Burma-Krise Tausende Leichen verwesen in der Katastrophenzone

Tote treiben im Wasser, Verwesungsgeruch hängt über der Katastrophenzone. Eine Million Überlebende sind ohne Obdach, Essen fehlt - an Tag vier nach dem verheerenden Zyklon wird die Lage in Burma immer schlimmer. Denn ausländische Helfer kommen nicht durch, müssen gegen Behördenwillkür kämpfen.

Rangun - Mehr als 22.000 Tote, Zehntausende Vermisste und ein vollkommen zerstörtes, ausgehungertes Land: Nach dem Zyklon "Nargis" droht Burma jetzt die sanitäre und humanitäre Katastrophe. "Wir schätzen, dass etwa eine Million Menschen obdachlos sind", sagte Uno-Sprecher Richard Horsey in Bangkok. 5000 Quadratkilometer des Irrawaddy-Deltas würden unter Wasser stehen.

Weil das von einer Militärjunta regierte Land weitgehend abgeriegelt ist, kommen die Hilfsmaßnahmen nur sehr schleppend in Gang. Zwar hat das Regime um internationale Hilfe gebeten, es sitzen aber immer noch zahlreiche Helfer im Nachbarland Thailand fest, weil sie kein Visum bekommen. Vor der Botschaft versuchen verzweifelte Mitarbeiter der Organisationen, Visa zu bekommen. Für die Einfuhr von Hilfsgütern werden Genehmigungen verlangt.

"Wir dürfen nicht in die hauptbetroffenen Gebiete in der Region Irrawady-Flussdelta hinein", sagte der Leiter des Malteser-Hilfsdienstes in Asien, Roland Hansen, im ZDF. Dies werde auch von der Uno beklagt. In Burma werde jeder Schritt außerhalb der Hauptstadt kontrolliert, so Hansen.

Für zusätzliche Verwirrung sorge die Tatsache, dass von der Militärregierung bereits erteilte Genehmigungen für internationale Mitarbeiter unerwartet wieder entzogen würden. Die örtlichen Mitarbeiter hingegen könnten unbehelligt arbeiten, berichtete Hansen. "Die Genehmigungen für internationale Helfer sollten aber schneller erteilt werden", so die Forderung.

"Bei einer solch großen Katastrophe ist die Regierung allein sicherlich überfordert", sagte Hansen. Die ohnehin sehr schlechte Gesundheitsversorgung in Burma werde durch die Lage in den Katastrophengebieten "nun noch einmal zugespitzt".

Günter Gloser (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, zeigt sich vorsichtig optimistisch. Für ihn stellt die Abschottung Burmas eine besondere Herausforderung dar. Er sagte im Deutschlandradio Kultur, das Regime in Burma habe eingesehen, dass es Hilfe von außen brauche. "Die Not ist so groß, und die Bevölkerung braucht die Unterstützung." Dieser Druck werde eine großzügige Einreise ermöglichen.

Die Sterbenden sind sich selbst überlassen

Andrew Kirkwood von der Hilfsorganisation Save the Children dagegen klagt über die mangelnde Kooperation der Junta. Obwohl dringend Nachschub an Hilfskräften und Hilfe benötigt werde, warteten die Helfer weiter in Bangkok auf ihre Visa. Die Zustände im Irawadi-Flussdelta seien katastrophal, so Kirkwood.

In einem der abgelegenen Orte habe sein Team Tausende Tote gesehen - "Berge von Leichen", die auf der Straße verwesen. Besorgniserregende Berichte kämen auch aus Pyinkaya, einem 150.000 Einwohner zählenden, schwer zugänglichen Ort im Südwesten des Deltas. Dort sei bis Mittwoch noch keine Hilfe eingetroffen, die Sterbenden seien sich selbst überlassen.

