Eisenberg feiert bald ein "Mohrenfest", Konrad will das verhindern

Von Thembi Wolf

Dieser Beitrag wurde am 22.05.2019 auf bento.de veröffentlicht.

Eisenberg ist nicht hässlich. Es gibt Fachwerkhäuschen, eine kleine Mühle, grüne Hügel. Aber nichts würde Eisenberg von Petersberg oder Weißenborn nur wenige Kilometer entfernt unterscheiden, wenn da nicht das Wahrzeichen wäre. Dabei handelt es sich um eine halbnackte Statue eines schwarzen Menschen mit verbundenen Augen, die auf dem Brunnen steht. Ihr Name: der "Eisenberger Mohr".

Ende Mai soll zum ersten Mal das Stadtfest "Mohrenfest" heißen. Antirassistische Vereine wollen das verhindern – mit offenen Briefen an die Stadt. In Eisenberg versteht man die Aufregung nicht so recht. Man bleibe bei dem Namen, sagte der Bürgermeister. Er sei überrascht von der Kontroverse, erklärte er der Lokalzeitung. (OTZ )

Wir haben mit Konrad Erben, 30, gesprochen. Er ist Student in Jena und Teil der Gruppe, die einen der offenen Briefe verfasst hat. "Das ist verletzend und instinktlos", sagt er.

Worum geht es genau?

Der "Mohr" ist in Eisenberg überall – schon immer. Nicht erst seit der Umbenennung des Stadtfestes. Es scheint, als wäre die Debatte über politisch korrekte Sprache nie in der Kleinstadt in Thüringen angekommen.

Der Mohr ist auch Teil des Eisenberger Stadtwappens. Die Apotheke, das Gasthaus und ein Hotel sind nach ihm benannt. Das Hotel am "Mohrenbrunnen" bietet ein "Mohren Spezial"  ("Tradition & Genuss in Thüringen"). Für 69 Euro bekommt man zum Zimmer "Mohrenausblick" ein Abendessen im "Gasthaus zum Mohren" und eine Flasche des Kräuterlikörs "Eisenberger Mohrentropfen" dazu. 

Bislang war das Stadtfest immer ganz gewöhnlich: Chorauftritt, Laientheater, Stände und eine U2-Coverband in der Kirche. Nun soll der neue Name offenbar eine Art Marketingtrick sein: Die Theatergruppe spielt jetzt die "Mohrensage" – mit einem kleinen Kind mit Afroperücke in der Rolle des "Mohren". Der "Familienchor der Kulturfabrik Eisenberg" führt ein "Mohrenlied" auf. Zum Auftakt des Stadtfestes sollen Handzettel mit dem Text verteilt werden, denn der Refrain soll möglichst "am besten aus Hunderten Kehlen schallen". (OTZ )

Spende uns dein kühles Nass und bring uns Glück und Freud. Und wenn du mal Sorgen hast, dann komm zu uns als Gast. Wir singen das Lied dir vor – vom Eisenberger Mohr, wir singen das Lied dir vor – vom Eisenberger Mohr.

"Mohrenlied"

Auf der Homepage des Stadtfests heißt es, man wolle "die Geschichte der Stadt mit dem Mohren als Wahrzeichen"  in seiner Einmaligkeit und Besonderheit darstellen und erlebbar machen. (Mohrenfest.de 

Die "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V." (ISD) schrieb dem Bürgermeister von Eisenberg einen offenen Brief. Man sei "entsetzt" von dem Fest, das "in Namen und Darstellung nur so strotzt vor kolonialen, rassistischen Stereotypen und Klischees". Ein zweiter offener Brief des "Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerks" ist zurückhaltender. Man wolle "dazu anregen, über eine Umbenennung Ihres Stadtfestes nachzudenken". (Thadine )

Trotzdem halten Bürgermeister Michael Kieslich und die Stadt an dem rassistischen Namen fest. Eine Kontroverse gebe es nicht, sagt Kieslich zu bento. Stadtübergreifend würden neuer Name und Konzept begrüßt. Außerdem sei das Mohrenfest ein Fest der Vielfalt.

Foto: imago images / Werner Otto

Konrad Erben studiert in Jena und arbeitete am offenen Brief der ISD mit.

Das "Mohrenfest" ist ein Volksfest. Erwarten Sie dort tatsächlich Rassismus?

