Clinch nach Airbus-Absturz Komoren kritisieren Frankreich

Heftige Kritik: Nach dem Absturz des Yemenia-Airbus wirft die komorische Regierung Frankreich vor, sie nicht ausreichend über die Unglücksmaschine informiert zu haben. Sie dementierte außerdem französische Berichte, wonach einer der Flugschreiber geortet wurde.

Paris - "Die Franzosen hätten uns informieren müssen über alle Probleme, die dieses Flugzeug hatte", sagte der komorische Vizepräsident Idi Nadhoim am Mittwoch dem Sender France24. "Es wäre für uns einfacher gewesen, wenn Frankreich uns die Liste der Airbus-Flugzeuge mitgeteilt hätte, die nicht zum Fliegen geeignet sind", so Nadhoim weiter. Die abgestürzte Maschine hatte in Frankreich Landeverbot erhalten, nachdem bei ihr 2007 Mängel festgestellt worden waren. Frankreichs Luftfahrtbehörden hatten Yemenia Air und andere europäische Länder darüber informiert.

Dominique Bussereau, französischer Staatssekretär für Verkehrsfragen, sagte laut "Libération": "Wir haben dieses Flugzeug seit einigen Jahren von nationalem Terrain ausgeschlossen, weil wir der Meinung waren, dass es eine Reihe von Unregelmäßigkeiten bei der Ausrüstung aufwies."

Dem Blatt zufolge absolvierte die Unglücksmaschine am 23. März 1990 ihren ersten Flug. Die Maschine war im Besitz von einem halben Dutzend Fluggesellschaften, bevor sie im September 1999 von der Yemenia übernommen wurde. 52.000 Flugstunden und 17.000 Starts und Landungen soll der Airbus auf dem Buckel gehabt haben.

"Wir überprüfen alle Flugzeuge, die hier ankommen, regelmäßig", sagte der Vizepräsident der Komoren. "Wir vertrauen den Luftfahrtbehörden der Länder, mit denen wir zusammenarbeiten." Nadhoim erklärte, die Airbus-Maschinen von Yemenia würden von Airbus gewartet. Ein Sprecher des Flugzeugherstellers hingegen sagte, dass Airbus Fluggesellschaften nur berate und keine Wartung übernehme.

Der aus dem Jemen kommende Airbus A310 war in der Nacht zum Dienstag vor der Küste der Komoren mit 153 Menschen an Bord nach einem missglückten Landeanflug auf die Inselhauptstadt Moroni abgestürzt. Die Komoren, eine ehemalige französische Kolonie, liegen auf halbem Weg von der Küste Ostafrikas zur Nordspitze Madagaskars. Auf den drei Hauptinseln leben etwa 700.000 Menschen.

Auch in Sachen Bergungsarbeiten herrscht offenbar Uneinigkeit zwischen den Ländern. Der französische Staatssekretär für Zusammenarbeit, Alain Joyandet, erklärte, eine Luftpatrouille habe am Dienstagnachmittag rund 40 Kilometer vor der Küste der Hauptinsel Grande Comore das Signal einer Black Box geortet. Am Mittwoch werde ein französisches Schiff mit der Bergung des Flugschreibers der Yemenia-Maschine beginnen, hieß es. Joyandet war kurz nach Bekanntwerden des Absturzes auf die Komoren gereist, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.

Doch die Regierung der Komoren dementierte diesen Bericht am Mittwoch. Der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Abdillah Mougni, sagte zu dem angeblichen Black-Box-Fund: "Das bezweifle ich sehr stark." Er bestritt außerdem Meldungen, wonach bereits fünf Leichen aus dem Wasser geborgen worden seien. Sie seien zwar von Booten aus gesichtet worden, hätten wegen der schweren See aber nicht aus den Fluten des Indischen Ozeans gezogen werden können, korrigierte Mougni. Gefunden worden seien bisher lediglich kleinere Wrackteile und Gepäckstücke.

Am Mittwochnachmittag lenkte Alain Joyandet ein und revidierte seine Angaben vom Vormittag. Die Signale, die ein Militärflugzeug vor der Hauptinsel Grande Comore empfangen habe, stammten "viel wahrscheinlicher" von Rettungsbojen, sagte der Staatssekretär vor Journalisten in Moroni. "Es hat einige Verwirrung gegeben."

Die Rettungsbojen haben die Größe eines überdurchschnittlich großen Handys. Sie befinden sich für gewöhnlich im hinteren Teil des Flugzeugs und schalten sich im Fall eines Absturzes automatisch ein.

Flugzeuge haben in der Regel zwei Flugschreiber, die bei Unfällen Aufschluss über die Absturzursache geben sollen: Den Flugdatenschreiber, der die technischen Daten während des Fluges registriert, sowie den "Voice Recorder", der alle Geräusche und Gespräche im Cockpit aufzeichnet.

