Urteil im Prozess um die Erkundung des »Estonia«-Wracks Gericht spricht schwedische Dokumentarfilmer schuldig

Verletzung des Grabfriedens – so lautete der Vorwurf gegen zwei schwedische Filmmacher wegen ihrer Dreharbeiten für eine Doku zur gesunkenen »Estonia«. Zunächst wurden sie freigesprochen, jetzt entschied ein Gericht anders.
Die Fähre »Estonia« der Reederei Estline (undatiertes Archivfoto): Ihr Untergang gilt als größte Schiffskatastrophe der europäischen Nachkriegszeit

Die Fähre »Estonia« der Reederei Estline (undatiertes Archivfoto): Ihr Untergang gilt als größte Schiffskatastrophe der europäischen Nachkriegszeit

Foto: dpa

Ein schwedisches Gericht hat die beiden Dokumentarfilmer schuldig gesprochen, die einen Film über die »Estonia« gedreht haben: Wie die Nachrichtenagentur Reuters sowie die schwedische Tageszeitung »Dagens Nyheter«  mitteilen, wurde heute im Prozess um die Erkundung des Wracks der 1994 gesunkenen Ostseefähre »Estonia« ein Urteil verkündet. Für eine Fernsehdoku über das Unglück hatten zwei Schweden 2019 unter anderem einen Tauchroboter zu dem Wrack heruntergelassen – und dabei aufsehenerregende Funde gemacht. Unter anderem hatten die Filmmacher ein mehrere Meter großes Loch im Schiffsrumpf entdeckt.

Die Strafe wurde auf jeweils 40 Tagessätze in Höhe von 470 beziehungsweise 560 schwedische Kronen festgelegt – umgerechnet belaufen sich die jeweiligen Gesamtsummen damit auf rund 1750 beziehungsweise 2100 Euro. Beide Männer planen, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Es gehe um wichtige journalistische Prinzipien und komplexe juristische Bewertungen, erklärte Evertsson nach Angaben der Nachrichtenagentur TT in einem schriftlichen Kommentar. »Wir werden das weiter vorantreiben«, sagte Andersson dem Rundfunksender SVT. Auch Staatsanwältin Helene Gestrin überlegt demnach, das Urteil aufgrund der Strafmilderung anzufechten.

Fahrt unter deutscher Flagge

Von dem Vorwurf, mit dem Tauchgang den Grabfrieden der »Estonia« verletzt zu haben, waren die beiden Männer 2021 zunächst freigesprochen worden. Nach Auffassung des Gerichts war ihr Vorgehen zwar nach schwedischem Gesetz strafbar, eine Verurteilung aber nicht möglich, weil sie den Tauchroboter von einem unter deutscher Flagge fahrenden Schiff aus in internationalen Gewässern ins Wasser gelassen hätten. Deutschland hatte eine Grabfriedensvereinbarung anders als Schweden und weitere Ostsee-Anrainer nicht unterzeichnet. Ein Berufungsgericht sah das anders und gab den Fall an die Erstinstanz in Göteborg zurück, die nun erneut entscheidet.

Mehr als 850 Tote

Die »Estonia« war 1994 mit 989 Menschen an Bord auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Südküste gesunken. 852 Menschen starben, nur 137 überlebten. Weil viele der Toten nicht geborgen werden konnten, steht das Wrack als Ruhestätte unter Schutz und darf nicht aufgesucht werden.

Der Untergang gilt als größte Schiffskatastrophe der europäischen Nachkriegszeit. Laut dem offiziellen Untersuchungsbericht von 1997 war das abgerissene Bugvisier die Ursache für den Untergang. Bis heute gibt es aber Zweifel daran. Nach den Enthüllungen in der Fernsehdokumentation hat Schweden gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht, damit Behörden die Funde genauer erkunden können.

swe/dpa

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