Neuer Ratsvorsitzender #EKD steht unter Strohm

Neuer EKD-Vorsitzender Bedford-Strohm: "Wir wollen öffentliche Kirche sein"
Foto: Nicolas Armer/ picture alliance / dpa"Ehe ihr ganz kopflos werdet, übernehme ich das." Der Mann, der das gesagt hat, ist nicht der neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm. Es ist sein Münchner Nachbar, Kardinal Reinhard Marx.
Ganz so verwirrt wie befürchtet, sind die Protestanten in Deutschland nicht. Aufatmen ist angesagt, denn mit 106 von 125 möglichen Stimmen wurde der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auf der Dresdner Synode der EKD zum Ratsvorsitzenden gewählt. Damit setzt die Kirche auf eine dauerhafte Lösung in einer kräftezehrenden Personaldebatte. Die Chance, dass Bedford-Strohm nach Ende der Legislaturperiode 2015 noch einmal gewählt wird, ist mindestens so groß wie die Hoffnung auf Kontinuität und einen Neubeginn.
"Die EKD steht unter Strohm" oder leicht modifizierte Bibelzitate wie "Du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strohm" machten umgehend die Runde auf Twitter und Facebook. Nach der skandalüberschatteten Amtszeit von Margot Käßmann und dem pflichtschuldig aber ausgesprochen unglamourös ausgefüllten Vorsitz von Nikolaus Schneider dürstet es die Evangelen nach echter Führung.
"Wir wollen öffentliche Kirche sein. Wir wollen uns in den öffentlichen Diskurs einmischen", sagte Bedford-Strohm nach seiner Wahl in Dresden. Man wolle sich nicht aufspielen "als die besseren politischen Kommentatoren, sondern aus einer klaren geistigen Motivation heraus zu den Fragen unserer Zeit reden". Bei den großen ethischen Debatten stehe die Kirche in der Pflicht zur Mitgestaltung.
Das sind große Worte, von denen man nur hoffen kann, dass sie umgesetzt werden. Noch im Januar 2012 klang das ein bisschen anders: Da sagte Bedford-Strohm, er halte nichts von politisierenden Pfarrern auf der Kanzel: "Es wäre der Tod der Predigt, wenn der Prediger seine persönliche politische Meinung als die Stimme des Evangeliums ausgäbe", sagte er damals dem ökumenischen Portal "Predigtpreis".
Es wäre fatal, wenn der neue Ratsvorsitzende in dieser Frage faule Kompromisse einginge. Zu sehr war die EKD in letzter Zeit mit sich selbst beschäftigt, viel zu wenig mischte sie sich ein in die großen Konflikte, die die Gläubigen beschäftigen: Und das sind nicht nur Fragen zu Sterbehilfe, Kirchensteuer, sinkenden Mitgliederzahlen oder Pfarrern nahe dem Burn-out. Das sind auch der Ukraine-Konflikt, die barbarischen Exzesse des IS, die Flüchtlingsproblematik.
"Kirche kann für mich gar nicht unpolitisch sein. Wenn sie es versucht, dann wird sie auch durch ihr Schweigen wieder politisch", sagte Margot Käßmann unlängst in einem Interview . Es war nicht zuletzt diese feste Haltung, die ihr trotz ihrer Fehltritte große Sympathien einbrachte.
Während Käßmann jedoch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan einst scharf verurteilt hatte, sprach sich Bedford-Strohm explizit für einen internationalen Militäreinsatz im Irak aus, "weil die schwächsten Glieder - in diesem Fall diese Flüchtlinge, die Fürchterliches erlebt haben und panische Angst haben - geschützt werden müssen."
Bedford-Strohm fuhr selbst in den Irak, um sich einen Einblick zu verschaffen, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern stellte eine halbe Million Euro für verfolgte Christen in dem Land zur Verfügung.
Netzaffin, offen, kritisch
Bedford-Strohm bringt vieles mit, was die Kirche aus der Krise holen könnte: Mit 54 Jahren ist er geradezu ein Jungspund im neuen Job, als Sozialethiker und Sozialdemokrat eher linksliberal, mit seinen Aktivitäten als "Social-Media-Bischof" auf Twitter und Facebook (über 3000 "Gefällt mir"-Angaben) so etwas wie ein Modernitätsgarant. Der Ex-Professor ahnt, dass die Protestanten und das Netz zusammengehören, er weiß um die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer "digitalen Mediatisierung des Glaubens" - nicht nur für die Mission. Unkritisch ist er dabei nicht: "Facebook kann man nutzen, ohne Geld zu bezahlen. Aber kostenlos ist es nicht. Wir bezahlen mit unseren Daten."
Bedford-Strohm war Schüler des ehemaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, der keinen Zweifel ließ an seinem Führungswillen und einigen in der Kirche damit ordentlich auf die Nerven ging. Mit Huber verbindet den bayerischen Landesbischof die Forschung zum Thema "kommunikative Freiheit", definiert als Freiheit, sich einzubringen und zu engagieren.
Gutes Omen für die Ökumene
Interessant ist auch die Nähe Bedford-Strohms zu Reinhard Marx, dem Münchner Kardinal und Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Gerade mal ein Kilometer trennt die beiden Residenzen in München - auch ideell ist man sich eher nah als fern.
Von einem ausgesprochen wohlwollenden Verhältnis zwischen den beiden Sozialethikern und Kapitalismuskritikern ist die Rede. Marx selbst sagte: "Ich breche nicht in Tränen der Verzweiflung aus, wenn ich höre, dass mein Bruder in München das Amt bekommt." Die Kontaktgespräche zwischen evangelischer und katholischer Kirche im Freistaat liefen stets "angenehm und problemlos", ließ er verlauten.
Ein gutes Omen für die anstehenden Feiern zum 500. Jahrestag der Reformation - aber auch für die Lokalpatrioten unter den Christen: "München als Hauptstadt der Ökumene", jubelt bereits das Portal "katholisch.de". Beide Kirchen in Bayern fordern eine Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik. Marx wie Bedford-Strohm kritisieren etwa die umstrittene Dublin-II-Regelung, wonach Flüchtlinge nur in dem Land, in das sie zuerst ihren Fuß setzen Asyl beantragen dürfen.
"Wenn wir als christliche Kirchen in Deutschland mit vereinter Stimme sprechen, wird es uns gelingen, die Orientierungskraft des christlichen Glaubens für die Menschen in Deutschland wieder deutlicher sichtbar werden zu lassen", hat Bedford-Strohm einmal gesagt.
Auch die Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, hofft auf eine Versöhnung mit den Katholiken. "Wir sind auf einem gemeinsamen Weg nach vorne, wir bleiben nicht stecken in den Konfrontationen des 16. Jahrhunderts", sagte sie.
Bedford-Strohm lobte seinen Amtsvorgänger nach der Wahl für seine "unwiderstehliche Menschlichkeit". Nikolaus Schneider selbst schien schon vor der Wahl von jeder Menge Ballast befreit.