Dieser Beitrag wurde am 13.12.2016 auf bento.de veröffentlicht.
Was ist wahr, was ist gelogen? Und wem kann man vertrauen? Diese Frage ist schon im Alltag unter Kollegen, Kommilitonen oder in Gesprächen mit Bankberatern nicht ganz leicht zu beantworten.
Die aktuelle Debatte um Fake-News betrifft aber einen anderen Bereich – nämlich frei erfundene Nachrichten, die entweder scheinbar von etablierten Medien oder gleich von komplett erfundenen Nachrichtenseiten stammen.
Was genau sind Fake News?
In der genauen Übersetzung: Gefälschte Nachrichten. Viele von ihnen verbreiten sich tausendfach in sozialen Medien und verunsichern die Mediennutzer. Vorwiegend handelt es sich dabei um politische Falschmeldungen. Der Urheber dieser Nachrichten will die Wähler damit beeinflussen und politisch in eine Richtung lenken – oder einfach nur Geld verdienen.
Um das besser zu verstehen, hier ein konkretes Beispiel:
Die Grünen-Politikerin Renate Künast soll über den Freiburger Mädchenmörder, einen minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan, gesagt haben: "Der traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen". Die Quelle für dieses Zitat: angeblich die "Süddeutsche Zeitung".
Doch weder Künast noch die Zeitung haben damit irgendetwas zu tun. Auf diversen Facebook-Seiten wie "Widerstand deutscher Patrioten" wurde es verbreitet. Facebook selbst verurteilte die Verbreitung – aber stoppte sie nicht, Künast will jetzt rechtlich dagegen vorgehen. (tagesschau.de )
Warum ist so eine Fake-Nachricht schwer zu erkennen?
- Die "Süddeutschen Zeitung" hat sich zu größtmöglicher Unabhängigkeit verpflichtet. Viele Leser vertrauen ihr, die Verbreiter von Fake-News nutzen das aus.
- Der Kern der Fake-Nachricht, nämlich der Mord an einem Mädchen aus Freiburg, hat es tatsächlich gegeben. Dass sich Politiker dazu äußern, ist nicht untypisch. Insofern ist es verständlich, dass man am Wahrheitsgehalt der Aussage nicht direkt zweifelt.
Bisher kursierten Fake-News vor allem im US-Wahlkampf. Dutzende Seiten streuten gezielt Falschmeldungen, um Wähler zu beeinflussen.
Gibt es auch Fake-News-Seiten in Deutschland?
Ja: Es gibt eigenständige Seiten, die die Optik von Nachrichtenseiten kopieren aber Falschmeldungen verbreiten und es gibt Facebook-Gruppen, in denen Fakes direkt als Posts verbreitet werden.
Auf Facebook sind das oft Bürgerwehren und Seiten von Anti-Flüchtlings-Initiativen. In den Falschmeldungen geht es um Gerüchte – zum Beispiel hätten angeblich Flüchtlinge die Ziegen eines Streichelzoos geschlachtet ("Thüringer Zeitung" ) oder wären als Terroristen ins Land gekommen (stern.de ). Beides ist falsch.
Manchmal werden auch offizielle Dokumente gefälscht und als Bild verbreitet. So soll in Freiburg Mietern die Wohnung gekündigt worden sein, um Platz für Flüchtlinge zu machen (fudder.de ). Auch das ist falsch. Die Idee hinter dahinter: Die Vorurteile des Lesers bestätigen und so bewusst neue Ängste schüren.
Viel gefährlicher sind aber eigenständige News-Seiten. Auf den ersten Blick sind sie nur schwer von klassischen Nachrichtenseiten zu unterschieden. In ihren Artikeln fehlen jedoch häufig Quellenangaben oder Zitate – viele Themen fallen hinter einer reißerischen Überschrift zusammen. Die Überschrift reicht aber oft schon, damit Menschen in sozialen Netzwerken die vermeintliche Nachricht teilen.
