Empörung über Erzbischof Müller "Gefährlich geschichtsvergessen"

Der Chef der Glaubenskongregation des Vatikans, Gerhard Ludwig Müller, erntet heftige Kritik für seine Äußerung über eine vermeintliche "Pogromstimmung" gegen die Kirche. Politiker finden sie geschmacklos, auch der oberste Vertreter der katholischen Laien widerspricht entschieden.
Gerhard Ludwig Mueller (im Februar 2012): Zweifelhafte Wortwahl

Gerhard Ludwig Mueller (im Februar 2012): Zweifelhafte Wortwahl

Foto: dapd

Hamburg - Der Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Müller, stößt mit seinen jüngsten Äußerungen zur Lage der Kirche auf Widerspruch beim Kirchenvolk. Auch Politiker kritisierten Müller scharf.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, sagte: "Wir müssen uns in der Kirche damit auseinandersetzen, warum wir mit der christlichen Botschaft immer weniger Menschen erreichen. Das kann sicher nicht nur an den Menschen liegen." Das ZdK ist mit rund 230 Mitgliedern das oberste Gremium der Laien in der katholischen Kirche.

Erzbischof Müller hatte in einem Interview der "Welt " beklagt, durch "gezielte Diskreditierungskampagnen gegen die katholische Kirche" wachse "eine künstlich erzeugte Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung" erinnere. Immer weniger Menschen nähmen an den Eucharistiefeiern teil. Nötig sei eine "Erneuerung der Volksfrömmigkeit", nicht aber eine Aufweichung dogmatischer Grundsätze.

Mehrere kirchenferne Politiker interpretierten Müllers Wortwahl als Vergleich mit der Judenverfolgung unter den Nazis. "Vergleiche mit dem Holocaust sind geschmacklos, wenn es um unterschiedliche Auffassungen in unserer Gesellschaft zu aktuellen Fragen wie auch der Rolle der Ehe, Familie und eingetragenen Lebenspartnerschaften geht", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der "Welt am Sonntag".

Die Katholische Kirche müsse sich drängenden Problemen stellen und könne sich nicht durch Verweis auf vermeintliche Sonderstellung ihrer Verantwortung entziehen.

Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete Müllers Äußerungen als "absolut inakzeptabel und gefährlich geschichtsvergessen". Sie warf Müller außerdem vor, Reformforderungen im deutschen Katholizismus abzublocken. "Der Chefideologe des Vatikans klingt, als wolle er die katholische Kirche am liebsten wieder in das Mittelalter zurückbeamen", sagte Roth der "Welt".

Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sagte, Kritik an der Kirche mit dem Holocaust zu vergleichen, sei "einfach daneben". "Die Verwendung des Wortes 'Pogromstimmung' sollte er mit dem Ausdruck des Bedauerns schleunigst zurücknehmen."

bim/dpa/AFP
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