Studienfinanzierung und Corona Nothilfe für mehr als 100.000 Studierende

Das Bundesbildungsministerium klopft sich auf die Schulter: Die Überbrückungshilfe für Studierende in Corona-Notsituationen sei gut gelaufen. Das sehen die Betroffenen allerdings anders.
Coronagerecht vorbereiteter Hörsaal für Studierende an der Uni Hohenheim (Archivbild)

Coronagerecht vorbereiteter Hörsaal für Studierende an der Uni Hohenheim (Archivbild)

Foto: Sebastian Gollnow / dpa

In der Coronakrise haben mehr als 100.000 Studentinnen und Studenten finanzielle Nothilfe vom Staat erhalten. Diese Zahl gaben das Bundesbildungsministerium und das Deutsche Studentenwerk (DSW) am Mittwoch bekannt.

Viele Betroffene hätten über mehrere Monate die sogenannte Überbrückungshilfe erhalten. Insgesamt seien dabei fast 182 Millionen Euro ausgezahlt worden, etwa ein Drittel der Geförderten seien internationale Studierende. Die Nothilfe soll Ende September auslaufen.

»Zuletzt hat sich der studentische Arbeitsmarkt wieder merklich erholt, sodass die Antragszahlen auf die Überbrückungshilfe als Zuschuss in den vergangenen Monaten stetig zurückgingen«, erklärten DSW und Bildungsministerium. Daher sei vereinbart worden, das Programm planmäßig nach dem 30. September auslaufen zu lassen. Der Zuschuss sei eine »zuverlässige und zielgerichtete Unterstützung« für Studierende in Not gewesen.

»Strukturelles Problem mit studentischer Armut«

Das bewerten Studierende deutlich kritischer. »Es stimmt, die Überbrückungshilfe hat vielen geholfen – aber dabei wird übersehen, dass ein erheblicher Teil der Anträge abgelehnt wurde«, sagt Iris Kimizoglu vom Freien Zusammenschluss der Student*innenschaften (FZS). Die Begründung sei in aller Regel gewesen, dass die Notlage schon vor der Coronakrise bestanden habe. Das Deutsche Studentenwerk bestätigte auf Anfrage, dass rund 30 Prozent der Anträge abgelehnt worden seien.

»Das zeigt: Deutschland hat ein strukturelles Problem mit studentischer Armut«, sagte Kimizoglu dem SPIEGEL. Trotzdem habe es in den eineinhalb Jahren Pandemie keinerlei politische Anstrengung gegeben, das zu ändern – etwa durch eine umfassende Bafög-Reform. Das sei eine enttäuschende Bilanz.

Auch Jens Brandenburg, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, schloss sich der Kritik an der unzureichenden Studienfinanzierung an. »Bildungsministerin Anja Karliczek hat mit der Überbrückungshilfe für Studierende viel zu spät eine nur unzureichende Antwort auf diese Problematik gefunden«, erklärte Brandenburg. Oft seien die Anträge an Formalia gescheitert, wenn beispielsweise die Kündigung des Nebenjobs nicht ausdrücklich auf pandemiebedingte Gründe verwies. Auch sei das Verfahren viel zu bürokratisch gewesen.

Kritik an der CDU-Bildungsministerin kam auch vom Koalitionspartner SPD. Sie agiere bei der Studienfinanzierung »unglaubwürdig«, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek. Schon vor eineinhalb Jahren hätte ein Notfallmechanismus für Studierende in Not ins Bafög eingebaut werden müssen: »Aber damals hat die Ministerin das vehement abgelehnt – gegen den Rat aller Verbände und Organisationen. Dass jetzt auch noch die Überbrückungshilfe ersatzlos ausläuft, während die pandemische Lage und damit verbundene andere Überbrückungshilfen verlängert werden, ist enttäuschend.«

Die Überbrückungshilfe für Studierende wurde nach langen Diskussionen im Juni 2020 aufgelegt und ist für diejenigen gedacht, die während ihres Studiums zum Beispiel durch einen weggebrochenen Nebenjob in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Überwiesen werden 100 bis maximal 500 Euro pro Monat, wenn per Kontoauszug nachgewiesen werden kann, dass eine pandemiebedingte Notlage besteht. Das Geld muss nicht zurückgezahlt werden.

him/dpa
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