Nach Prüfung von Plagiatsvorwurf Universität Bonn kündigt Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot

Ulrike Guérot im Juni 2022 bei Markus Lanz im ZDF: Juristische Schritte angekündigt
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Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn trennt sich zum 31. März von der Professorin Ulrike Guérot. Das teilte die Politikwissenschaftlerin via Twitter mit. Grund für die Kündigung ist demnach ein Plagiat. Die Universität Bonn bestätigte dem SPIEGEL, dass sie »arbeitsrechtliche Schritte gegen Frau Guérot eingeleitet hat«.
Grund dafür seien im vergangenen Jahr aufgekommene Plagiatsvorwürfe gegen die Politikwissenschaftlerin. »Die zuständigen Gremien der Universität haben den Sachverhalt geprüft und sehen ihn – bezogen auf den Veröffentlichungszeitraum seit dem Eintritt in die Universität Bonn im September 2021 und auf eine frühere Veröffentlichung, die für die Berufung von Relevanz war – als erwiesen an«, teilte Pressesprecher Andreas Archut mit.
Guérot hatte via Twitter hingegen mitgeteilt, es gehe um ein »Plagiat in einem nicht-wissenschaftl. Buch von 2016«. Dem laut Archut von Guérot vorgebrachten Einwand, dass es sich nicht um wissenschaftliche Veröffentlichungen handele, seien die zuständigen Gremien nicht gefolgt.
Guérot schrieb, sie werde dagegen juristisch vorgehen, für Anfragen stehe sie nicht zur Verfügung.
Die @unibonn hat mir wegen Plagiat in einem nicht-wissenschaftl. Buch von 2016 zum 31.3. gekündigt. Ich werde dagegen juristisch vorgehen und stehe deswegen nicht für Anfragen zur Verfügung. Ich wäre die erste Person, der in D wegen „Plagiat“ gekündigt würde: es wird spannend ;-)
— Ulrike Guérot (@ulrikeguerot) February 24, 2023
Guérot hat seit dem Wintersemester 2021/22 die Professur für Europapolitik an der Uni Bonn inne, zuvor hat sie in Österreich das Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems geleitet.
Die Personalie war von Anfang an umstritten. Guérots Ruf hat sich in der Coronapandemie von einer Europa-Verfechterin zu einer Kritikerin der Coronamaßnahmen gewandelt. Sie gefielt sich in der Rolle, »ich habe es dann als meinen Auftrag empfunden, für diese Leute zu sprechen«, sagte sie dem SPIEGEL im Sommer 2021.
Doch einige ihrer Aussagen waren irreführend, manchmal auch unseriös oder falsch. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe sich nicht ausreichend von Verbreitern von Falschinformationen abgegrenzt, sie wurde bedroht und angefeindet.
Als ihre Berufung im Sommer 2021 bekannt wurde, twitterte »FAZ«-Redakteur Patrick Bahners, jahrelang Feuilletonchef der Zeitung, »Au weia, ich hatte es für eine Falschmeldung gehalten.« Dem SPIEGEL sagte er später, die Entscheidung der Uni habe ihn bestürzt, es sei offenkundig, »dass die Universität Bonn mit dieser Berufung ihrem Ansehen schadet«, Guérot habe immer wieder »Behauptungen aufgestellt, die abwegig, unsinnig oder schlichtweg falsch« seien.
Uni distanziert sich – ohne den Namen zu nennen
Ein Jahr später hatte auch die Uni Bonn offensichtlich ein Problem mit der Personalie. Da wurde die öffentliche Debatte längst nicht mehr von der Coronapandemie dominiert, sondern von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine – und Guérot weist der Ukraine in ihren gemeinsam mit Hauke Ritz verfassten Buch »Endspiel Europa« die Rolle des Kriegstreibers zu: Das Land habe »stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland« begonnen.
Die Universitätsleitung distanziert sich in einer öffentlichen Stellungnahme von ihren Äußerungen, allerdings ohne ihren Namen zu nennen. Und mahnt, »die Freiheit von Forschung und Lehre ist ein Privileg, das jedoch auch mit großer Verantwortung einhergeht«. Dazu gehöre es, allgemeine Standards guter wissenschaftlicher Praxis zu wahren und namentlich spekulative, nicht wissenschaftlich belegbare Behauptungen zu unterlassen. Verdachtsfälle auf Fehlverhalten würden geprüft und gegebenenfalls sanktioniert.
Der Asta der Universität Bonn sowie das Studierendenparlament hatten die Professorin bereits Monate zuvor als rufschädigend für die Uni kritisiert und unter anderem Aussagen von ihr missbilligt, die der Ukraine ihr Selbstverteidigungsrecht absprechen und deutsche Waffenlieferungen als völkerrechtswidrig darstellen. Auf den Plagiatsvorwurf gingen sie nur am Rande ein, forderten die Uni aber auch auf, öffentlich Stellung zu den »Verfehlungen des wissenschaftlichen Arbeitens« zu nehmen.
Zuletzt war Guérot eine der Erstunterzeichnerinnen des von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht verfassten »Manifests für Frieden«, das ebenfalls ein Ende der Waffenlieferungen und Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fordert.