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SHOWGESCHÄFT »Ein Zwölfer im Lotto«

Nach Supermodel Claudia Schiffer und TV-Star Arabella Kiesbauer betreut der Münchner Medienmanager Christian Seidel nun auch Prinzessin Diana - er verfilmt ihr Leben.
aus DER SPIEGEL 50/1997

Verlierer müssen draußen bleiben. Das hat Tradition im klassenbewußten England, und die Betreiber des St. James's Club tun alles, damit Ungebetene erst gar nichts erfahren vom exklusiven Haus, das nur Mitgliedern und deren Gästen eine Heimstatt bietet. Das viktorianische Stadtpalais im Herzen von London versteckt sich in einer Sackgasse unweit von Green Park, Ritz und Piccadilly, und nur ein kleines Schild über dem Portal weist den Weg ins Wohnzimmer der Gewinner.

Reiche Amerikaner, noch reichere Ölscheichs und Filmstars wie Robert De Niro fühlen sich in den Clubsesseln beschützt vor dem Schmutz der Straße. Auch Prinzessin Diana schaute öfter herein, wenn Langeweile sie plagte.

Die Prinzessin ist tot, und seit ihrem Tod kommt sich der Münchner Medienmanager Christian Seidel, schon seit 1991 Mitglied im Club, manchmal vor wie ein Hollywood-Mogul. Die Cohíba-Zigarre im Mund, hält er nun hof im noblen Club und macht das, was er »Deals aufreißen« nennt. Er knüpft Kontakte, stets auf der Suche nach Informationen und Ideen, die sich vielleicht einmal zu Geld machen lassen, und deswegen hat er sich heute auch mit dem Diana-Fotografen Mark Saunders verabredet.

Seidels Prinzip: »Immer einen Tick schneller sein«. Einen Tag war Diana tot, da saß er schon im Flieger nach London, um sich die Kino-Rechte an Andrew Mortons umstrittenem Bestseller »Diana - Ihre wahre Geschichte in ihren eigenen Worten« zu sichern - für rund 1,6 Millionen Mark. Zwei Wochen später zeigte er Freunden, mitten auf der Leopoldstraße in Schwabing, den Vertrag - ein zerknülltes Stück Papier. »Das ist kein Sechser im Lotto«, rief er, »das ist ein Zwölfer.«

Seitdem gilt Seidel, 38, in Deutschland als Mann, der den einzig wahren Diana-Film produziert - mit einem Budget von mehr als 30 Millionen Dollar und, so hofft er, Julia Roberts als Diana und Mickey Rourke in einer Nebenrolle. Zahlen und Namen machen Seidel sichtlich Freude.

Es war ein langer Weg zum Filmproduzenten: Anfang der achtziger Jahre spielte er in Fernsehkrimis die Bösewichte in den Nebenrollen. Dann fand Seidel, der auch als Journalist für »Quick« und »Neue Revue« gearbeitet hatte, Erleuchtung beim Bhagwan in Oregon. Später wimmelte er für Topmodel Claudia Schiffer lästige Presseleute ab und brachte Talkshowmoderatorin Arabella Kiesbauer in die Schlagzeilen. Jetzt ist er selbst die Nachricht. Schließlich, glaubt Seidel, warten Millionen auf den ersten Diana-Film.

Es wird nicht der einzige bleiben. Allein in den USA sind vier TV-Filme über die Königin der Herzen in Vorbereitung. Aber Seidel glaubt der Konkurrenz voraus zu sein. »Was wir erzählen, ist wahr«, sagt der selbstgemachte Impresario. »Diana hat gesagt: XJawohl, so war es.' Das ist unschlagbar.« Bei Marilyn habe es das nicht gegeben, nicht bei Ché und auch nicht bei JFK.

Und weil Seidel weiß, daß tote Legenden schöner strahlen, wenn die Menschheit rätselt, warum sie strahlen, soll auch der Diana-Film das Rätselhafte an der Prinzessin nicht enthüllen. Es muß, so hat er es mit seinem Partner, dem Hollywood-Produzenten Martin Poll ("Der Löwe im Winter"), besprochen, ein Film werden, der Diana als Medienstar feiert, aber auch als Opfer der Medien darstellt.

