Corona-Testpflicht nach dem Urlaub "Uns hätte niemand daran gehindert, direkt nach Hause zu fahren"

Um die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten umzusetzen, hat am größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main ein Testzentrum die Arbeit aufgenommen. Gezwungen wird dort allerdings niemand.
Aus Frankfurt berichtet Lisa Duhm
Reisende stehen am Frankfurter Flughafen für den Coronavirus-Test an

Reisende stehen am Frankfurter Flughafen für den Coronavirus-Test an

Foto: Thomas Frey/ dpa

Thomas Schwabs Tag hat früh begonnen an diesem Samstag. Seit fünf Uhr morgens bereitet der Rettungssanitäter den Ansturm auf den ehemaligen Check-in-Bereich des Frankfurter Flughafens vor. Wo früher Urlauber ihr Gepäck aufgaben, steht jetzt das wohl größte Corona-Testzentrum für Reiserückkehrer in Deutschland. Schwab ist gemeinsam mit seinem Team dafür zuständig, dass der Betrieb läuft.

Seit dem frühen Morgen hat der 41-Jährige Schutzanzüge und Testkits bereitgelegt, Handschuhbestände überprüft, Ventilatoren aufgestellt. "Wir sind gut vorbereitet", sagt Schwab. Rund 2500 Urlauber aus Risikogebieten sollen an diesem Tag in Frankfurt landen. Für alle hält Schwab einen Test bereit - denn seit diesem Samstag ist der Pflicht.

Von nun an gilt die Regel: Wer aus einem Risikogebiet einreist, muss einen Coronatest machen. Viel diskutiert wurde der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn, schnell wurde Kritik laut: Der CDU-nahe Wirtschaftsrat forderte ein generelles Verbot privater Reisen in Länder mit hohen Corona-Fallzahlen - Politiker von SPD und FDP lehnten dies ab. Die deutsche Wirtschaft wiederum warnte vor zunehmenden Beeinträchtigungen von Geschäftsreisen durch weltweite Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie.

Eine Welt mit Pandemiestatus

Am Frankfurter Flughafen reagierte man pragmatisch auf die Ankündigung - und errichtete innerhalb kurzer Zeit das Covid-19-Testcenter. Hier zeigt sich nun die neue Realität einer globalisierten Welt mit Pandemiestatus.

"Wir machen eine neue Kabine auf", ruft Schwab seinen Kollegen zu. Eine Maschine aus Ägypten ist gelandet, zusätzlich kommen Reisende aus Kenia an – und schon wird die Schlange vor den Testkabinen lang.

Rund 30 Mitarbeiter sind von 5:30 Uhr bis nachts um 23 Uhr im Einsatz, um die Aufgabe zu bewältigen. Zusätzlich unterstützt zur Einführung der Testpflicht auch die Bundeswehr: 100 Einsatzkräfte sollen sicherstellen, dass vor allem in der Kommunikation mit den Behörden alles reibungslos funktioniert.

Es herrscht Flughafenatmosphäre: Absperrbänder teilen die Halle in Wartebereiche, die Rückkehrer werden von einer Schlange in die nächste geschleust, über allem liegt das Surren der Ventilatoren. 37 Grad sind für heute angekündigt - und im Testzentrum steigt schon jetzt die Temperatur. Besonders im Vollschutzanzug wird die Arbeit dann zur Qual.

Thomas Schwab, Rettungssanitäter

Thomas Schwab, Rettungssanitäter

Foto: Lisa Duhm/ DER SPIEGEL

Auch für Dimitrij, 30, und Oksana, 32, begann dieser Tag früh. Mitten in der Nacht zum Samstag machte sich das Paar auf den Weg zum Flughafen. Sie hatten den Urlaub mit den beiden Söhnen, vier und ein Jahr alt, in Bulgarien verbracht.

"Dass wir uns testen lassen müssen, haben wir sehr kurzfristig und nur durch Eigeninitiative erfahren", sagt Dimitrij. Eigentlich habe Bulgarien nicht als Risikogebiet gegolten. Doch als er gegen Mitternacht noch einmal die Reisewarnungen durchsah, stand das Land mit auf der Liste, erzählt Dimitrij.

Jetzt stehen die beiden mit Koffern, Kinderwagen und Taschen in der Schlange für die Registrierung. Oksana, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden, schaut ihren Mann aus müden Augen an. Erfreut wirken beide nicht, dass sie nach der anstrengenden Reise nun auch noch zum Test antreten müssen. Stück für Stück schieben sie sich voran.

"Uns hätte niemand daran gehindert, direkt nach Hause zu fahren", sagt Dimitrij. Aber der Test sei nun mal Pflicht. Sobald sein Testergebnis vorliegt, müsse er sich damit beim Auswärtigen Amt melden. So soll sichergestellt werden, dass Dimitrij und seine Familie auch tatsächlich einen Test absolviert haben.

