülerinnen und Schüler bis Mitte März geleistet haben, zählt fürs Zeugnis. Aufgaben, die erledigt wurden, als die Schulen geschlossen waren, zählen nur, wenn die Schüler sich damit verbessern können. Kehren die Kinder und Jugendlichen an die Schulen zurück, zählen die Leistungen aus dem Präsenzunterricht. Wechselt sich Unterricht in der Schule mit dem Fernunterricht ab, können in dieser Phase auch Leistungen bewertet werden, die zu Hause, aber "in Begleitung der Lehrkraft" erbracht werden.

  • Versetzung: Sitzenbleiben ist in Bremen schon länger nicht mehr üblich. Ausnahme: der Übergang in die Oberstufe.

HAMBURG

  • Zensuren: In Hamburg bekommen Schülerinnen und Schüler Noten, auch wenn kein Unterricht stattfindet. Kinder und Jugendliche sollen ihren Lehrkräften einmal pro Woche melden, woran sie gearbeitet haben, und Ergebnisse schicken. Anstelle von Klassenarbeiten sollen Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülern die Möglichkeit geben, sogenannte schriftliche Lernerfolgskontrollen abzulegen - also Projektarbeiten oder schriftliche Ausarbeitungen. Auf dieser Grundlage sollen die Zeugnisnoten entstehen.

  • Versetzung: Hamburg hat das Sitzenbleiben 2011 grundsätzlich abgeschafft.

HESSEN

  • Zensuren: Hessische Schüler bekommen keine Noten für die Zeit im Fernunterricht. Doch wenn die Schulen wieder öffnen, können auch wieder Klassenarbeiten geschrieben werden. Diese fließen dann in die Benotung mit ein, wie es aus dem Kultusministerium in Wiesbaden heißt.

  • Versetzung: In Hessen soll in diesem Schuljahr ausnahmsweise niemand sitzen bleiben.

In Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen entscheidet die Klassenkonferenz

MECKLENBURG-VORPOMMERN

  • Zensuren: Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt bei den Zeugnisnoten vor allem Leistungen, die Schüler vor der Schulschließung gezeigt haben. Falls zu wenige Noten vorliegen, aus denen sich eine Zeugnisnote errechnen ließe, entscheide die Klassenkonferenz, heißt es in einem Rundschreiben des Ministeriums.

  • Versetzung: In diesem Schuljahr muss in Mecklenburg-Vorpommern niemand sitzen bleiben.

NIEDERSACHSEN

  • Zensuren: "Die Aufgaben für das Lernen zu Hause werden nicht bewertet", schreibt ein Sprecher des Kultusministeriums in Hannover. Schüler könnten aber auf ihre Lehrkräfte zugehen und erkennbar selbstständig erbrachte Leistungen benoten lassen. Wenn die Schulen wieder öffnen, solle das Wissen "in den Schulen durch kurze Tests, Lernzielkontrollen oder mündliche Abfragen überprüft werden".

  • Versetzung: Ob Schülerinnen und Schüler versetzt werden, entscheide die Klassenkonferenz, heißt es in einem Erlass des Ministeriums.

NORDRHEIN-WESTFALEN

  • Zensuren: In Nordrhein-Westfalen gilt: Gute Leistungen, die Schülerinnen und Schüler im Heimunterricht erbringen, sollen in die Zeugnisnoten einfließen - "nicht erbrachte" oder "nicht hinreichende" Leistungen jedoch nicht, wie das Kultusministerium in einem Rundschreiben an alle Schulen formuliert. "Wir berücksichtigen hierbei den Umstand, dass es in dieser Zeit individuelle Situationen geben kann, die dazu führen, dass Aufgaben nicht so erledigt werden können, wie es im Präsenzunterricht möglich gewesen wäre", erläutert eine Sprecherin.

  • Versetzung: In diesem Schuljahr kann niemand sitzen bleiben - ausgenommen sind die Abschlussjahrgänge. "Eine mit dem Übergang in die nächsthöhere Jahrgangsstufe verbundene Vergabe von Abschlüssen erfolgt nur, wenn die Leistungsanforderungen auch erfüllt sind", heißt es aus dem Schulministerium in Düsseldorf.

Im Saarland können Schüler nur freiwillig wiederholen

RHEINLAND-PFALZ

  • Zensuren: Leistungen, die im Fernunterricht erbracht wurden, werden in Rheinland-Pfalz nicht benotet. Ausnahmen gibt es laut Kultusministerium nur für die Schulen, die ohnehin seit Längerem digital arbeiten und auf Grundlage ihrer Erfahrungen bereits die entsprechenden Rahmenbedingungen für digitale Leistungsbeurteilungen etabliert haben.

  • Versetzung: In Rheinland-Pfalz muss in diesem Schuljahr ausnahmsweise niemand sitzen bleiben.