Die Absturzursache im Fall des A310 ist bisher unklar. Es gibt zahlreiche Spekulationen, die das Wetter, einen Pilotenfehler oder technische Probleme dafür verantwortlich machen.

Yemenia annulliert Flug

Wie der französische "Figaro" berichtet, hat die Fluggesellschaft Yemenia seit dem Absturz bereits einen weiteren Flug annulliert, der am Mittwoch vom Flughafen Marseille-Provence nach Sanaa starten sollte. Die Flughafenleitung erklärte, Yemenia habe keine Gründe dafür angegeben. "Sehr wahrscheinlich" werde der Flug auf Donnerstag verlegt, hieß es.

Einen Tag nach dem Airbus-Absturz kam es am Mittwoch zu Demonstrationen auf dem Pariser Flughafen Roissy. Wütende Komorer verhinderten den Start einer Yemenia-Maschine in Richtung Sanaa. Die Demonstranten warfen der jemenitischen Fluggesellschaft vor, unsichere Maschinen auf dem Weg zu den Komoren einzusetzen. Die Flughafengesellschaft ADP verlegte den Flug auf ein anderes Terminal. Etwa hundert Passagiere seien unter Polizeischutz in den A330 eingestiegen, berichteten TV-Korrespondenten vom Flughafen.

Ein Passagier, der bei dem Absturz am Dienstag mehrere Freunde verloren hatte, ließ sich sein Ticket auszahlen. Rund 20 andere folgten seinem Beispiel, so dass die Maschine nicht voll besetzt war. "Das Flugzeug ist in gutem Zustand. Das Problem ist der Anschlussflug", sagte i-télé-Korrespondent Marc Fauchoux an Bord des A330.

Viele in Frankreich lebende Komorer nutzen den Ferienbeginn zu einem Heimatbesuch. Bereits vor einem Jahr hatten sie in Frankreich eine Organisation gebildet, um bessere Flugbedingungen bei Yemenia durchzusetzen. Die Flüge von Paris gehen über Marseille nach Sanaa. Dort müssen die Passagiere in ein anderes Flugzeug Richtung Moroni umsteigen.

Gab es weitere Überlebende?

Ein solcher Anschlussflug nach Moroni mit 153 Menschen an Bord führte am Dienstag in den Tod. Bisher konnte nur ein Mädchen lebend geborgen werden. Die aus einem komorischen Dorf stammende Baya wurde völlig entkräftet in der See treibend gefunden. Sie sei in Begleitung ihrer Mutter geflogen, sagte Abdallah Ibrahim von der komorischen Gemeinde in Marseille, wo die 14-Jährige lebt.

Der Vater des Mädchens, Kassim Bakari, erklärte, er habe bereits telefonisch Kontakt zu seiner Tochter aufnehmen können. "Sie konnte nichts fühlen und war plötzlich mitten im Wasser. Sie hörte Menschen sprechen, konnte aber wegen der Dunkelheit niemanden erkennen", sagte Bakari dem Radiosender RTL. Das lässt darauf schließen, dass mehrere der Insassen den Absturz zunächst überlebten.

Bakari beschrieb seine Tochter als "zerbrechlich" und erklärte, sie könne kaum schwimmen. "Sie ist sehr schüchternes Mädchen, ich hätte nie gedacht, dass sie da rauskommen würde." Die 14-Jährige wurde bei dem Absturz offenbar aus dem Flugzeug geschleudert. Derzeit wird sie in einem Krankenhaus der Hauptstadt Moroni behandelt. Dem Roten Kreuz zufolge ist ihr Zustand "nicht beunruhigend".

Demonstration in Paris

In Marseille versammelten sich die Mitglieder der komorischen Gemeinde zu einer Trauerkundgebung. Die Polizei wollte am Mittwoch DNA-Tests bei einigen Familien machen, um die Identifizierung der Absturzopfer zu erleichtern. Auch in La Courneuve in der Nähe von Paris versammelten sich etwa hundert Komorer zum gemeinsamen Gebet für die Absturzopfer.

Einige Teilnehmer kritisierten die jemenitische Fluggesellschaft Yemenia.  "In Paris und Marseille setzen sie den europäischen Normen entsprechende Maschinen ein, aber in Sanaa werden die Passagiere dann in abgehalfterte Flugzeuge mit veralteter Ausstattung gesteckt", sagte Ahmed Abdallah, dessen Nachbarn wahrscheinlich bei dem Absturz ums Leben kamen.

Rettungskräfte setzten am Mittwoch ihre Suche nach möglichen Überlebenden fort. Es sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber die Einsatzkräfte hofften weiter, Insassen der Airbus-Maschine lebend zu finden, sagte eine Sprecherin des Roten Halbmonds. An der Suche beteiligten sich auch 22 Mitarbeiter des französischen Roten Kreuzes.

ala/dpa/AFP
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