Fall Moshammer Mord nach Streit um Sex-Lohn

Knapp 48 Stunden nach dem Mord an Rudolph Moshammer hat die Polizei den mutmaßlichen Täter gefasst. Der 25 Jahre alte Iraker Herisch A. gestand, den Modemacher nach einem Streit um die Entlohnung für sexuelle Handlungen in der Nacht zum Freitag erdrosselt zu haben. "Moshammer hatte keine Chance", sagte die Polizei.

München - Er fürchtete sich nicht mehr vor dem Tod, so hatte er es selbst bekundet, nur noch vor dem Sterben. Das Ende des schillernden Modemachers Moshammer war allerdings fürchterlich. Ein Streit um den Lohn für Sex-Dienste, verabreicht durch einen in der Bahnhofsgegend aufgegabelten Mann, führte zum Verbrechen. Der Münchner Edelschneider musste sterben, weil er nach Aussagen des Täters den Liebeslohn von 2000 Euro nicht zahlen wollte.

Den Ablauf der letzten Minuten schilderte am Sonntagmorgen der Leiter der "Sonderkommission Moshammer", Harald Pickert, in München. Mitten im heftigen Wortgefecht habe der Täter ein Kabel vom Tisch gerissen, es seinem Opfer "blitzschnell" um den Hals gelegt und zugezogen. "Herr Moshammer hatte keine Chance", sagte Pickert.

Bei den anschließenden Ermittlungen halfen modernste Analyse-Methoden. Kriminaltechniker stellten an dem Kabel winzige Hautpartikel sicher und erstellten ein Genmuster. Beim Abgleich mit der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes kamen die Beamten dem Iraker auf die Spur. Glück für die Polizei: Aus einem früheren Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung einer Frau, das aber mangels Beweisen eingestellt wurde, war sein genetischer Code in der DNA-Datenbank gespeichert.

Am Samstagabend observierte die Polizei die Wohnung des Verdächtigen. Gegen 22.00 Uhr schlug das SEK zu, kurz nachdem Herisch A. nach Hause kam. Er hatte sich zur Tarnung den Kopf kahl geschoren. Bei seiner Festnahme leistete er keinen Widerstand. Am Sonntagabend erging ein Haftbefehl gegen den Iraker.

Nach einer gewissen Örtlichkeit gefragt

Aufgegabelt hatte Moshammer seinen späteren Mörder in der Bahnhofsgegend, wo zu nächtlicher Stunde zwischen Animierbars und Pornokinos Gelegenheitsprostituierte auf Freier hoffen. Nach der Schilderung von Herisch A. habe Moshammer seinen Rolls Royce neben ihm gestoppt, die Scheibe heruntergekurbelt und, so Soko-Chef Pickert, "nach einer gewissen Örtlichkeit gefragt". Nach Aussage des Tatverdächtigen soll es in "Iraker-Kreisen" bekannt gewesen sein, dass der fein gekleidete Schickeria-Gänger im Bahnhofsviertel junge Männer angesprochen habe.

Moshammer, 64 Jahre alt, soll dem Täter 2000 Euro für sexuelle Handlungen geboten haben - eine Summe, die Pickert jedoch für ungewöhnlich hoch hält. Der Iraker sei in den Wagen gestiegen und dann zur Villa seines Opfers gefahren. Dort sei es dann zu dem verabredeten Geschehen gekommen, obwohl die mit feinem Anzug, Krawatte und Lackschuhen bekleidete Leiche auf den ersten Blick nicht danach aussah. Pickert: "Es entsprach seiner Gewohnheit, den Akt in angezogenem Zustand zu vollziehen."

Als Moshammer den vereinbarten Lohn verweigerte und mit der Polizei drohte, kam es zur tödlichen Attacke. Danach habe der Herisch A. sein Opfer nach Bargeld durchsucht, aber nichts gefunden. Panikartig habe er das Haus verlassen und sei mit der ersten Straßenbahn nach München gefahren.

Die Polizei nannte Habgier und Heimtücke als Motiv der Tat. Der Tatverdächtige lebt seit 2001 in Deutschland, seit 2002 wohnt er in München. Er hat den Angaben zufolge einen Asylantrag gestellt und besitzt eine gültige Aufenthaltserlaubnis. "Er sagt, er ist kein Stricher", betonten die Ermittler. "Aber wir wissen nicht, aus welchem Milieu er kommt." Er hat nach eigenen Angaben eine Freundin, ist nicht homosexuell und arbeitete als Koch in einem Münchner Lokal. Der mutmaßliche Täter spricht nur gebrochen Deutsch, deshalb ist bei den Verhören stets ein Dolmetscher anwesend.