Das ist eine Welt, in der sich Seidel bestens auskennt. Kein Gut und kein Böse gibt es dort, nur gute oder schlechte Deals, und der Fotograf, mit dem er sich an diesem Nachmittag verabredet hat, scheint ein ganz besonders schlechter Deal zu sein. Zehn Jahre lang hatte der Paparazzo die Prinzessin verfolgt, und so manchen Abend mußte er draußen vor der Tür des St. James's Club auf sein Opfer warten. Der Tod der Prinzessin aber eröffnete auch Saunders eine neue Karriere: Als reuiger Sünder verkauft er nun seine Vergangenheit mit Diana. Auch eine Geschäftsidee.

Immer wieder ist Saunders gegen gutes Geld in Talkshows aufgetreten - er fühle sich mitschuldig an Di's Tod und habe deshalb aufgehört mit dem dreckigen Job. Das allerdings hinderte ihn nicht daran, den Tonbandmitschnitt eines Streits zwischen ihm und einer weinenden Diana für 140 000 Dollar an US-Medien zu verkaufen und nun auch Seidel einreden zu wollen, daß niemand sie besser gekannt habe als er.

Der Handel kommt nicht zustande. Kein Interesse, sagt Seidel. Er mag keine traurigen Verlierer wie Saunders, der schon morgens zum Frühstück Wodka-Cola trinkt und von einer Zukunft als Schriftsteller träumt. Immerhin ist Seidel froh darüber, daß er einem Journalisten jemanden vorführen kann, der wirklich miese Geschäfte macht mit dem Tod der Prinzessin.

Seit etwas mehr als zehn Jahren spielt er den Strippenzieher. Seine Firma Christian Seidel Communications beschäftigt 20 Mitarbeiter, und seine Kunden - Verlage, Fernsehsender und Prominente - können nicht behaupten, daß er keine Einfälle hätte, um neue TV-Sendungen, Zeitschriften oder Nachwuchssternchen in die Schlagzeilen zu bringen.

Zur Markteinführung des deutschen »Esquire« beispielsweise ließ Seidel einen Häuptling aus dem brasilianischen Urwald einfliegen und ihm vom damaligen Umweltminister Töpfer den Esquire-Umweltpreis überreichen. Die Sängerin LaToya Jackson plazierte er samt Boa constrictor in eine Frank-Elstner-Show, um der Welt bekanntzugeben, daß sich die Schwester von Michael Jackson für den »Playboy« ausgezogen hatte. »Scarlett«, den Fernsehnachfolger des Hollywood-Klassikers »Vom Winde verweht«, brachte er lange vor Ausstrahlungstermin für Sat 1 in die Schlagzeilen, indem er einen Casting-Wettbewerb ausrief. Tausende deutscher Mädchen und Hausfrauen meldeten sich in der Hoffnung, im Film ihrer Träume die Hauptrolle übernehmen zu dürfen.

Natürlich bekam eine englischsprechende Schauspielerin, Joanne Whalley-Kilmer, die Rolle, und der Sender - Seidel war im Auftrag Leo Kirchs tätig - verlor an Glaubwürdigkeit. Auch seine Ideen für die Magazine blieben langfristig folgenlos. Einzig Seidel hatte sich einen Namen in der Branche gemacht - als unseriöser »PR-Desperado« ("Medien-Bulletin"), der keine Rücksicht auf Verluste nimmt.

»Es darf nicht passieren, daß nichts passiert«, erklärt er sein Kalkül. »Jeden Tag erscheinen die Zeitungen,wird die Tageschau ausgestrahlt, und sie alle brauchen einen Aufmacher. Passiert etwas weniger, so ist das meine Lücke.« Und er sagt auch: »Die Medien sind ein einziger großer Spielplatz, ein Jahrmarkt, der größte, den es gibt auf dieser Welt, und immer wieder muß man sich etwas Neues und Faszinierendes einfallen lassen, um dabeizusein.«

