Erdbeben in Christchurch "Neuseelands schwärzester Tag"

Erdbeben in Christchurch: "Neuseelands schwärzester Tag"
Foto: IAIN MCGREGOR / REUTERSChristchurch - Christchurch ist von dem der Stärke 6,3 gezeichnet: Tiefe Löcher klaffen im Asphalt, Schuttberge häufen sich auf den Straßen. Mehrstöckige Gebäude fielen wie Kartenhäuser in sich zusammen, begruben Menschen und Autos. Zahlreiche Straßen wurden überflutetet, weil Rohre geborsten waren. An anderen Orten brachen Feuer aus. Rund 80 Prozent der Stadt waren zeitweise ohne Strom. Auch die Wasserversorgung brach zusammen.
Bei dem Beben starben mindestens 75 Menschen. "Die Zahl wird wahrscheinlich noch steigen", teilte das Amt für Zivilverteidigung am Dienstagabend (Ortszeit) mit. Hunderte sollen noch unter den Trümmern liegen. Die berühmte Kathedrale der Stadt verlor ihren Kirchturm. Berichte, wonach Menschen in dem Turm waren, als dieser in das Kirchengebäude krachte, konnten zunächst nicht bestätigt werden.
Premierminister John Key erklärte nach einer Dringlichkeitssitzung der Regierung den nationalen Ausnahmezustand. Das Kabinett habe dem Schritt zugestimmt, sagte Key vor Journalisten in Wellington. So könne die Zusammenarbeit der örtlichen, nationalen und internationalen Ressourcen bei den Rettungsarbeiten optimiert werden, sagte Key.

Neuseeland: Heftiges Erdbeben erschüttert Christchurch
Angesichts der schweren Schäden verglich Bürgermeister Bob Parker die Innenstadt von Christchurch mit einem Kriegsgebiet. "Wir sind wahrscheinlich Zeuge von Neuseelands schwärzestem Tag geworden", sagte Ministerpräsident Key. Anwohner, die das Erdbeben miterlebten, berichten von Chaos und Panik. Die deutsche Maklerin Sabine Cook lebt seit 23 Jahren in Neuseeland und fuhr gerade mit dem Auto durch die Innenstadt von Christchurch, als die Erde zu beben begann. "Das war unbeschreiblich, als wenn ein Riese das Auto packt! Man verliert völlig die Kontrolle", so die 53-Jährige. "Die Leute auf dem Bürgersteig haben geschrien, und die Bäume schwankten bedrohlich." Die Zerstörung sei unbeschreiblich. "Kamine sind auf die Straßen gestürzt. Schaufensterscheiben waren kaputt und Glas lag auf der Straße, Mauern waren eingestürzt und Zäune platt", sagte sie. Nach Angaben von Augenzeugen hatte sich der Boden teilweise um bis zu einen Meter gehoben.
Manuel Skorzenski ist zurzeit als Rucksack-Tourist in Neuseeland unterwegs. Der Diplomkaufmann aus Köln saß im Auto Richtung Christchurch, als das Beben begann. "Es hat sich angefühlt wie auf hoher See", sagte der 29-Jährige SPIEGEL ONLINE. Risse hätten die Straßen durchzogen, die Menschen seien aus ihren Häusern gelaufen. Nach dem Beben habe es "ein Riesenchaos" gegeben: "In den Geschäften sind die Schaufenster zerbrochen, alle Regale sind umgefallen. Häuser sind eingestürzt, und die Straßen sind teilweise überflutet."
Wie seine Reise weitergehen soll, weiß der 29-Jährige, der im Verlauf eines Asien-Ozeanien-Aufenthalts zwei Wochen durch Neuseeland trampt, noch nicht. Anwohner hätten ihn zunächst bei sich aufgenommen. "Ich schlafe auf der Couch. Wir saßen lange im Garten, hatten keinen Strom und kochten auf Campingkochern. Fließendes Wasser gibt es immer noch nicht", so Skorzenski.
Rund 200 Menschen werden noch vermisst
Das Beben der Stärke 6,3 ereignete sich am Mittag um 12.51 Uhr (Ortszeit),als in der Stadt mit 400.000 Einwohnern Hochbetrieb herrschte. Restaurants und Cafés waren voll besetzt, ebenso die Büro- und Kaufhäuser.
Allein im eingestürzten Pyne-Gould-Bürogebäude sollen Dutzende Menschen eingeschlossen sein. Einige machten sich mit Klopfzeichen oder Schreien bemerkbar, anderen gelang es sogar, einen Notruf mit dem Telefon abzusetzen. Die Australierin Anne Voss hatte sich unter ihren Schreibtisch geflüchtet, bevor die Decke ihres Büros einstürzte. Mit einer Hand bediente sie ihr Handy, rief zuerst ihren Sohn an, dann einen australischen Fernsehsender. "Ich bin eingeklemmt", sagte sie. "Ich kann die anderen schreien hören, aber ich komme nicht raus, ich kann mich kaum bewegen."
Unter den insgesamt rund 200 Menschen, die noch in den Trümmern vermutet werden, befindet sich auch eine Gruppe Austauschschüler aus Japan, wie der Direktor der Sprachschule in Toyama in Westjapan, Hisao Yoshida, erklärte. Die 21 Schüler und zwei Lehrer hätten gerade in der Cafeteria der Schule gesessen, als die Erde bebte. Eine Lehrkraft und zwei Schüler hätten es ins Freie geschafft. Die andere Lehrerin informierte den Angaben zufolge über ihr Mobiltelefon ihre Familie in Japan, dass sie zusammen mit sieben Schülern in den Trümmern eingeschlossen sei. Über das Schicksal der zwölf weiteren Schüler war vorerst nichts bekannt.
Die Versorgung der Verletzten gestaltete sich zunächst schwierig: Die Rettungsdienste hatten nicht genügend Krankenwagen. Lieferwagen und Kombis waren im Einsatz, um Verletzte zu transportieren. Sanitäter öffneten Krankenstationen zur Notversorgung am Straßenrand. Retter, die Einwohner aus den Trümmern bargen, wurden immer wieder von Nachbeben behindert. Das stärkste hatte nach Angaben der Zivilverteidigung eine Stärke von 5,7.
Das Zentrum des Erdstoßes mit einer Stärke von 6,3 lag rund zehn Kilometer südwestlich von Christchurch, wo es bereits Anfang September ein Beben der Stärke 7,0 gegeben hatte. Die Erschütterung damals richtete schwere Schäden an, Menschen kamen aber nicht ums Leben. Seither hat es Tausende kleinere Nachbeben in der Region gegeben. Die Infrastruktur leide noch unter den Schäden des früheren Erdbebens und sei deshalb besonders anfällig bei weiteren Erdstößen, sagte James Goff von der australischen Universität New South Wales.
Neuseeland liegt zwischen der pazifischen und der indo-australischen Kontinentalplatte. Dort werden jährlich gut 14.000 Erdbeben registriert, etwa 20 davon haben mehr als Stärke 5.