Lockerungen bei sinkenden Inzidenzen Was in Ihrem Bundesland jetzt gilt

Restaurantbesuch in Mecklenburg-Vorpommern: Ist das bald wieder möglich?
Foto: Jens Büttner / dpaAlles dreht sich um die Zahl 100. Viele Menschen in Deutschland warten darauf, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in ihrem Kreis für fünf Tage unter eben jenen Wert fällt. Denn dann wird die Bundesnotbremse mit ihren Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen gelockert. Die Infiziertenzahlen sinken und nähern sich in mehreren Bundesländern der Hundertermarke, jeder vierte Landkreis in Deutschland liegt inzwischen unter diesem Wert. Einige Landesregierungen planen generelle Öffnungen, dazu sollen auch Geimpfte bald Erleichterungen bekommen.
Wer will die Coronaregeln wann und wie lockern? Der Überblick.
Schleswig-Holstein
Das nördlichste Bundesland hat die niedrigste Inzidenz. Für Schleswig-Holstein meldete das Robert Koch-Institut am Dienstag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 57, kein Kreis liegt über der Schwelle von 100. Die Notbremse gilt nur noch in den Kreisen Pinneberg und Stormarn. In den meisten Kreisen gibt es keine nächtlichen Ausgangsbeschränkungen mehr, die Außengastronomie sowie der Einzelhandel dürfen unter Auflagen öffnen.
Aufgrund dieser Entwicklungen forderte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zuletzt eine schnelle Regelung für Hotelöffnungen. Beherbergungsbetriebe seien keine Treiber der Coronapandemie, sagte Günther dem »Tagesspiegel« . Denkbar sei beispielsweise, dass geimpfte Eltern mit ihren negativ getesteten Kindern Urlaub in Hotels an der Nordsee machen könnten.
Hamburg
Am Montag hatte der Inzidenzwert unter 100 gelegen, nun liegt er doch wieder darüber. Deshalb sind Lockerungen in Hamburg frühestens in der kommenden Woche möglich. Denn die Landesregierung richtet sich bei der Berechnung der Inzidenz nach eigenen Zahlen, die höher liegen, und nicht nach denen des Robert Koch-Instituts. Laut dessen Zahlen liegt die Inzidenz in der Hansestadt aktuell bei 90.
Am Dienstag beriet der Senat, wie bei sinkender Inzidenz weiter vorgegangen werden soll. Wahrscheinlich ist es, dass zunächst die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen aufgehoben werden. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte allerdings schon am Montag auf NDR Info deutlich gemacht, dass er nicht von einem Tag auf den anderen alles öffnen wolle. Man werde sicher nicht alle Maßnahmen gleichzeitig aufheben, sagte Tschentscher. Denn das sei »ja der Fehler, der in vielen Ländern und in Deutschland insgesamt gemacht wurde«.
Nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen stellte er Sport im Freien, insbesondere für Kinder, wieder in Aussicht. »Aber das wird der Senat entscheiden, sobald wir in dieser Situation sind. Und ich glaube, es ist auf jeden Fall sinnvoll, dass wir eben nicht zu viele Öffnungen gleichzeitig beschließen, sondern in mehreren Stufen vorgehen.«

Die Reeperbahn bleibt weiter leer
Foto:FABIAN BIMMER / REUTERS
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Bayern
Während sich Peter Tschentscher defensiv äußerte, preschte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder trotz einer höheren Inzidenzzahl (140) in seinem Bundesland am Dienstag mit Lockerungsplänen vor. In bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 dürfen ab kommenden Montag die Außengastronomie, Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos unter Hygieneauflagen öffnen. Das beschloss das bayerische Kabinett.
Zu Beginn der Pfingstferien am 21. Mai soll in Regionen mit niedrigen Coronazahlen auch Tourismus wieder möglich sein. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100, sollen Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder öffnen dürfen. Dazu sagte Söder, Bayern sei nicht nur Tourismusland. Es sei auch psychologisch wichtig, eine Perspektive zu haben.