Ein kleiner Überblick:
- "Politikstube" sammelt vor allem Polizeimeldungen zu Straftaten von Ausländern. Straftaten von Deutschen sind weniger interessant. Menschen mit zivilem Engagement werden als „Modererscheinungsflüchtlingsliebhaber“ bezeichnet. Hinter den Autoren stecken meist nur Pseudonyme.
- "Denken macht frei" kopiert oft klassische Nachrichten – und versieht sie mit neuen Schlagzeilen. Ein Beitrag heißt zum Beispiel „Gewalt gegen Frauen wird im Multi-Kulti-Deutschland zum Alltag: schon wieder wurde eine Frau angezündet“. Im Text finden sich zwei Straftaten – ohne irgendeinen Hinweis auf die Abstammung der Täter.
- Eine der wichtigsten Seiten ist jedoch die Online-Ausgabe des " Compact" -Magazins. Das Magazin ist in der rechten Szene sehr beliebt, der Chefredakteur Jürgen Elsässer zählt zu den Neuen Rechten in Deutschland. "Compact" verbreitet keine klassischen Fake News, verwendet aber rassistische Begriffe und verdreht oder verschweigt Fakten, die nicht ins Weltbild passen. (Hier analysiert der BILDblog Recherchefehler des Magazins.)
Die neue Rechte
Was bedeuten Fake-News für den deutschen Wahlkampf?
Das lässt sich nur schwer vorhersagen. Lügen ändern oft keine Meinungen – aber bestätigen lang gehegte Vorurteile. Vor allem Wechselwähler könnten sich so verunsichern lassen.
Ein Szenario: Gezielt platzierte Fakes zu Problemen mit Flüchtlingen oder EU-Vorgaben aus Brüssel heizen die Stimmung im Wahlkampf an. Und je mehr eine Falschmeldung im Netz diskutiert wird, desto eher wird sie auch von klassischen Medien behandelt und eingeordnet. Selbst seriöse Politiker müssen sich dann mit den Stimmungen herumschlagen anstatt mit Fakten. Im Wahlkampf wird dann wenig geredet und viel geschrien – all das hilft populistischen Parteien.
FDP-Chef Christian Lindner warnte im "Kölner Stadtanzeiger" :
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen glaubt zudem, dass das sogenannte Spear Phishing eine reale Gefahr für Politiker ist. Das Phishing beschreibt gezielte Hackerangriffe auf Institutionen – gefundene Daten könnten geleakt werden, um Politiker zu diskreditieren (tagesschau.de ). Deutsche Sicherheitsexperten vermuteten bereits russische Hacker hinter einem Angriff auf das interne Netz des Bundestages ("Die Zeit" ).
Was wird gegen Fake-News getan?
Fake-News verbreiten sich vor allem über Facebook. Das Unternehmen geht aber bislang nicht konsequent dagegen vor – zum Missfallen vieler Politiker.
Der Verfassungsschutz betreibt derzeit verstärkt Öffentlichkeitsarbeit. Die Bevölkerung soll aufgeklärt, IT-Systeme und Computerzugänge geschützt werden.
Wie wollen Politiker nun Fake-News bekämpfen?
- Politiker von CDU und CSU wollen Fake-News bestrafen. "Ich halte eine Strafverschärfung für sinnvoll, wenn es hierbei um einen gezielten Kampagnencharakter geht", sagte der Chef des Bundestagsinnenausschusses, Ansgar Heveling (CDU) der "Rheinischen Post" . Grundlage könnten die Gesetze gegen Verleumdung oder üble Nachrede sein.
- Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will dem Thema größere Aufmerksamkeit widmen, Trolle und gefälschte oder automatisierte Meldungen könnten auch in Deutschland gefährlich werden, sagte sie im Bundestag ("Die Zeit" ).
- Facebook müsse verpflichtet werden, erwiesene Falschmeldungen schnell zu löschen, beziehungsweise mit gleicher Reichweite richtigzustellen, fordert SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann (tagesspiegel.de ).
- Die SPD strebt daher eine gemeinsame Selbstverpflichtung der Parteien an – mit diesem Inhalt: