Zugeschaltet aus der Ukraine Selenskyj überrascht Studierende in Köln und Konstanz

Die Veranstaltung wurde bis zuletzt geheim gehalten: Der ukrainische Präsident wurde überraschend einer Uni-Vorlesung zugeschaltet, debattierte 45 Minuten mit den Studierenden. Die zeigten sich danach beeindruckt.
Von Armin Himmelrath, Köln
Wolodymyr Selenskyj beim Videoauftritt an der Uni Köln

Wolodymyr Selenskyj beim Videoauftritt an der Uni Köln

Foto: Armin Himmelrath / DER SPIEGEL

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»Krass«, »beeindruckend«, »der Krieg hat sich noch nie so nah wie heute angefühlt«: Als die Videokonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorbei ist, stehen viele Studierende in der Aula der Universität zu Köln noch zusammen und diskutieren. Eine dreiviertel Stunde lang hat Selenskyj Fragen zur Zusammenarbeit europäischer Hochschulen beantwortet, den Frieden und die Unterstützung anderer Staaten beschworen, auf die Zeit nach dem Krieg geblickt.

Kurz zuvor hatte der ukrainische Präsident sich in Kiew noch mit Ursula von der Leyen getroffen und sich dabei »enttäuscht« über Brüssel gezeigt: Die EU beschränke den Export von Agrarprodukten aus seinem Land. Und dann, kurz nach 16 Uhr, ist er plötzlich da auf der Leinwand der Aula: mit schwarzem Pulli, überlebensgroß und gerade deshalb erkennbar müde.

Neben Köln sind noch neun weitere europäische Unis zugeschaltet, die sich im Netzwerk EUniWell  zusammengeschlossen haben, das sich als europaweite Universität versteht. Aus Deutschland ist als zweite Hochschule die Uni Konstanz dabei. Doch von der gegenüber von der Leyen geäußerten Enttäuschung ist beim Präsidenten jetzt nichts mehr zu spüren: Selenskyj betont wieder und wieder die gemeinsamen europäischen Werte.

Rund 400 Studierende und Uni-Mitarbeitende sind in der Domstadt in die Aula gekommen, obwohl die Universität den Videoauftritt bis zur letzten Minute geheim gehalten hatte. »Bitte posten Sie Fotos und Filme aus Sicherheitsgründen erst nach der Veranstaltung«, hatte die Kölner Prorektorin Beatrix Busse gebeten: Hackerangriffe auf die Videokonferenz sollten damit unterbunden werden. Zum Europatag wolle man, sagte Busse, der Ukraine in einem Akt der Solidarität zeigen: »Wir stehen an eurer Seite.« Und dann sang sie a capella eine kurze Passage aus John Lennons Friedenshymne: »Imagine all the people – living life in peace.«

Gemeinsamkeit als Wert für Studierende

Selenskyj bedankte sich für die Solidarität und betonte, es sei wichtig, dass die Studierenden sich in den Prozess der Einigung Europas und der Gestaltung freiheitlicher Gesellschaften einmischen: »Freiheit ist so wichtig – in den Medien, im Alltag, in der Wissenschaft.« Und er fügte hinzu: »Aber wir müssen für die Freiheit kämpfen.« Die Ukraine sei derzeit die Schutzmauer für die Freiheit in Europa.

Wie denn Hilfe für die Ukraine in der jetzigen Situation konkret aussehen könne – und was man als Studentin oder Student tun könne, wollte eine Teilnehmerin von Selenskyj wissen. Es gehe darum, zu verstehen, dass auch die Menschen in der Ukraine Teil Europas seien, sagte der Präsident: »We are all European citizens.« Und griff dann den musikalischen Impuls von Beatrix Busse auf, indem er die Beatles zitierte: »Eins ist klar: Niemand will ›Back to the USSR‹.«

Joshua Müller-Gerbes, Medizinstudent aus Köln, schaltete sich ebenfalls in die Debatte ein. Er bat Selenskyj um eine Prognose darüber, wie sich der Blick ukrainischer Studierender auf Europa nach dem Krieg verändert haben werde. »In die Frage haben Sie ja ganz schön viel reingepackt«, sagte der Präsident mit leichtem Grinsen und sorgte damit für einige Lacher. Er betonte die Notwendigkeit europäischer Kooperationen auch in der Zukunft: Sie seien essenziell, der Gedanke der Gemeinsamkeit müsse geschützt und ausgebaut werden – das gelte es allen Studierenden, nicht nur in der Ukraine, zu vermitteln.

Ob er mögliche neue Formate zur studentischen Zusammenarbeit in Europa skizzieren könne? Selenskyj gab sich defensiv: Er sei nun mal kein Student, könne da nicht allzu viel sagen. Aber er lade alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Videoschalte in die Ukraine ein, »after the war«.

»Krass, dass er sich die Zeit für uns und diese Diskussion genommen hat«, sagte die Kölner Asta-Vorsitzende Johanna Weidemann nach der Veranstaltung: »Auch wenn man gemerkt hat, dass Bildungspolitik nicht unbedingt sein Schwerpunkt ist.« Und dann fügt sie hinzu: »Der hat aber im Moment auch wirklich anderes zu tun.«

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