"Überall riecht es nach Verwesung"

Während General Tha Aye im staatlichen Fernsehen erklärte, die Lage im Land normalisiere sich allmählich, geben Augenzeugen ein vollkommen anderes Bild ab. Dem in Oslo ansässigen Oppositionssender "Democratic Voice of Burma" beschrieb eine Bewohnerin des südburmesischen Dorfes Dadaye ihre Flucht aus dem Katastrophengebiet: "Wir haben etwa 40 Leichen gefunden. Sie lagen überall, in den Büschen und in den Flüssen." Alle Menschen, die sie getroffen habe, hätten verzweifelt nach vermissten Angehörigen gesucht. "Überall riecht es nach Verwesung." Mindestens tausend Obdachlose hätten ihren Weg gekreuzt, so die Frau.

CNN-Reporter Dan Rivers ist einer der wenigen Reporter, die derzeit aus Burma berichten können. Er hält sich in Bogalay auf, wo der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge 10.000 Menschen starben. Auf 30 Kilometer seien hier nahezu alle Häuser zerstört. Während das Wetter noch immer sehr schlecht sei, lebten die Menschen in provisorischen Unterkünften. Das rote Kreuz und die Armee seien in der Region unterwegs, bestätigte Rivers.

Sämtliche Lebensmittelvorräte gingen zur Neige, der Reis reiche für gerade einmal fünf Tage. Alle Wasserpumpen seien zerstört, es gebe kaum noch Benzin. Die Leichen würden in die Flüsse geworfen, so Rivers.

Lebensmittelpreise steigen

Schon jetzt sind in der Hauptstadt Rangun die Preise für Lebensmittel und Wasser enorm gestiegen. Auf einem Markt in Kyimyindaing, einem Vorort von Rangun, kostete in Flaschen abgefülltes Wasser umgerechnet 32 Cent, mehr als doppelt so viel wie sonst. Auch der Preis für einen Sack Reis verdoppelte sich, für Speiseöl musste ebenfalls fast doppelt so viel wie bisher bezahlt werden.

Die Internationale Föderation von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond bezifferte die nötige Soforthilfe für die Opfer im Katastrophengebiet auf umgerechnet 3,8 Millionen Euro. "Das Ausmaß der Katastrophe darf nicht unterschätzt werden", sagte die für die Region zuständige Koordinatorin, Christine South.

Rund 24 Millionen Menschen, fast die Hälfte der Bevölkerung, sind von der Katastrophe betroffen. South sagte, das angeforderte Geld sei nur der Anfang. Tausende freiwillige Helfer des Roten Kreuzes seien bereits im Einsatz. Ihnen würden mit dem Geld Notunterkünfte, Wasser und Malarianetze zur Verfügung gestellt.

Das Welternährungsprogramm (WFP) verteilte die ersten Lebensmittellieferungen in Rangun. Großbritannien sagte Finanzhilfen bis zu fünf Millionen Pfund (6,4 Millionen Euro) zu. Die USA wollen die Opfer von "Nargis" mit mehr als drei Millionen Dollar (1,9 Millionen Euro) unterstützen.

"Hinreichend Zeit, Leben zu retten"

"Die Militärjunta in Burma ist für die Tragödie, die der Zyklon 'Nargis' ausgelöst hat, direkt verantwortlich", schreibt die Zeitung "La Vanguardia" aus dem spanischen Barcelona. Sie habe weder die Bevölkerung gewarnt noch Vorbereitungen für eine Evakuierung getroffen. Dies zeigt nicht nur die Unfähigkeit der Militärherrscher in Burma, sondern auch die Verachtung der Junta für die Bevölkerung."

Die indische Meteorologiebehörde (IMD) hat eigenen Angaben zufolge die zuständigen Regierungsstellen in Burma zwei Tage vor dem Eintreffen von "Nargis" vor dem schweren Zyklon gewarnt. Der IMD-Abteilungsleiter für Zyklone, M. Mahapatra, sagte am Mittwoch in Neu Delhi: "Es gab hinreichend Zeit, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Leben zu retten." Seine Behörde habe die Entwicklung des Tiefdruckgebietes in der Bucht von Bengalen seit dem 26. April beobachtet und die Berichte regelmäßig an das Nachbarland weitergegeben.

ala/dpa/AFP/Reuters

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