Kritik an Wissenschaftszeitvertragsgesetz an Hochschulen »Kaum zumutbare Arbeitsbedingungen drohen sich weiter zu verschlechtern«

Vorlesung im Audimax der Universität Hannover (Symbolbild): Klagen über Kettenbefristungen und schlechte Arbeitsbedingungen
Foto: Julian Stratenschulte / picture alliance / dpa»Wir sind fassungslos angesichts der Realitätsferne«: Professorinnen und Professoren haben in einem am Sonntag online veröffentlichten Papier die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) kritisiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte den Vorschlag am Freitag vorgelegt. Ziel der bereits im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigten Novelle ist es, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu verbessern.
Aus Sicht der Professorinnen und Professoren führe der Vorschlag aus dem Haus von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu einer »Verschlimmbesserung«. Die »jetzt schon kaum mehr zumutbaren Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen drohen sich noch weiter zu verschlechtern«, schreibt die Gruppe.
Das Gesetz liefert seit 2007 die Rahmenbedingungen zu Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen – von studentischen Beschäftigten über Promovierende bis hin zu Postdocs. Immer wieder gibt es allerdings Klagen über Kettenbefristungen und schlechte Arbeitsbedingungen. Unter dem Hashtag #IchbinHanna berichten Betroffene seit 2021 über prekäre und immer kürzer befristete Arbeitsverhältnisse.
Die Professorinnen und Professoren stoßen sich insbesondere an den geplanten Bedingungen für die Zeit während und nach der Doktorarbeit.
Für Promovierende sieht der Gesetzentwurf vor, dass Erstverträge künftig mindestens drei Jahre betragen. Das ist zwar mehr als bisher, laut den Professoren aber eine unverbindliche Soll-Regelung, eine Promotion (ohne Medizin) dauere im Schnitt 5,7 Jahre. Gleichzeitig sieht der Ministeriumsentwurf eine niedrigere Befristungshöchstgrenze für die Phase nach der Promotion vor – und zwar gesenkt von sechs auf drei Jahre. »Dies kommt einer Nivellierung der Weiterqualifikation nach der Promotion gleich«, schreibt die Gruppe um die Münchner Professorin Paula-Irene Villa Braslavsky.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte, die Verkürzung der Höchstbefristungsdauer von derzeit sechs auf drei Jahre werde im Ergebnis dazu führen, dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler »drei Jahre früher auf die Straße setzen als heute«, da verbindliche Vorgaben für eine Entfristung danach fehlten.
DGB und Ver.di forderten ebenfalls Nachbesserungen. »Eine Mindestlaufzeit für Promotionsverträge von drei Jahren reicht nicht aus«, erklärte Sylvia Bühler, Mitglied im Ver.di-Bundesvorstand. »Es muss verhindert werden, dass gerade in der Abschlussphase Arbeitslosigkeit und damit der Abbruch der Promotion drohen.«
Bessere Arbeitsbedingungen für Studierende
Als Erfolg bewertete Ver.di hingegen, dass es nun für studentische Beschäftigte eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr geben soll. Allerdings will die Gewerkschaft im weiteren Verfahren zwei Jahre erreichen. Diese Regelung gebe es schon im Bundesland Berlin und habe sich bewährt.
Auch die Arbeitsverhältnisse während des Studiums könnten sich durch die Eckpunkte des Ministeriums verbessern, das sie eine Anhebung der Höchstbefristungsdauer von sechs auf acht Jahre vorsehen. Das begrüßte die GEW, da dies verhindern könne, dass Studierende ausgerechnet in der Schlussphase des Studiums auf ihren Job an der Hochschule verzichten müssten.
Ministerium kündigt neue Debatte an
Der Koalitionsvorschlag zur Reform des #WissZeitVG hat eine Diskussion vor allem zur Höchstdauer der PostDoc-Qualifizierungsbefristung ausgelöst, die wir sehr ernst nehmen. Schon unsere Stakeholder-Beteiligung hat gezeigt, dass die Erwartungen hier weit auseinandergehen. … (1/2)
— Jens Brandenburg (@JBrandenburgFDP) March 19, 2023
In den sozialen Medien wurde der Gesetzentwurf am Wochenende scharf kritisiert. Am Sonntagabend kündigte der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg via Twitter an, das BMBF würde die Diskussion »sehr ernst nehmen.« Die Frage der Höchstdauer der Befristung sollte vor Fertigstellung des Referentenentwurfs noch einmal debattiert werden, so Brandenburg: »Wir werden kurzfristig dazu einladen.«