Dieser Beitrag wurde am 27.11.2017 auf bento.de veröffentlicht.
"Diesen Herbst kehren die Entmieteten zurück, um diejenigen zu plagen, die sie auf die Straße gesetzt haben." So beginnt ein kurzes Video des Künstlerkollektivs "Peng!". Dann hören wir eine Stimme am Telefon. Sie sagt:
"Wir haben die Wohnung einige Monate später auf Immobilienscout gefunden," fährt die Stimme fort. "Der Preis hatte sich mehr als verdoppelt."
Worum geht es?
Diese und ähnliche Sätze bekommen einige Vermieter in Berlin, Leipzig und Frankfurt am Main nun eine Woche lang zu hören. Das "Peng!-Kollektiv" hat einen Bot programmiert, er ruft mehrmals am Tag Immobilienfirmen und Hausanbieter an – und nervt sie mit den Geschichten ihrer ehemaligen Mieter. "Haunted Landlord" nennen die Künstler ihre Aktion.
Sie wollen auf die dubiosen Praktiken der Vermieter aufmerksam machen und gleichzeitig zeigen, wie sehr Menschen darunter leiden, wenn sie aus ihren Wohnung gemobbt werden.
Die Aktivisten haben sich dafür extra private und geschäftliche Nummern der Vermieter besorgt. Damit die Anrufe nicht geblockt werden können, ruft der Bot von unterschiedlichen Nummern und zu unterschiedlichen Zeiten an.
Nora Moll vom "Peng! Kollektiv"
Auf der Internetseite der Aktion sind die Statements der ehemaligen Mieter dokumentiert. Schauspieler haben ihre Geschichten nachgesprochen. Dazu sind die Häuser und die Adressen zu sehen, um die es geht. Insgesamt 38 Fälle will das Kollektiv aufgearbeitet haben. Sie beschreiben die grausamen und zwielichtigen Methoden mancher Vermieter: Da wird mal
- das warme Wasser abgestellt,
- den Mietern am Weihnachtsabend gekündigt,
- Duschen werden abmontiert,
- Wasserschäden entweder bewusst herbeigeführt oder nicht beseitigt.
Falls ein Vermieter mit der Darstellung der Ereignisse nicht einverstanden sei, könne er dem "Peng!-Kollektiv" schreiben, versprechen die Künstler. Sie würden die Stellungnahme dann prüfen. Ob jede Geschichte wahr ist, lässt sich in der Tat schwer nachprüfen.
Die Schicksale sind allerdings nur einige von vielen.
Gerade in Großstädten werden Hunderte Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt, oft weil Immobilienspekulanten sie in Eigentumswohnungen umwandeln. Bei mehr als 62.000 Wohnungen soll das zwischen 2011 und 2016 der Fall gewesen sein. Die Vermieter locken mit Geld, drohen und schikanieren bis die Mieter raus sind – und verkaufen die Wohnungen auf dem boomenden Markt mit Gewinn (SPIEGEL ONLINE). Ähnlich funktioniert die andere beliebte Strategie: Wohnungen werden saniert und für viel Geld neu vermietet, sobald die Mieter rausgemobbt sind. (SWR)
Die Bürgerinitiative Bizim Kiez ("Unser Kiez") sammelt solche Beispiele und stellt sie auf einer interaktiven Karte dar. Dadurch sollen Berliner vernetzt werden, die aufgrund von Immobilienspekulationen ihre Wohnungen verlieren könnten oder schon verloren haben.
Auch die Berliner Landesregierung will gegen die Spekulationen etwas tun. In insgesamt 39 Gebieten verbietet die Stadt die Umwandlung von Wohnung in Eigentum oder die aufwändige Sanierung bereist. In der Realität umgehen viele Firmen die Verordnungen. Zusätzlich versucht die Stadt Wohnung selbst zurückzukaufen oder sie von gemeinnützigen Einrichtungen zurückkaufen zu lassen. (SPIEGEL ONLINE)
Aber muss es gleich Telefonterror sein?
Haben nicht auch Vermieter ein Recht auf Privatsphäre? Die Frage ist aktueller denn je. Jüngst hatte das Zentrum für Politische Schönheit für Aufsehen gesorgt. Es hatte dem rechtsradikalen AfD-Politiker Björn Höcke eine Nachbildung des Holocaust-Denkmals vor die Tür gesetzt, ihn nach eigenen Angaben überwacht, seinen Müll durchsucht und nun schließlich ein Hörbuch mit privaten Details über Höcke veröffentlicht. Dafür wurden die Künstler von einigen kritisiert. (Zum Beispiel von uns)
Nora Moll vom "Peng!-Kollektiv" glaubt nicht, dass sie und ihre Mitstreiter zu weit gehen. "Ist das Anrufen beim Vermieter ein größerer Eingriff in die Privatsphäre, als Menschen frieren zu lassen, weil man kein Heizöl bestellt?", fragt sie rhetorisch. Die Namen der Vermieter würden nicht genannt, es solle keine "Hexenjagd" entstehen, sagt sie der taz.
Stattdessen wollen die Künstler mit der Aktion letztendlich Druck auf die Politik machen. Das Ziel: Verdrängungen sollen künftig so hart sanktioniert werden, dass sie unrentabel sind.