Riskante Sexspiele Tödliche Selbstbefriedigung
In Deutschland sterben Schätzungen zufolge jedes Jahr Dutzende Menschen bei riskanten Selbstbefriedigungs-Praktiken. Man gehe davon aus, dass es pro eine Million Einwohner ein bis zwei Fälle im Jahr gebe, sagte der Rechtsmediziner Harald Voß der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings sei die Dunkelziffer hoch, oft würden Fälle nicht bekannt, etwa weil Angehörige sich schämten. Eine Zahl von 80 bis 100 Fällen, die in Artikeln dazu oft auftauchen, sei daher realistisch.
Hinweise auf einen Unfall bei der Selbstbefriedigung seien zum Beispiel: ein entblößtes Geschlechtsteil, Pornobilder, ein Spiegel in der Nähe, Fesseln, die selbst angebracht worden sein können, Folientüten über dem Kopf - und wenn der Mensch alleine in einem geschlossenen Raum war und keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat.
Der häufigste Hintergrund bei autoerotischen Todesfällen sei Lust durch Sauerstoffmangel, Hypoxyphilie genannt. Dabei schnüren sich Menschen während der Selbstbefriedigung absichtlich die Luft ab. "Man vermutet, dass Sauerstoffmangel euphorisierend wirkt und zusammen mit einem Orgasmus soll es absolut Wahnsinn sein", sagt Voß. Man gehe davon aus, dass es im Gehirn zu einem Dopaminschub komme, ähnlich wie bei einem Drogenrausch. Auch Jugendliche probierten die Praxis schon aus. Das Phänomen ziehe sich durch alle Altersgruppen.
Todesfälle Carradine und Hutchence bekannte Beispiele
Einer dieser Fälle ereignete sich Ende Dezember in Hessen, als ein Mann aus Essen tot in seinem Keller gefunden wurde. Den Ermittlungen der Hanauer Staatsanwaltschaft zufolge erstickte er. Der Mann sei am ganzen Körper und am Hals mit Ketten gefesselt gewesen. Man gehe von einem autoerotischen Todesfall aus - also einer tödlichen Selbstbefriedigung. Anhaltspunkte für fremde Gewalteinwirkung gebe es nicht.
Bekannte Fälle sind "Kill Bill"-Schauspieler David Carradine, der 2009 stranguliert in einem Kleiderschrank gefunden wurde, und INXS-Sänger Michael Hutchence, der 1997 an einem Gürtel stranguliert in einem Hotelzimmer entdeckt wurde. Über Carradine sagte eine Gerichtsmedizinerin damals: "Er starb, nachdem er sich selbst befriedigt hatte." Im Fall von Hutchence widersprach seine Lebensgefährtin dem Gerichtsmediziner, dass es Selbstmord gewesen sei und sprach von einem missglückten Sexspiel. Bis heute ist der Fall unklar.
Angehörige, die die Leiche finden, räumten manchmal Dinge weg, weil die Scham so groß sei, berichtet Rechtsmediziner Voß. Dabei gehe es nicht immer nur um Hypoxyphilie. Eine alte Frau in Halle etwa habe mal ihren Sohn mit den Klemmen von Weihnachtsbaumlichtern an den Brustwarzen gefunden und die Lichter weggeräumt, bis der Notarzt gekommen sei. Verbrennungen am Körper hätten Voß aber stutzig gemacht. Die Frau habe dann eingeräumt, wie sie den Mann vorfand. Er hatte versucht, sich durch Stromschläge zu stimulieren.
Risiko wird oft unterschätzt
Meist seien Männer die Opfer autoerotischer Todesfälle, sagt er. "Das gibt es auch bei Frauen, aber es kommt seltener zum Tod, weil Frauen offensichtlich vorsichtiger sind und nicht so viele Raffinessen einbauen." Tatsächlich scheinen manche viel Fantasie zu haben: Mit fünf Vorhänge-Schlössern soll der Mann aus Hessen laut "Bild" seine Würgevorrichtung gesichert haben. Um sich zu befreien, hätte er sie in der richtigen Reihenfolge öffnen müssen.
Auch ein Todesfall aus Hamburg klingt bizarr: Ein Mann soll sich laut "Frankfurter Rundschau" mit Scheiblettenkäse belegt, eine Nylonstrumpfhose über den Oberkörper gezogen und einen Plastikregenmantel angezogen haben, in einen Taucheranzug gestiegen sein und sich dann mit einer Plastiktüte über dem Kopf vor die eingeschaltete Heizung gesetzt haben.
Offenbar wird das Risiko oft unterschätzt. "Dass man bewusstlos wird, geht schneller als die Leute denken. Wenn zum Beispiel beide Halsschlagadern abgepresst werden, dauert es maximal 30 Sekunden", sagt Voß. Zugleich sei der Reiz groß: Das Gefühl der Ohnmacht oder der Gefahr steigere sicher das Empfinden.
Die Bandbreite der autoerotischen Praktiken ist groß: Neben Sauerstoffmangel und Stromschlägen spielt auch der Staubsauger eine Rolle. "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern" lautete der Titel einer Dissertation des Urologen Michael Alschibaja Theimuras aus dem Jahr 1978.