"Wir haben hier ein konkretes Problem mit messbaren Fallzahlen und Toten. Darauf müssen wir nun mal reagieren"

Thomas Schwab, Rettungssanitäter

Probleme mit Testverweigerern habe er bisher nur zwei Mal gehabt, erzählt Rettungssanitäter Schwab. Die Männer hätten sich lautstark beschwert, dass die Regierung sie angeblich zum Test zwinge – und dann angefangen, von Verschwörungstheorien zu reden. Beide Fälle ereigneten sich, noch bevor die Pflicht zum Test in Kraft trat.

"Ich sage solchen Leuten, dass mir unwichtig ist, ob ihre Theorien stimmen. Wir haben hier ein konkretes Problem mit messbaren Fallzahlen und Toten. Darauf müssen wir nun mal reagieren", sagt Schwab. Am Ende hätten beide Querulanten ihren Test gemacht.

Auch an diesem Tag bleibt es trotz der neuen Pflicht ruhig: Die Urlauber fügen sich ihrem Schicksal, nur eine Frage hört Schwab immer wieder: "Tut der Test weh?"

Tatsächlich haben Urlauber aus Risikogebieten drei Tage Zeit, sich nach ihrer Rückkehr auf das Virus testen zu lassen. Niemand muss am Flughafen direkt zum Coronatest.

Linda B., 42., nutzt diese Regelung. Vor zwei Tagen kam sie mit ihren drei Töchtern aus dem Urlaub zurück, spät in der Nacht. Heute nun ist sie erneut zum Flughafen gekommen, um das kostenlose Testangebot zu nutzen. Nächste Woche steht ein Besuch bei der Mutter an, da wolle sie kein Risiko eingehen, sagt B.

In der Testkabine begrüßt sie ein DRK-Mitarbeiter in weißem Vollschutz, nur seine Augen sind zu sehen. "Ich beiß' nicht, ich seh nur doof aus", sagt er zu den Kindern. Beim Rachenabstrich, den er bei der Mutter macht, schauen die drei Mädchen interessiert zu. Dann sind sie selbst dran. "Ist gar nicht schlimm", ermuntert Leila, zehn, ihre jüngeren Geschwister.

DRK-Mitarbeiter in der Testkabine

DRK-Mitarbeiter in der Testkabine

Foto: Lisa Duhm/ DER SPIEGEL

Als die Familie die Tests hinter sich gebracht hat, kommt Schwab in die Kabine. "Einmal wechseln, bitte", sagt er zu seinem Kollegen, der die Abstriche macht. Die Mitarbeiter in der Teststation rotieren ständig auf ihren Positionen, jeder sitzt mal an der Registrierung, dann wieder in der Kabine und nimmt Abstriche. Länger als eine Stunde hält es kaum jemand in den Schutzanzügen aus, die an jeder Öffnung mit Klebeband gesichert sind. "Ich muss darauf achten, dass die Leute ihre Pausen einhalten", sagt Schwab.

Eine richtige Bezeichnung für seinen Job hier gebe es gar nicht, erklärt er dann. "Ich bin Vorarbeiter und Laufbursche", sagt er und grinst unter der FFP2-Maske. Wie so vieles ist auch Schwabs Position improvisiert. Per Mail hatte das Rote Kreuz, das die Station unter Aufsicht der hessischen Gesundheitsbehörde betreibt, händeringend nach Freiwilligen gesucht.

Jetzt arbeitet Schwab unter anderem mit ehemaligen Mitarbeitern des Limousinenservice für Fluggäste der ersten Klasse zusammen – ihr eigentlicher Job fiel durch die Pandemie weg. In der Kabine nebenan nimmt Hanna Müller, 19, Abstriche von Rückkehrern. Sie machte gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr, als der Aufruf vom DRK kam. Heute ist ihr erster Tag in der Teststation.

Dimitrij und Oksana haben sich inzwischen an den Anfang der Schlange vorgearbeitet. "Endlich", seufzt Dimitrij. Gemeinsam darf die Familie die Testkabine betreten. Ihren jüngsten Sohn nimmt Oksana zum Test auf den Schoß. Er beginnt zu weinen, als ihm der Mitarbeiter das Teststäbchen in den Rachen schiebt.

Nach zwei Minuten hat die Familie den Test hinter sich gebracht, innerhalb von 24 Stunden sollen sie ihr Testergebnis per Mail erhalten. Nun können sie nach Hause – bis nach Nürnberg geht es noch einmal weiter mit dem Zug.

Thomas Schwab überprüft derweil seinen Schrittzähler: 21.300 Schritte hat er am heutigen Samstag schon gemacht, und es ist gerade erst Mittag. Corona habe seinen Arbeitsalltag trotzdem kaum verändert, findet Schwab. "Ich arbeite weiterhin an fünf Tagen in der Woche für die Gesundheit von Menschen", sagt er. Dann muss er weiter. In Kabine fünf werden neue Testkits gebraucht.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten