Ermittlungen gegen Queer.de Darf Benedikt XVI. posthum als homophober Hetzer bezeichnet werden?

Papst Benedikt XVI. zu Lebzeiten: Vorwurf der Queerfeindlichkeit
Foto: A3483 Matthias Schrader/ dpa»Wegen des Artikels ›Mit Ratzinger starb einer der größten queerfeindlichen Hetzer‹ ermittelt die Polizei Berlin gegen unsere Redaktion.« Dies berichtet das Portal Queer.de in eigener Sache.
Ein Polizeisprecher bestätigte in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Meldung. Man untersuche den Verdacht auf »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener«.
Der am 31. Dezember erschienene Nachruf hatte kolportiert, das Markenzeichen des verstorbenen Papst emeritus Joseph Ratzinger sei »Homohass« gewesen. Noch am Silvestertag sei die Anzeige gegen Queer.de gestellt worden, sagte der Polizeisprecher.
Queer.de-Herausgeber Micha Schulze blieb in einem Artikel vom Montag bei der umstrittenen Einordnung.
Schon als Chef der Glaubenskongregation habe Ratzinger Homosexualität als »eine objektive Unordnung« bezeichnet, die »in moralischer Hinsicht Anlass zur Sorge« gebe. Ein Schwerpunkt seines Pontifikats sei der Kampf gegen die rechtliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren gewesen.
Schulze erklärte, der Polizei freiwillig keine Auskünfte erteilen zu wollen. »Bereits die Vorermittlungen und die Annahme eines Anfangsverdachts gehen deutlich zu weit«, schrieb er auf dem Portal. Sein Vertrauen in den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Deutschland sei aber groß genug. Er kündigte an, eine Anwaltskanzlei einzuschalten.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) appellierte an die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen umgehend einzustellen. »Langatmige Ermittlungen oder eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wären ein Angriff auf die Pressefreiheit«, schrieb Landesgeschäftsführer Jörg Reichel auf Twitter.
Konservative katholische Geistliche sehen das vermutlich anders. Der hochumstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beklagte am Wochenende, so mancher habe sich nach Benedikts Tod berufen gefühlt, dessen Amtszeit theologisch wie kirchenpolitisch einzuordnen und zu beurteilen. »Nicht wenige folgten dabei den heute gängigen Mustern weltlicher und kirchlicher Kritik vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Sicht auf das, was Kirche ist oder wie sie sein sollte oder wie sie nach ihrer Ansicht auf jeden Fall zu sein hätte.« Nach diesen Maßstäben könne der verstorbene Papst emeritus aber nicht beurteilt werden, so Woelki.
Benedikt XVI. war im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben. Queer.de ist laut eigenen Angaben mit rund 1,5 Millionen Besuchern im Monat das reichweitenstärkste deutsche LGBTIQ-Onlinemedium.