Grundschulen dürfen unterdessen in Bayern wieder für alle Klassenstufen im Wechselunterricht öffnen – bei einer regionalen Sieben-Tage-Inzidenz bis 165. An weiterführenden Schulen gilt dagegen weiterhin der Grenzwert 100.
Am Montag lag knapp ein Drittel der Landkreise und kreisfreien Städte Bayerns über dem Wert 165. Voraussetzung für eine Rückkehr vom Distanz- zum Wechselunterricht ist aber, dass der Wert an fünf Tagen hintereinander stabil darunterliegt.
Niedersachsen
In Niedersachsen wurde der Wert für die Notbremse mit einer aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz von 99 minimal unterschritten. Die Regierung will bald mithilfe eines Stufenplans lockern. Dieser soll in Städten und Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 vom kommenden Wochenende an greifen, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Mehr Möglichkeiten und Freiheiten soll es für Menschen mit einem tagesaktuell negativen Coronatest und für bereits vollständig geimpfte Menschen geben.
Der komplette Einzelhandel soll für diese Gruppen wieder öffnen dürfen. Auch im Bereich Tourismus und Gastronomie soll es erste Öffnungen geben, sagte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Gekoppelt werden solle dies an eine Kontaktnachverfolgung, Zugangsbeschränkungen und ein Hygienekonzept.
Touristische Reisen werden nach diesem Plan für voraussichtlich drei Wochen zunächst nur für Einwohner Niedersachsens möglich. In Hotels, Ferienwohnungen und auf Campingplätzen sind damit zu Pfingsten wieder touristische Übernachtungen erlaubt. Die Gastronomie soll zunächst draußen und zwei Wochen später auch drinnen wieder öffnen können, dort dann mit einer Auslastungsgrenze von 60 Prozent und einer Sperrstunde um 23 Uhr. Auch Kulturveranstaltungen im Freien sollen wieder möglich werden.
Brandenburg
Die Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen erwägt die Öffnung der Außengastronomie in Brandenburg zu Pfingsten. Das teilte die SPD im Namen des Koalitionsausschusses mit: »Die Infektionslage stabilisiert sich weiter«, hieß es. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut RKI aktuell bei 104. »Unter der Voraussetzung, dass sich dieser Trend in den nächsten zwei Wochen fortsetzt, besteht die gute Chance, zu Pfingsten die Außengastronomie zu öffnen.« Auch Öffnungen in den Bereichen Sport, Kultur und Tourismus seien denkbar. »Dabei gilt das Prinzip, außen vor innen zu öffnen und Testkonzepte umzusetzen.« Kulturministerin Manja Schüle (SPD) schlug zudem vor, Open-Air-Veranstaltungen könnten »relativ schnell wieder starten«.
Sachsen
Neben Erleichterungen für Geimpfte plant Sachsen die Öffnung der Außengastronomie und Lockerungen für die Tourismusbranche unter Auflagen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region fünf Tage lang unter 100 liegt. Das sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts. Auf Campingplätzen und in Ferienwohnungen sei dann wieder Urlaub möglich, ab einer Inzidenz unter 50 auch in Pensionen und Hotels. Bei höheren Infektionszahlen greift weiterhin die Notbremse.
Die derzeit niedrigste Inzidenz in Sachsen hat die Stadt Leipzig mit 114,8 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Das RKI gibt die Sieben-Tage-Inzidenz für das Bundesland mit dem Wert 204 an, es ist der zweithöchste in Deutschland.
Thüringen
Thüringen ist das Bundesland mit der aktuell höchsten Sieben-Tage-Inzidenz, dort liegt der Wert laut RKI bei 217. Doch Medienberichten zufolge planen die Verantwortlichen auch dort schon, wie Lockerungen abseits der Notbremse aussehen könnten. Die »Bild«-Zeitung und die Deutsche Presse-Agentur berichten unter Verweis auf einen Entwurf einer neuen Coronaverordnung, dass bei Inzidenzwerten unter 100 die Außengastronomie wieder öffnen könnte. In Thüringen liegt derzeit allerdings kein Kreis unter einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100.