Finanzielle Probleme durch Spielsucht

Bei der Vernehmung berichtete der Iraker von finanziellen Problemen und erheblichen Schulden. Er sei "ein Automaten- Spieler, der sämtliche Spielotheken in der Bahnhofsgegend abklappert", sagte Pickert zu den Gründen für die Finanznot des Mannes. Im Verhör habe der Verdächtige bislang keine Reue erkennen lassen. "Andere haben teure Wohungen und schnelle Autos, das hatte ich nie" - in diesem Sinne habe er sich auf die Frage nach dem Grund für die Tat geäußert. Ob er nach der Tat Geld oder Wertgegenstände aus der Villa von Moshammer entwendet hat, war zunächst noch unklar.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Peter Boie, geht davon aus, dass der Prozess gegen Herisch A. noch in diesem Jahr eröffnet werden kann. Bis zur endgültigen Aufklärung des Falls werde es aber noch einige Monate dauern. In solchen Fällen würde automatisch auch ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Boie lobte die gute Zusammenarbeit aller Ermittlungsbehörden, die zur Ermittlung des Täters geführt habe. Mehr als 500 Anrufer hatten der Polizei Hinweise gegebene, die Beamten verfolgten 180 Spuren.

Der Modemacher zählte zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Münchner Schickeria und war regelmäßig Gast bei Prominenten-Partys und in Talk-Shows. Öffentlich bekannte er sich nie zu seiner Homosexualität, wenn sie auch in Münchner Kreisen als offenes Geheimnis galt. In der Münchner Schwulenszene - einer der größten deutschen nach Berlin und Köln mit Saunaclubs und Szenelokalen - sei Moshammer nie gesehen worden.

Allerdings überrascht selbst Nahestehende, wie leichtsinnig er seine Streifzüge durch München zuletzt vornahm. "Er war immer wieder unterwegs, um Männer anzusprechen - ob gezielt im Strichermilieu, wissen wir nicht", erklärte Kommissariatschef Pickert. Nach seinen Angaben gehört das Bahnhofsviertel nicht zu den typischen Anlaufpunkten der Stricherszene. "Hier gibt es von uns einen sehr starken Kontrolldruck", betont der Polizist.

Entsetzen bei Nahestehenden und Freunden

Am Tag, als Moshammers Leiche in seinem Haus im Münchner Vorort Grünwald entdeckt wurde, hatten mehrere engere Bekannte noch Zweifel geäußert, dass der Modezar seine sexuellen Bekanntschaften mit in seine Luxuswohnung nahm. "Sein Haus war abgesichert wie eine Festung", sagte sein Hausarzt und Freund Arnulf Borchers der "Bild"-Zeitung. Der Arzt war mit dem Chauffeur der Erste, der Moshammers Leiche entdeckt hatte. "Niemand konnte ohne ihn ins Haus." Moshammer hatte große Angst vor Einbrüchen oder einem Raubüberfall. Er stattete seine Villa mit Alarmanlagen und Kameras aus und stritt mit Nachbarn über eine Dauerbeleuchtung.

Wenige Minuten vor neun Uhr am Freitagmorgen hatte Moshammers Chauffeur die Leiche im Flur vor dem Schlafzimmer im ersten Stock entdeckt. Die Obduktion ergab, dass er zuvor weder Alkohol noch Drogen konsumiert hatte.

Der Leichnam von Moshammer wurde von den Behörden inzwischen freigegeben. Der Zeitpunkt der Beisetzung steht aber noch nicht fest. Auch über sein Testament ist bisher nichts bekannt. Spekuliert wird, ob Moshammer einen Teil seines Vermögens Münchner Obdachlosen vererbt hat, für die er sich seit Jahren engagierte.

Bei der Polizei in Grünwald gingen unterdessen ungezählte Anrufe von Tierfreunden ein, die Moshammers Hund Daisy adoptieren wollten. "Die Daisy ist versorgt. Sie ist in Obhut des Fahrers. Bitte rufen Sie deshalb nicht mehr bei der Polizei an", sagte Polizeisprecher Wolfgang Wenger.

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