Deutsches Liedgut Schwarz-gelb ist die Haselnuss
Berlin - Die deutsche Volksmusikszene könnte vor einem ungeahnten Höhenflug stehen, sollten Heino und Angela Merkel gemeinsam Ernst machen. Der Enzian-Sänger meldet sich freiwillig zum Dienst an der abendländischen Kultur. "Selbstverständlich stünde ich als überparteilicher Parlamentsbeauftragter für das deutsche Volkslied zur Verfügung", sagte der 66-jährige Sänger der "Bild"-Zeitung. Heino berief sich damit auf eine Forderung Angela Merkels, deutsches Liedgut wieder verstärkt zu pflegen. In einem Interview mit der "FAZ" mahnte sie am Montag zum bewussteren Umgang mit den heimischen Volksweisen. Es fehle den Deutschen "die Kenntnis der vierten und fünften Liedstrophe". Heino ist voll des Lobes für die Kanzlerkandidatin und kündigte schon einmal in einem Interview mit der Illustrierten "Max" an, bei der nächsten Wahl für die CDU stimmen zu wollen.
Bei Willi Zylajew, CDU-Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, rennt Heino mit seinen Ambitionen offene Türen ein: "Ich habe mit meinen fünf Kindern immer gesungen", so Zylajew, "das ist doch schön, zum Beispiel auf einer langen Autofahrt." Sogar seine beiden Enkelkinder seien inzwischen schon mit Inbrunst dabei, erklärt der CDU-Mann, "und das eine ist erst zwei Jahre alt." Allerdings erstreckt sich Zylajews Repertoire nicht nur auf die klassischen Volkslieder, auch Zeitgenössisches werde gern geschmettert. "Wissen Sie, ich komme aus dem Rheinland, die 'Bläck Fööss' und 'De Höhner', kennen Sie die? Das ist auch deutsches Liedgut."
Zylajews Parteikollegin Erika Steinbach sucht die Ursache für die kümmerlichen Liederkenntnisse deutscher Schüler bei den Eltern. "Das fängt ja schon in den Familien an. Dort müssen die Kinder schon mit Melodien in Berührung kommen." Die 62-jährige Christdemokratin findet die Idee eines Volkslied-Beauftragten "grundsätzlich gut". Wenn sich der Richtige fände, "dann kann es sehr hilfreich sein. Es hängt viel damit zusammen, dass die Thematik wieder bewusst gemacht wird". An den Spekulationen um Heino und dessen Anspruch auf einen solchen Posten möchte sich Frau Steinbach freilich nicht beteiligen.
Ähnlich die Reaktion bei der CSU: Den christsozialen Politikern ist die Pflege des Brauchtums schon immer ein Anliegen gewesen. "Wir sind ja in Deutschland a bissl krank, was den Umgang mit unserer eigenen Kultur angeht", sagt Wolfgang Zeitlmann, CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Arbeitskreises für Kultur und Medien in seiner Partei. Man solle die Lehrer anhalten, "den Schülern das deutsche Kulturgut näher zu bringen". Auch gegen einen Volkslied-Beauftragten sei "grundsätzlich nichts einzuwenden", sagt Zeitlmann und lacht. "Es muss ja nicht gerade Heino sein".
Doch nicht jeder ist von der sich abzeichnenden Sänger-Allianz begeistert. "Ich singe selbst sehr gern", sagt Siegmund Ehrmann, Bundestagsabgeordneter der SPD und Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien, "aber wenn Frau Merkels Aussage die kulturpolitische Forschung der CDU widerspiegelt, dann ist das schon sehr schlicht." Generell müsse die kulturelle Bildung breit angelegt werden und sei nicht auf deutsches Liedgut zu reduzieren. "Das führt ja zurück in den Muff der sechziger Jahre", so Ehrmann.
Ehrmanns Parteigenossin Monika Griefahn zeigt sich ebenfalls wenig angetan von Angela Merkels kulturpolitischer Vision. "Das ist schon sehr mager", so Griefahn, und "entspricht nun wirklich nicht den Aufgaben, die Bundeskulturpolitik leisten muss."
Dabei haben Liebhaber klassischer Volksweisen bereits jetzt eine Anlaufstelle im politischen Berlin. Jeden Mittwoch trifft sich der Chor des Bundestags zu Gesangsproben unter der Leitung von Zarko Bulajic. Der studierte Musikwissenschaftler arbeitet in der Kleiderkammer des Bundestages und hat im Jahr 2001 den dahindümpelnden Parlaments-Chor wiederbelebt.
Die "Musikgemeinschaft des Deutschen Bundestages" rekrutiert sich aus Mitarbeitern der Abgeordnetenbüros und der Verwaltung, habe allerdings wenig mit Heino gemein. "Der Begriff Volksmusik muss sehr weit gefasst werden", so Bulajic, "auch Brahms hat Volkslieder geschrieben." Vom miefig-altbackenen Image, das der Volksmusik hierzulande bisweilen anhaftet, will der Serbe nichts wissen, schließlich sei gute Musik zeitlos. Manchmal ist sie vielleicht sogar ihrer Zeit voraus. Für die nächste Chorprobe steht die "Fuge aus der Geographie" von Ernst Toch auf dem Programm. Das Stück aus dem Jahr 1930 ist eine Art Sprechgesang. Im Grunde also eine frühe Form des Rap.