Saarland
Die Notbremse des Bundes hat das sogenannte Saarland-Modell eingeschränkt, das mit einem Testsystem weitreichende Öffnungen ermöglichen sollte. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte Ende April jedoch mitgeteilt, sein Bundesland werde an dem Modell festhalten. Wo die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf Tagen unter dem Wert von 100 liegt, greift das Saarland-Modell, heißt es auf der Internetseite .
Baden-Württemberg
Angesichts einer leicht sinkenden Sieben-Tage-Inzidenz (laut RKI aktuell bei 173) in Baden-Württemberg macht die Landesregierung Hoffnung auf geöffnete Biergärten oder Hotelbereiche. Er könne sich vorstellen, dass dies an Pfingsten in jenen Städten und Kreisen möglich sei, in denen die Corona-Infektionszahlen an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen niedrig seien, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). »Im Freien ist das Ansteckungsrisiko um Faktor 20 geringer. Wenn man das noch mal verbindet mit einer entsprechenden Teststrategie, mit der Vorlage des Impfausweises, wenn man voll geimpft ist, dann kann man da schon Schritte in diese Richtung machen«, sagte er.
Lägen Landkreise und Regionen fünf Tage unter dem Hunderterwert, könne es Möglichkeiten für die Außengastronomie, für Handel und Hotellerie geben, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Außerdem sollten Modelle wie in Tübingen weiter untersucht werden. »Wenn sich das dann 14 Tage bewährt und die Inzidenz sinkt, dann werden wir weitere Bereiche versuchen mit einzubauen und dann weiter zu öffnen«, sagte Lucha. Voraussetzung sei stets ein Rückgang der Inzidenz.
Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat ebenfalls Lockerungen für jene Kreise angekündigt, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert 100 sinkt. Laut MDR plant die Landesregierung ab Montag eine neue Eindämmungsverordnung, nach der viele Lockerungen im Freien, in der Gastronomie, im Tourismus und in der Kultur wieder möglich sein werden. Für Veranstaltungen im Innenbereich solle es neue Modellversuche geben. »Draußen wird vieles möglich und Testen wird zur Bürgerpflicht«, zitiert der MDR Haseloff.
Mecklenburg-Vorpommern
Auswärtige dürfen wieder einreisen: Vollständig geimpfte Tagesausflügler und Zweitwohnungsbesitzer aus anderen Bundesländern dürfen ab Mittwoch nach Mecklenburg-Vorpommern. Touristische Übernachtungen etwa in Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen oder auf Campingplätzen bleiben aber weiterhin untersagt, wie Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) nach einer Sitzung des Schweriner Kabinetts sagte.
Bremen
In Bremen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI bei 123. Wie es weitergeht, sobald die Notbremse gelöst werden kann, ist noch nicht ganz klar. Der Oberbürgermeister von Bremerhaven Melf Grantz (SPD) fordert nun eine Strategie. »In dieser Situation müssen wir auch Lockerungen haben, damit der Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Kultureinrichtungen und die touristischen Attraktionen in Bremerhaven wieder eine wirtschaftliche Perspektive bekommen«, so Grantz in einer Pressemitteilung der Stadt . »Dafür müssen jetzt die rechtlichen Voraussetzungen in der nächsten Sitzung des Senats am kommenden Dienstag geschaffen werden.«
Die Regierungen mehrerer Länder haben noch keine aktuellen Pläne vorgestellt, ob und wie sie lockern wollen, wenn die Notbremse des Bundes nicht mehr greift. Dazu gehören Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Dort liegen die Werte der Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 111 (Berlin) und 154 (NRW). Bis der Inzidenzwert dort dauerhaft unter 100 liegt, könnte es noch dauern. Einige der Länder haben aber bereits Erleichterungen für Geimpfte beschlossen, außerdem werden auch dort bald die vom Bund beschlossenen Erleichterungen gelten.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Aussagen von Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz ergänzt.