Das Programm lässt es vermuten: Es soll die "Mohrensage" aufgeführt werden, ein weißes Kind bekommt eine Afroperücke aufgesetzt. So wird Rassismus normalisiert und ganz selbstverständlich als Spaß für die ganze Familie zelebriert. Ich erkläre mir das so: Eine Gruppe weißer Menschen hat sich überlegt, ein lustiges Stadtfest aufzuführen. Und der "Mohr" eignete sich eben als Thema.

Sie fordern, dass der Name weg soll?

Ja, das wäre ein richtiger Schritt, aber er löst das Problem nicht. Die Figur ist ja Namensgeber vieler Orte in der Stadt und eben eine klassische, rassistische Darstellung eines schwarzen Menschen.

Der Bürgermeister sagt, das Wort sei gar nicht als Beleidigung gemeint. Für ihn hat es eine positive Bedeutung. (OTZ )

Das ist verletzend und instinktlos. Der Bürgermeister bekommt von Betroffenen gesagt, dass das Wort problematisch ist. Was macht er? Er sagt, er wisse es besser. Unsere Kritik grundsätzlich zurückzuweisen, ist ein katastrophales Zeichen. Wir haben hier und insgesamt in der Gesellschaft ein Rassismusproblem. Da ist es fatal, wenn gerade eine öffentliche Person wie der Bürgermeister mit schlechtem Beispiel vorangeht.

In der Lokalzeitung hieß es, er biete Ihnen ein Gespräch an. Nehmen Sie das Angebot an?

Bei uns hat er sich noch nicht gemeldet. Es ist aber auch nicht unsere Aufgabe, weißen Menschen zu erklären, wie sie weniger rassistisch sein können. Wir haben deutlich gemacht, dass es ein Problem gibt, und sogar einen Lösungsvorschlag gemacht. Aber wir sind nicht Teil des Problems.

Die Stadt begründet den Namen "Mohrenfest" auch historisch. Er sei nun einmal mit der Sage und der Geschichte der Stadt verwoben.

Ja, die Stadt sagt, der Name gehe auf ein mittelalterliches Märchen zurück. Das handelt von einem Grafen, der von einem Kreuzzug einen schwarzen Sklaven mitbringt – weil der als besonders treu gilt. Er wird dann fälschlicherweise beschuldigt, der Gräfin eine goldene Kette gestohlen zu haben. Kurz vor seiner Enthauptung – daher die verbundenen Augen – findet sie die Kette und er wird begnadigt. Das kann man alles auf der Webseite der Stadt  nachlesen. Ich vermute aber, die Geschichte ist später entstanden.

Wie kommen Sie darauf?

Das Steinbild hinter dem Rathaus ist von 1727. Das ist etwas spät für historische Bezüge auf Kreuzzüge. Außerdem war es eher wohlhabenen Fürstentümern vorbehalten, Sklaven mit nach Hause zu bringen, das war Eisenberg zur Zeit der Kreuzzüge nicht. Und die Darstellung strotzt vor kolonialen Klischees: Die Figur ist nackt, trägt Federrock und ist goldbehangen. Ich bin kein Historiker und kann das alles nicht mit Sicherheit sagen. Aber genau wegen dieser Zweifel haben wir der Stadt empfohlen, eine Kommission zu bilden, um sich mit dem Stadtwappen auseinanderzusetzen.

Was soll das bringen?

Hat es diese Person, den schwarzen Sklaven, wirklich gegeben, dann könnte man ihm einen Namen geben und seine Geschichte aufarbeiten. Und wenn es sie nicht gegeben hat, müsste die Stadt ehrlich sagen: Das war ein Marketingtrick des 18. Jahrhunderts.

Wie waren die Reaktionen auf Ihre Forderung – gab es auch Zustimmung aus Eisenberg?

Nicht viel. Es sammeln sich allerlei hässliche Kommentare unter den Medienberichten, und ich habe auch einige private Nachrichten bekommen. Unter der dreistelligen Anzahl von Kommentaren waren nur zwei, drei, die auch meinten: Das ist Rassismus. Es gab Viele, die uns gesagt haben, wir sollen nach Hause gehen. Die haben das Gefühl, dass sie von außen angegriffen werden. Dabei ist das falsch.

Wie meinen Sie das?

Ich bin Thüringer, lebe in Jena und habe Freunde und Kollegen in Eisenberg. In der ISD-Gruppe in Thüringen sind vor allem Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Wir sind Deutsche, ob wir wollen oder nicht. Unsere Kritik kommt nicht von außen – sondern mitten aus der Gesellschaft.

Korrektur: Eisenberg ist kein Dorf sondern eine Kleinstadt. Wir haben das berichtigt.

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