SAARLAND

  • Zensuren: Schülerinnen und Schüler im Saarland bekommen keine Noten für Aufgaben, die sie im Fernunterricht erledigt haben. Die Zeugnisnoten errechnen sich aus den Noten des ersten Halbjahres und den Leistungsnachweisen, die Kinder und Jugendliche im zweiten Halbjahr im Präsenzunterricht erbracht haben, "bis zum 13. März und ab dem 4. Mai", wie eine Sprecherin schreibt. "Die Zeugnisnote ist das Ergebnis einer wertenden fachlich-pädagogischen Gesamtbeurteilung."

  • Versetzung: Reichen die Leistungen formal nicht aus, um in die nächste Jahrgangsstufe überzutreten, erfolge eine "Versetzung unter Berücksichtigung besonderer Umstände". Lehrkräfte sollen dann beratende Gespräche mit den Eltern führen und darin unter anderem erörtern, ob die Schülerin oder der Schüler freiwillig die Klasse wiederholen könnte.  

Bildungs-Newsletter "Kleine Pause"

SACHSEN

  • Zensuren: Ob Schülerinnen und Schüler im Fernunterricht Noten bekommen, hängt in Sachsen von der Schulform ab. "Noten sollten in der jetzigen Situation für Schülerinnen und Schüler in der Grundschule grundsätzlich nicht gegeben werden", heißt es aus dem Staatsministerium für Kultus. "Auch an Oberschulen sollte auf eine Benotung weitgehend verzichtet werden, ebenso bei Förderschulen." Am Gymnasium sollten Lehrkräfte Noten, wenn überhaupt, mit "hoher Sensibilität und unter Berücksichtigung der individuellen Lerngegebenheiten" vergeben.

  • Versetzung: Sitzen bleiben können Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen trotzdem - allerdings sollten Lehrkräfte "pädagogische Beurteilungsspielräume wohlwollend" auslegen, so das Ministerium.

SACHSEN-ANHALT

  • Zensuren: Auf der Internetseite des Bildungsministeriums lässt sich nachlesen, dass die Zeugnisnote "alle Leistungen des Jahres" berücksichtige, insbesondere "bis zum Beginn der Schulschließung abgeschlossene Leistungserhebungen und erteilte Bewertungen". Ein Sprecher ergänzt dazu: Arbeiten aus dem Fernunterricht könnten bewertet werden, "wenn sie in der Schule dargeboten werden oder eindeutig individuell zurechenbar ist. Eine Lehrkraft kann erkennen, ob es sich um eine individuelle Leistung handelt oder nicht."

  • Versetzung: "Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung zum grundsätzlichen Aussetzen der Versetzungen", sagte ein Sprecher. "Sobald wir Klarheit über den weiteren Weg zur Öffnung der Schulen haben, werden wir die bestehenden Regelungen erneut auf die Praktikabilität hin überprüfen." Über die Versetzung entscheide grundsätzlich die Klassenkonferenz, "die die Leistungsentwicklung der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers in den Blick nimmt."

In Thüringen können nur Neunt- und Zehntklässler sitzen bleiben

SCHLESWIG-HOLSTEIN

  • Zensuren: In Schleswig-Holstein werden Leistungen, die Schülerinnen und Schüler bis zum 13. März 2020 gezeigt haben, als Basis für die Zeugnisnoten angesetzt - "soweit bis zum Ende des Schuljahres 2019/20 ein regulärer Unterrichtsbetrieb nicht wiederaufgenommen werden kann", heißt es aus dem Kultusministerium in Kiel.

  • Versetzung: Von diesen Noten hängt auch die Versetzung in die nächste Klassenstufe ab. Lehrkräfte sollten allerdings darauf achten, so das Kultusministerium, dass den Jugendlichen "keine Nachteile mit Blick auf das folgende Schuljahr erwachsen".

THÜRINGEN

  • Zensuren: "Die Schulen sind angehalten, bei der Bewertung von Leistungen auch die besondere Situation zu berücksichtigen", schreibt ein Sprecher des Kultusministeriums in Thüringen. Es gelte der Grundsatz: "Es wird nur das bewertet, was auch unterrichtet worden ist." Fernunterricht zählt nicht dazu.

  • Versetzung: Aufgrund der Pandemie-Situation sollen alle Schülerinnen und Schüler in die nächste Jahrgangsstufe versetzt werden - Ausnahmen sind in den Klassen 9 und 10 möglich. Die Schüler können laut Kultusministerium trotzdem sitzen bleiben, "da hiermit auch schulabschlussrelevante Entscheidungen verbunden sind".

Anmerkung: Wir haben den Passus "Versetzung" in Nordrhein-Westfalen um die Regelung für Abschlussklassen ergänzt. Dieser Hinweis fehlte in einer früheren Version dieses Textes.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten