Debatte zur Entkriminalisierung Länder streiten über Schwarzfahrer

Fahrkartenkontrolle in Hamburg
Foto: Daniel Reinhardt / picture alliance / Daniel Reinhardt/dpaDie Länderjustizminister streiten, ob die Strafbarkeit des Schwarzfahrens noch zeitgemäß ist. Wer ohne Fahrschein fährt, dem kann wegen des "Erschleichens von Beförderungsleistungen" im Wiederholungsfall sogar eine Freiheitsstrafe drohen.
Mehrere Länder, darunter Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Brandenburg, wollen nach Informationen des SPIEGEL den Strafparagrafen aufweichen oder streichen. "Ich bin dafür, dass Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Das Strafrecht ist offensichtlich kein geeignetes Instrument, um solche Delikte zu verhindern", sagt Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke). (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)
Auch sein Thüringer Kollege Dieter Lauinger (Grüne), Vorsitzender der Justizministerkonferenz, zweifelt an der "Sinnhaftigkeit" von Freiheitsstrafen für Schwarzfahrer, heißt es aus seinem Hause. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte bereits kurz vor Beginn seiner Amtszeit Anfang Dezember 2016 vorgeschlagen, wiederholtes Schwarzfahren nicht mehr als Straftat zu verfolgen. Die Minister von NRW, Peter Biesenbach (CDU), und Hamburg, Till Steffen (Grüne), nennen als Argumente für eine Reform die hohen Justizkosten und Gerechtigkeitsgründe - Verkehrsbetriebe sollten wirksame Zugangskontrollen einführen.
"Man würde den Ehrlichen zum Dummen machen"
Widerstand leisten unter anderem Bayern und Hessen. Die Reformpläne wären "eine Kapitulation des Staates vor den Massendelikten", warnt Hessens Ministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). "Schwarzfahren muss weiter strafbar bleiben, denn eine Entkriminalisierung würde weder zu einer Entlastung der Justiz noch zu mehr Sicherheit und Prävention führen. Man würde den Ehrlichen zum Dummen machen. So verliert der Rechtsstaat seine Glaubwürdigkeit und damit seine Akzeptanz."
Auch Barbara Havliza (CDU), einst Richterin am Düsseldorfer Oberlandesgericht und aktuelle niedersächsische Justizministerin, hatte jüngst im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE auch in Bezug auf Schwarzfahren gesagt, sie sei "entschieden dagegen, Justiz und Polizei zu entlasten, indem man Kriminalität bagatellisiert". Das wäre "ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat".
In die Debatte über eine Entkriminalisierung hatte sich Anfang Januar auch Jens Gnisa eingeschaltet. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes regte an, den Straftatbestand des Schwarzfahrens zu überprüfen. Zugangskontrollen der Betreiber seien der beste Weg, um Schwarzfahrten mit Bahnen und Bussen effektiv zu verhindern und die Strafjustiz zu entlasten. "Wenn sie das aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht tun, dann darf nicht der Steuerzahler als Lückenbüßer herhalten." Dieser Ansicht ist auch der Deutsche Anwaltverein.
Schwarzfahrer landen nicht nur im Gefängnis, weil sie wiederholt ohne Ticket erwischt wurden. Sondern auch, weil sie wegen Schwarzfahrens zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht bezahlen können oder wollen. In solchen Fällen müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.