Sein teuerstes Spielzeug heißt Claudia Schiffer. Die hatte er 1988 kennengelernt, als er das Topmodel für eine Fernsehshow engagierte, später organisierte er ihre deutsche Pressearbeit. Die Geschäftsbeziehung endete im vergangenen Jahr nicht besonders friedlich: Bis heute haben sich beide Seiten nicht darauf einigen können, wer wem den Laufpaß gegeben hat, und auch nicht darauf, ob die Geschäftsbeziehung nur zwei (Schiffer) oder doch acht Jahre (Seidel) währte. Seidel hatte sie 1995 in eine Fernsehmoderatorin für RTL 2 verwandeln wollen. Nur eine Folge des Promi-Magazins wurde produziert und ausgestrahlt. »Es ist gleich«, sagt Seidel, »ob ich Schiffers Manager bin oder es nur war.«

Im Falle von Arabella Kiesbauer - sie spreche gerne offen, sagt Seidel - kam der Stoff für schöne Geschichten manchmal sogar frei Haus: rassistische Drohbriefe, ein Jahr später ein Briefbombenattentat, bei dem eine Mitarbeiterin verletzt wurde - und das zwei Tage bevor Kiesbauer auf einer »Playboy«-Pressekonferenz ihre Nacktfotos vorstellen wollte. Keinen Grund, die Pressekonferenz abzusagen: »So eine Synergie muß man nicht verhindern.«

Alles ist möglich, nichts wird ausgelassen. Vor ein paar Monaten noch, Pro Sieben hatte gerade eine Arabella-Abend-Talkshow aus dem Programm genommen, gelang es dem kongenialen Duo, das Intimleben der Moderatorin zum Ereignis hochzujazzen. »PR mit Produktbezug« nennt es Seidel, wenn eine sexy Moderatorin, die in einer sexy Talkshow sexy Fragen stellt, auch privat nichts anbrennen läßt. Sie erklärte öffentlich, daß sie einem unmoralischen Angebot - eine Million für eine Nacht - nicht widerstehen könnte, und füllte damit das Sommerloch. Genauso wie ihre angebliche Affäre mit Filmschauspieler Axel Milberg ("Rossini"), einem Seidel-Freund aus alten Schauspielschultagen. Den Freund aber für einen PR-Gag zu instrumentalisieren, das käme sogar in München, das ein Herz hat für derbe Späße, nicht gut an. Seidel bemüht sich um Schadensbegrenzung: Erst dementierte er die angebliche Affäre, dann stellte er Milberg vorsichtshalber noch eine Rolle im Diana-Film in Aussicht - als Prinz Charles.

Inzwischen ahnt sogar Seidel, daß der Ruf beschädigt ist. Mal wird er als Hallodri belächelt, mal als Selbstdarsteller gegeißelt. Da macht es kaum mehr Spaß, in der Münchner Medienkneipe »Schumann's« den Tag für alle sichtbar bei Zigarren und Wein ausklingen zu lassen. »Das mögen die neidischen Deutschen nicht. In diesem Land gibt es einen Charakter-Rassismus - jeder hält den anderen für einen Angeber.«

Im Frühjahr sollen die Dreharbeiten für den Film über Diana beginnen. »Natürlich hat auch sie die Medien instrumentalisiert«, sagt Seidel. »Leider hat sie nicht gemerkt, wie sie selbst instrumentalisiert wurde.« So wird die Al-Fayed-Familie die Rolle der Schurken im »Medienthriller« (Seidel) übernehmen müssen, die die Liebelei zwischen Dodi und Diana nutzten, um endlich Anerkennung zu finden im britischen Königreich. Das allerdings hätte man noch viel geschickter aufziehen können. »In so einer Situation muß man Vollgas geben«, sagt der Medienmanager. »Da muß man alles machen, was geht. Zum Beispiel Paparazzi gegen Tageshonorar anstellen - und nebenbei noch die Fotohonorare kassieren.«

Was aber hätte Diana tun können, um den Al-Fayeds, den Paparazzi wie Saunders und vielleicht auch ihrem Schicksal zu entkommen? Seidel stutzt. »Sie hätte«, sagt er schließlich, »einen Manager gebraucht.«

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